Was chancengerechte Bildung braucht

Die dritte Sta­tion der Ver­anstal­tungsrei­he Bildung.Werte.Zukunft. führte Acad­e­mia Supe­ri­or nach Ried. Dabei wurde mit hochkaräti­gen Gästen über Chan­cen­gerechtigkeit als Wert im Bil­dungssys­tem und wie diese erre­icht wer­den kann, diskutiert.

„Bil­dung ist eines der unverzicht­baren Werkzeuge, um die Zukun­ft gestal­ten zu kön­nen“, betonte der wis­senschaftliche Leit­er der Acad­e­mia Supe­ri­or, Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger, in sein­er Begrüßung, deshalb sei auch die kon­tinuier­liche Diskus­sion darüber, was gute Bil­dung aus­macht, zen­tral für die Zukunft.

 

Von der „sozialen Problemschule“ zum Vorzeigemodell

Impulse dafür, wie auch in Schulen mit beson­deren Her­aus­forderun­gen möglichst viele Kinder und Jugendliche mit guten Chan­cen für ihr späteres Leben aus­ges­tat­tet wer­den kön­nen, brachte Cor­du­la Heck­mann in ihrer Keynote ein. Die ehe­ma­lige Lei­t­erin der Gemein­schaftss­chule Rütli im Berlin­er Stadt­teil Neukölln hat­te ihren Schul­stan­dort durch inno­v­a­tive und kon­se­quente Umgestal­tun­gen von ein­er der bekan­ntesten deutschen sozialen Bren­npunk­tschulen in ein viel­beachtetes Vorzeige­mod­ell umgeformt.

Sie kon­nte zeigen, dass eine gute Schul­bil­dung auch an einem Stan­dort möglich ist, der mehrheitlich durch Kinder aus finanziell armen und migrantis­chen Fam­i­lien geprägt ist. Während in deutschen Schulen mit ver­gle­ich­baren sozialen Rah­menbe­din­gun­gen immer noch 20–30 Prozent der Kinder ohne einen Abschluss die Schule ver­lassen, kon­nte diese Quote am Cam­pus Rütli auf 10 Prozent gesenkt wer­den. (In Öster­re­ich lag diese Quote im Jahr 2022 bei 8,4 Prozent aller 18 bis 24-Jähri­gen.)

Als zen­trale Fak­toren für ihren Erfolg nan­nte Heck­mann: „eine klare Hal­tung, entsch­iedenes Han­deln und ein gutes Team“, sowie die Ver­ab­schiedung von der son­st üblichen „Defiz­ito­ri­en­tierung“. Mehrsprachigkeit wird in der Ganz­tages- und Gesamtschule am Cam­pus Rütli unter­stützt, Musikalität gefördert, die Het­ero­gen­ität in beson­deren Unter­richts­for­men genutzt. Die Eltern wer­den als Erziehungspart­ner in der Schule aus­drück­lich willkom­men geheißen und durch zahlre­iche Koop­er­a­tio­nen kann den Schü­lerin­nen und Schülern auch ein bre­ites Spek­trum an Bil­dung­sop­tio­nen außer­halb des Lehrplans ange­boten werden.

„Wir haben das Ver­trauen des Stadt­teils erwor­ben, was sich vor allem auch darin aus­drückt, dass wir mit­tler­weile mehr Anmel­dun­gen haben, als wir Schulplätze zur Ver­fü­gung haben“, führte Cor­du­la Heck­mann aus. Sie warnte aber vor allem auch vor den zukün­fti­gen Fol­gen des Lehrerman­gels: „Der Lehrerman­gel wird finanziell und sozial benachteiligte Kinder noch stärk­er tre­f­fen als den Durch­schnitt der Schü­lerin­nen und Schüler“ und das frag­men­tierte deutsche Bil­dungssys­tem, mit zu viel Bürokratie, hemme nach­weis­lich vor allem den Bil­dungs­fortschritt von benachteiligten Kindern, meinte Heckmann.

Lehrkräfte, Talentescouts und Perspektiven

Die auf die Keynote fol­gende Podi­ums­diskus­sion drehte sich um die Rolle der Lehrerin­nen und Lehrer, um die Chan­cen der Tal­en­tefind­ung und um die Förderung beru­flich­er Per­spek­tiv­en für alle Jugendlichen.

Der Unternehmer DI Klaus Pöt­tinger (Pöt­tinger Entsorgung­stech­nik) brachte die Per­spek­tive der Wirtschaft in die Diskus­sion ein und merk­te an: „Der wichtig­ste Punkt im Bil­dungssys­tem sind die Lehrerin­nen und Lehrer“. Nur mit motivierten, gut aus­ge­bilde­ten und aus­ges­tat­teten Lehrkräften kön­nen sich Schulen pos­i­tiv entwick­eln. „Wir müssen in der Bil­dung ler­nen, indi­vidu­eller und flex­i­bler zu denken“, so Pöt­tinger, der damit auch an seine Erfahrun­gen in der Unternehmensführung anknüpfte.

Der Genetik­er Markus Hengstschläger ver­wies darauf, dass „Kinder von Eltern mit geringem Einkom­men genau­so viele Tal­ente wie Kinder von Eltern mit hohem Einkom­men haben. An den Genen liegt es nicht“, und plädierte für mehr indi­vidu­elle Tal­en­te­förderung an den Schulen: „Jedes Kind hat ein Recht darauf, dass sich jemand pro­fes­sionell damit beschäftigt, welche Tal­ente es hat.“

Eine der Inno­va­tio­nen, die Cor­du­la Heck­mann vor ihrer Pen­sion­ierung gerne noch umge­set­zt hätte, wäre die Etablierung ein­er „Beruf­swerk­statt“ auf dem Cam­pus gewe­sen. Diese wäre eine Antwort auf die Frage, was man mit jenen 10 Prozent der Jugendlichen machen kann, die zu keinem schulis­chen Abschluss kom­men. „Denn nur weil jemand ein anderes Ler­nange­bot und Umfeld braucht, als wir in der Schule bieten kön­nen, heißt das nicht, dass das nicht zum Beispiel tolle Handw­erk­er wer­den kön­nen“, find­et Cor­du­la Heck­mann. „Das Ziel muss es sein, die Kinder mit ein­er Per­spek­tive von der Schule zu ent­lassen“, so Heck­mann, die mehr Flex­i­bil­ität und Inno­va­tion im Schul­sys­tem fordert.

Anschließend wurde leb­haft mit den zahlre­ich anwe­senden Poli­tik­erin­nen und Poli­tik­ern, Lehrkräften und Schü­lerin­nen und Schülern diskutiert.

Abschließend bedank­te sich LH-Stv. Mag. Chris­tine Haber­lan­der, Obfrau von Acad­e­mia Supe­ri­or, bei den Podi­ums­gästen und dem Pub­likum für die rege Teil­nahme und Diskus­sion und fügte hinzu: „Das The­ma Bil­dung beschäftigt und bet­rifft alle Men­schen, weil es darum geht, dass wir damit den Jüng­sten unseres Lan­des die besten Bil­dungschan­cen geben und die Chan­cen auf ein gelin­gen­des Leben erhöhen.”