Auch im Vorfeld der zweiten Veranstaltung im Programmschwerpunkt „Bildung.Werte.Zukunft.“, die unter dem Motto „Wie geht Bildung?“ am 7. September 2023 im Salzhof Freistadt stattfand, trafen sich wieder insgesamt 20 Personen aus dem Bildungsbereich, Eltern und sehr viele Schüler:innen, um in einem Workshop in zwei Stunden intensiver Diskussion und Debatte ihre Anliegen und Anregungen für die Wertebasis einer Bildung der Zukunft einzubringen. Dabei wurden Herausforderungen des Bildungssystems identifiziert und zahlreiche Lösungsansätze und Ideen entwickelt. Grundtenor war: Am Ende des Tages soll mehr für Lehrkräfte verfügbare Zeit pro Schüler:in stehen – individuelle Förderung und auch Zeit für gemeinsame Aktivitäten sind allen ein Anliegen.
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Die gesammelten Ideen, Vorschläge und Ansichten der Teilnehmer:innen deckten ein breites Spektrum ab und umfassten unter anderem folgende Aspekte:
Wertschätzung hat viele Formen
Die Wertschätzung gegenüber den Lehrkräften und den Schüler:innen sollte im Bildungssystem besser ermöglicht und sichtbar werden. Mehr Flexibilität und echte Schulautonomie – stehen teilweise im Widerspruch zur Zentralmatura, die laut einem Teilnehmer zum ausschließlichen „Hindrillen“ der Schüler:innen auf standardisierte Prüfungsvorgaben geführt hat. Der Fokus sollte stärker auf ein gemeinsames Basiswissen und weniger auf einzelne unzusammenhängende Elemente ohne jede Nachhaltigkeit gelegt werden. Gegenüber den Schüler:innen muss es Auftrag von Bildungseinrichtungen sein, ihre individuellen Neigungen und Interesse besser zu erkennen und zu fördern, ihnen etwas zuzutrauen, aber sie nicht zu überfordern. Auch das ist Wertschätzung.
„Schaffen wir es alte Strukturen aufzubrechen?“
Auch vermeintliche Kleinigkeiten, die in vielen Unternehmen eine Selbstverständlichkeit sind, würden sich Direktor:innen für ihre Lehrkräfte wünschen – etwa ein Budget für Getränke oder Snacks bei Besprechungen und Konferenzen oder die Möglichkeit, Lehrer:innen-Teams auch mit einem gemeinsamen Ausflug oder einer Aktivität belohnen zu können. Aber auch genügend große Schreibtisch-Arbeitsplätze mit Stromanschluss für jede Lehrkraft in der Schule wären wichtig.
Viele Herausforderungen, viele Chancen
Schulen befänden sich derzeit in einem Schwebezustand zwischen Entmündigung und Schulautonomie. Es sollte mehr Chancen zur Entwicklung einer Schulkultur, die stärker auf ein Miteinander abzielt, geben. Dafür wünscht man sich, auch mit externen Berater:innen und Experten:innen arbeiten zu können. Durch die Finanzierung von z.B. Coaches oder die Einbindung von Streetwork in den Schulalltag könnten die Neigungen und Bedürfnisse der Schüler:innen besser abgeholt werden. Ebenso sollten die Klassengrößen mitbedacht und überladene Lehrpläne restrukturiert werden. Ein Bedarf, der genannt wurde, waren Fortbildungskurse für (angehende) Direktor:innen – etwa als Hochschullehrgang. Der Wille, derartige Veränderungen umzusetzen, wäre vielerorts da.
Von den Flex-Zeiten zum 360°-Feedback
Die anwesenden Schülervertreter:innen wünschten sich mehr Feedbacksysteme in den Schulen. Dazu wurden Methoden wie der Stärkekreis, wo Schüler:innen Rückmeldungen ihrer Kolleg:innen bekommen, was sie besonders gut können, oder das in der Wirtschaft weit verbreitete „360°-Feedback“ mit gegenseitigen Feedbackmöglichkeiten über alle Hierarchien hinweg von allen im Schulbetrieb tätigen Personen, oder die Evaluierung der Ansichten von Absolvent:innen, genannt.
Als wesentliche Kompetenz für die nächsten Generationen wurde die Fähigkeit, sich Wissen anzueignen vorgebracht, etwa in der Form von „Lernwerkstätten“ oder „Lernen Lernen“-Programmen.
Als Vorbild für mehr Freiraum und interessensgeleitetes Lernen wurde gleich mehrfach das Flex-Zeiten-Modell vorgebracht und diskutiert. Durch das Zusammenfassen von Stunden in einzelnen Lernfächern entstehen Freiräume, die durch ein breites Kursangebot gefüllt werden. So könnten auch praxisorientiertes Wissen durch Externe und Einblicke in die Arbeitswelt stärker ins Bildungsangebot einfließen.
Fragen an die Zukunft der Bildung
Im Workshop wurden zahlreiche Fragen an die Zukunft der Bildung zusammengetragen. Diese regen zur tiefergehenden Beschäftigung an und sind im Folgenden ohne Bewertung gesammelt:
- Warum gibt es keine Kooperation mit Berufs- und Bildungsberatern?
- Von wem und warum werden alle zivilgesellschaftlichen Bemühungen und Gesprächsangebote für Neuentwicklungen im Bildungsbereich — auch als Forschungsprojekte möglich – nicht angenommen?
- Wer macht die Innovationen und Neuentwicklungen im öffentlichen Bildungsbereich?
- Wie vermittelt man Schüler:innen, dass ihre Bildung ihrem eigenen Wohl dient, ihnen professionellen Erfolg und persönliche Entwicklung bietet und nicht bloß dem Erreichen gewisser Normen und standardisierten Niveaus dienen soll?
- Was wäre die optimale Schulkultur für alle Beteiligten im Schulalltag?
- Was ist die Aufgabe von Schule?
- Wo bleibt die Herzensbildung (eine Art Werte- und Ethikunterricht)?
- Wie kann es sein, dass Menschen nach der Pflichtschule nicht (sinnerfassend) lesen und schreiben können?
- Soll die Anzahl der zu schreibenden Texte bei der Schriftlichen Reifeprüfung im Fach Englisch auf 1 reduziert werden?
- Wieso gibt es Lösungen/Ansätze, aber keine Änderungen?
- Wie können Umweltschutz, Nachhaltigkeit (Kreislaufwirtschaft), soziale Gerechtigkeit (auch international betrachtet) und ein gesunder Lebensstil unterrichtet werden?
- Warum gibt es kein Bewertungssystem für Lehrer:innen?
- Wird in der Pädagogen-Ausbildung ausreichend behandelt, wie wirksam und effektiv mit lernschwachen Schülern umzugehen ist?
- Wie können wir ein Flexzeitenmodell flächendeckend in Oberösterreichs Schulen anbieten?
- Wo versickert das Geld im Bildungssystem?
- Wie werden in Zukunft Werte vermittelt?
- Wenn sich scheinbar alle einig sind, welche Werte (Flexibilität, mündige Schüler, keine Fachidioten, Schüler im Mittelpunkt, an Zeit angepasste Lehrpläne) wichtig sind, warum passiert dann kein Fortschritt?
- Warum gibt es Handlungsbedarf im Bildungssystem?
- Wozu soll sich Bildung ändern?
- Wie soll Bildung aussehen?
- Warum vermarkten wir die Skills unserer Schüler:innen nicht besser?