Eine wachsende Herausforderung
In Oberösterreich leben etwa 21.000 Menschen mit der Diagnose Demenz. Dieser meist schwere Schicksalsschlag geht für Betroffene und Angehörige mit großen Belastungen einher. Noch ist keine Heilung für die Krankheit in Sicht, die mit steigendem Alter immer häufiger auftritt. Bedingt durch die demografische Entwicklung wird sich die Situation in den kommenden Jahren deshalb deutlich verschärfen: Bis 2045 ist in Oberösterreich mit einem Anstieg auf 48.000 Erkrankten zu rechnen, eine Herausforderung für Pflege- und Betreuung.
Dieser Entwicklung wird in Oberösterreich jetzt mit neuen Demenzberatungsstellen begegnet. Elf solche Anlaufstellen stellen in Zukunft eine flächendeckende Beratung, Service und Training für Betroffene und Angehörige sicher. Um die Situation für Demenzerkrankte und Angehörige weiter zu verbessern, lud ACADEMIA SUPERIOR an der Johannes-Kepler-Universität Linz zum Expert*innen-Forum. „Wir müssen der Krankheit Demenz in allen Sektoren der Gesellschaft begegnen. Wenn wir aufzeigen, dass man auch etwas tun kann, kann man die Angst vor der Krankheit ein Stück weit nehmen“, erklärte Obfrau LH-Stv. Mag. Christine Haberlander einleitend. Soziallandesrätin Birgit Gerstorfer teilt diese Meinung: „Wir müssen das Stigma, das der Demenz immer noch anhaftet, abbauen und als Gesellschaft dafür sorgen, dass Demenzerkrankte nicht sozial isoliert werden“.
Die Expert*innen aus der Forschung, vom Land Oberösterreich (Abteilungen Gesundheit und Soziales), von oö. Krankenhäusern, der FH für Gesundheitsberufe OÖ, der Altenbetreuungsschule des Landes OÖ, dem Hilfswerk, der Diakonie, der Volkshilfe, der OÖ Gebietskrankenkasse und von privaten Organisationen wie der MAS Alzheimerhilfe, Pro Senectute Österreich, SelbA und der Österreichischen Alzheimergesellschaft tauschten sich beim Forum mit den zwei Landesrätinnen über neue Ideen für die Weiterentwicklung der Demenz-Versorgung aus.
Früherkennung soll forciert werden
Als eines der größten Probleme, wurde die negative soziale Stigmatisierung der Krankheit identifiziert. Betroffene und Angehörige, die erste Anzeichen einer Demenz bei sich oder einem Familienmitglied bemerken, warten aus Scham meist zu lange, bevor sie professionelle Beratung und Unterstützung suchen. Dabei kann der Verlauf der Krankheit, wenn sie früh diagnostiziert wird, durch Training, Medikamente und Anpassungen in der Lebensweise deutlich abgemildert werden. Die schweren Formen am Ende der Krankheit können so hinausgezögert oder gänzlich vermieden werden.
Eine exakte Diagnose durch Neurolog*innen und Psychiater*innen ist auch deshalb wichtig, weil 10 Prozent aller Demenzfälle keine neurologische Ursache haben, sondern Gedächtnisstörungen als Symptom einer anderen Erkrankung auftreten. Wird diese Grunderkrankung erfolgreich früh behandelt, verschwinden auch die Symptome wieder.
Pflegende Angehörige stärker unterstützen
Betroffene sollen möglichst lange selbstbestimmt in der eigenen häuslichen und familiären Umgebung leben können. Der Familie kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Denn 80 Prozent der Erkrankten werden derzeit zu Hause engagiert betreut. Doch auch hier wird oft noch zu spät und in nicht ausreichendem Maße Hilfe von außen gesucht oder zur Verfügung gestellt. Oft resultiert dies in einer Überforderung der Angehörigen, sobald die Krankheitsstadien schwerwiegender werden. Dementsprechend sollten die pflegenden Angehörigen stärker unterstützt werden. Die Information und Unterstützung an den neuen Beratungsstellen könnte durch eine Flexibilisierung der Einsatzzeiten der mobilen Pflegedienste, die derzeit in der Praxis auch die Familien beraten, weiter verbessert werden. Auch das Angebot an Kurzzeitpflegeplätzen und Tagesbetreuungen sollte ausgebaut werden, um die pflegenden Familien im Alltag zu entlasten, sind sich die Expert*innen einig.
Herausforderung ist nur gesamtgesellschaftlich zu bewältigen
Nicht nur Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen müssen sich auf einen weiteren Anstieg der Demenzfälle einrichten und deshalb die Ausbildung und Sensibilisierung ihres Personals vorantreiben, mehr Ressourcen bereitstellen und ihre internen Prozesse anpassen. Auch die Gemeinden müssten – als sozialer Lebensraum der Menschen – Wege finden, um die soziale Desintegration von Demenzerkrankten zu verhindern. So muss dem Thema gesamtgesellschaftlich strategisch begegnet werden, um Oberösterreich so zu einem demenzfreundlichen Bundesland weiterzuentwickeln.
Prävention ist möglich
Die gute Nachricht: Es gibt zwar noch keine Heilung für die neurologische Erkrankung, aber jede und jeder kann trotzdem etwas tun, um das Risiko, an einer Demenz zu erkranken, zu verringern. Abgesehen davon, dass der Verlauf einer Demenzerkrankung durch Verhaltensänderungen abgemildert werden kann, zeigen Studien deutlich, dass eine gesunde und aktive Lebensweise das Risiko für Demenz drastisch reduzieren können. Denn 15–20 Prozent aller Demenzfälle haben Durchblutungsstörungen im Gehirn als Ursache und werden meist durch Schlaganfälle ausgelöst. Außerdem gelten Bluthochdruck, Diabetes, hohe Cholesterinwerte, Übergewicht und Depressionen als weitere Faktoren, die Demenz begünstigen.
In den kommenden Wochen verdichtet die ACADEMIA SUPERIOR die Empfehlungen der Expert*innen zu einem Bericht. „Es ist wichtig, dass wir uns schon jetzt auf die Herausforderungen, die durch die steigenden Demenzzahlen auf uns zukommen werden, vorbereiten, damit wir dann nicht davon überrollt werden. Die Sammlung von Empfehlungen ist ein erster Schritt in diese Richtung“, erklärte Christine Haberlander abschließend.
An den Sozialberatungsstellen des Landes OÖ erhält man Informationen zu den Angeboten rund um das Thema Demenz. > Liste der OÖ Sozialberatungsstellen