Der demografische Wandel und die Alterung der Bevölkerungsstruktur bringt steigende Zahlen von Demenzerkrankungen mit sich. Dies stellt nicht nur die Betroffenen selbst, sondern auch Angehörige, den Pflegebereich, das Gesundheitssystem und die Gesellschaft als Ganzes vor wachsende Herausforderungen.
Mit einem klaren Plan und einer breit getragenen Strategie ist es unser Ziel, Oberösterreich bis 2030 zu einem demenzfreundlichen Land zu machen. — Christine Haberlander
Um dieser Entwicklung vorausschauend zu begegnen, suchte ACADEMIA SUPERIOR nach Potenzialen und internationalen Beispielen für eine nachhaltig gelingende Demenzversorgung. Das Wissen, die Ideen und Meinungen zahlreicher Expert*innen aus dem Sozial- und Gesundheitsbereich wurden eingeholt und in einem Dossier verdichtet.
Download: Dossier: „Demenz”.pdf
Strategie für ein demenzfreundliches OÖ
ACADEMIA SUPERIOR empfiehlt ein strategisches Vorgehen bei der Weiterentwicklung der Demenzversorgung in Oberösterreich und eine Definition von Zielvorstellungen für einen Zeithorizont bis 2030.
- Grundlage dieser Strategie ist die Vorstellung eines „demenzfreundlichen OÖ“ die darauf aufbaut, dass – egal wo und in welcher Rolle sich jemand wiederfindet – eine positive Perspektive besteht. Die Ausrichtung aller Maßnahmen stellt deshalb die Betroffenen und Angehörigen in den Mittelpunkt.
- Die Strategie definiert sich als Prozess, in den sich Stakeholder und Interessierte in einem vorgegebenen Rahmen einbringen und ihn so laufend mitgestalten können. Gerade die jüngste Vergangenheit hat gezeigt, wie rasch sich Rahmenbedingungen verändern können und welche Dynamik das den Verantwortlichen abverlangt. Eine Strategie, die als Prozess aufgesetzt ist, ist deshalb nicht nur resilienter, sondern auch zukunftsfähiger und flexibler für Herausforderungen, die wir heute vielleicht noch nicht kennen. Die Strategie kann so von einer neu eingerichteten Strategie- und Steuerungsgruppe laufend weiterentwickelt und angepasst werden und bietet den Stakeholdern genügend Autonomie zur Anpassung an die eigenen konkreten Bedingungen vor Ort.
- Die laufende Evaluierung ist Teil des strategischen Prozesses. Alle gesetzten Maßnahmen sollen deshalb auch mit einem Bewertungskatalog verabschiedet werden, der eine zeitnahe Überprüfung auf seine Wirksamkeit zulässt. Das macht mitunter auch rasche Kurskorrekturen möglich.
- Die politische Einigung auf klare Zielevorgaben für einen definierten Zeitraum von mehreren Jahren ermöglicht die Nachvollziehbarkeit des Umsetzungsprozesses.
4x4 Commitments für ein demenzfreundliches OÖ
Im Folgenden werden beispielhaft mögliche Zielvorgaben entlang von vier Ebenen angeführt. Diese Vorschläge basieren u.a. auf den Ergebnissen der Expertengespräche, die ACADEMIA SUPERIOR geführt hat.
Bewusstseinsförderung & niederschwelliges Angebot
- Jede Oberösterreicherin und jeder Oberösterreicher kann innerhalb von 45 Autominuten eine Demenzservicestelle erreichen.
- Eine Kampagne für gesundes Altern wird regelmäßig durchgeführt. Sie verbessert das öffentliche Bewusstsein und Verständnis für jene Faktoren, die das Demenzrisiko erhöhen und gibt klare Anleitungen, was jede und jeder Einzelne dazu beitragen kann, das Risiko zu senken.
- Alle existierenden Services rund um das Thema Demenz in Oberösterreich werden auf einer Onlineplattform übersichtlich dargestellt und abrufbar gemacht.
- In öffentlichen Einrichtungen ist ein „Code of good practice” für den Umgang mit Menschen mit Demenz erarbeitet und implementiert.
Risiko-Reduktion
- Jede oö. Gemeinde organisiert oder fördert regelmäßige Bewegungsveranstaltungen für alle Altersgruppen.
- Das Bewusstsein und der aktuelle Wissensstand über die gesundheitlichen Vorteile eines gesunden Lebensstill ist in allen Alters- und Sozialgruppen der oö. Bevölkerung verankert.
- Das Wissen über die Vorteile einer frühen Diagnose von Demenz sind in der Bevölkerung breit verankert.
- Sozialer Desintegration im Alter wird auf Gemeindeebene durch gezielte Informationen und Aktivitäten entgegengewirkt.
Betreuung und Pflege
- Die Krankenhaus- und Pflegeeinrichtungsträger haben sich auf Kriterien der Demenz-Freundlichkeit geeinigt und setzen sie in ihren Einrichtungen um.
- Das Pflegegeldsystem ist auf Bundesebene hinsichtlich einer stärkeren Berücksichtigung neurologischer Erkrankungen angepasst worden und die Folgen einer Demenzerkrankung werden für den Betreuungsbedarf im Pflegegeld besser berücksichtigt.
- Die schrittweise Ausrollung auf weitere Alten- und Pflegeheime im Sinne des „Integrierte Versorgung Demenz“-Rahmenkonzepts für Alten- und Pflegeheime wird realisiert, in den oberösterreichischen Pflegeeinrichtungen wird ein Instrument zur Bewertung der Lebensqualität von Menschen mit Demenz eingesetzt (z.B. QUALIDEM).
- Ein auf Expertenebene identifiziertes Best-Practice-Modell für alternative Betreuungskonzepte (wie bspw. ein Demenzkompetenzzentrum) wird in OÖ pilotiert.
Ausbildung und Forschung
- Die Demenzforschung erhält an einer oberösterreichischen Hochschule eine eigene Professur mit Schwerpunkt auf Versorgungsforschung.
- Öffentlich Bedienstete mit Kund*innenkontakt, Mitarbeiter*innen in öffentlichen Verkehrsmitteln sowie in Blaulichtorganisationen sind im Umgang mit verwirrten und orientierungslosen Menschen geschult (z.B. durch niederschwellig verfügbare E‑Learning-Module).
- Praxiswerkstätten werden als Pilotprojekte zur Ausbildung von Gesundheitspersonal im Umgang mit Menschen mit Demenz an drei Altersheimen in OÖ eingeführt und getestet.
- Erkenntnisse aus der Forschung rund um technologische Hilfsmittel für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen und zu Ambient Assisted Living-Projekten werden in Pilotprojekten praxisnah umgesetzt und als Best-Practice-Beispiele ausgerollt.