Beim zweiten Teil der Veranstaltungsreihe Bildung.Werte.Zukunft. diskutierten Christine Haberlander und Markus Hengstschläger mit der Bildungspsychologin Christiane Spiel und dem Lehrervertreter Paul Kimberger in Freistadt darüber, was eine gelingende Bildung in Zukunft strukturell braucht. Wie gelingt Bildung, die die Kinder und ihre Interessen und Zukunft, ihre Neigungen, Talente und Stärken in den Mittelpunkt stellt?
Fotos der Veranstaltung
In einem vorgelagerten Workshop konnten sich Lehrkräfte, Schüler:innen, Unternehmer:innen, Eltern und Interessierte wieder austauschen und ihre Ideen einbringen.
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„Pädagogen und Schüler müssen die gleichen Kompetenzen für die Zukunft entwickeln.“ – Christiane Spiel
In ihrem Vortrag sprach Bildungspsychologin em. Univ.-Prof DDr. Christiane Spiel darüber, welche Herausforderungen die Pandemie für das Bildungssystem brachte und erklärte, welche Schlussfolgerungen man für die Schule von morgen aus neuen Studienergebnissen ziehen kann. Sie betonte, dass viele Studien dem Ausbau des Elementarbereichs (Kindergärten und frühe Bildung) die größte Bedeutung beimessen. Auch der Ausbau von Ganztagsschulen werde überwiegend positiv evaluiert. Wichtig sei für beide Bereiche, sie nicht als reine Kinderbetreuung zu betrachten, sondern auf hohe pädagogische Qualität bei der Erweiterung der Strukturen zu achten. Außerdem müssten das Bildungssystem und die Lehrpläne noch stärker von den Schüler:innen her gedacht werden.
Kompetenzen der Zukunft
Als wichtige Kompetenzen, die Kinder und Lehrkräfte für die Zukunft brauchen, nannte die Bildungsexpertin:
- Veränderungen aktiv wahrnehmen
- Mit digitalen Medien souverän umgehen
- Selbstreguliert lernen
- (Ergebnis)verantwortlichkeit realisieren
- Bildung wertschätzen
- Selbstvertrauen und Mut haben
- In Teams arbeiten und mit Konflikten umgehen
- Solidarität und Inklusion leben
- Bewertungs- und Verantwortungskompetenz
- Entscheidungs- und Gestaltungskompetenz
- Soziale- und Diskurskompetenz
- Digital Literacy und Entrepreneurship
„Schülerinnen und Schüler sollten aktiv in die Entwicklung von Schule und Bildung eingebunden werden” – Christiane Spiel
Die Bildung der Zukunft brauche zwei Säulen, um aus der Diversität eine Stärke zu machen:
1. Eine Verbindliche Grundbildung für alle – zentrale Kompetenz ist hierbei das sinnverstehende Lesen, das möglichst früh und gut gefördert werden sollte. 2. Förderung von individuellen Interessen und Begabungen. Außerdem braucht es einen Evidenz-basierten Unterricht. Darunter fällt auch die Vermittlung, wie Forschungsprozesse in der Wissenschaft gestaltet sind, sowie Wissen darüber, was robuste Aussagen sind und was der Unterschied zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Meinungen ist.
Brückeninstitutionen
Die Bildungsexpertin wies aber auch darauf hin, dass Schulen diese Anforderungen nicht automatisch erfüllen können. Sie brauchen dafür Netzwerke und Unterstützungsstrukturen. Als zentral für ein Gelingen von zukünftigen Schulreformen sieht sie die Etablierung einer „Brückeninstitution“, die zwischen Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Praxis vermittelt. Diese Institution sollte als Vermittler zwischen den „Bildungs-Stakeholdern“ fungieren, um alle Beteiligten im Bildungsprozess einzubinden.
Mehr dazu im Vortrag von Christiane Spiel:
Vernetztes Denken ist in Zukunft gefragt
Nach der Keynote diskutierten die Podiumsteilnehmer:innen, was die aufgeworfenen Themen für die Bildungslandschaft bedeuten.
„Schule ist viel mehr als reine Pädagogik. Sie ist Gesellschaft, Familie, Migration, und so weiter. Unsere Lehrerinnen und Lehrer sind da ganz nah dran, sie wissen am besten, was gut für die Schülerinnen und Schüler ist.“ Paul Kimberger
„In der Schule der Zukunft wird es weniger um Faktenwissen, sondern vielmehr um vernetztes Denken gehen“, stimmte Paul Kimberger, Landesobmann des CLV OÖ und Bundesvorsitzender der Lehrergewerkschaft APS, Christiane Spiels Vortrag zu und betonte, dass es die Lehrkräfte in den ersten Klassen Volksschule oft mit Entwicklungsunterschieden von mehreren Jahren bei den Kindern zu tun haben. „Wir bräuchten eine Doppelbesetzung der Lehrerinnen und Lehrer in den Volksschulen und eine viel stärkere Sprachförderung schon in den Jahren vor der Schule, sonst ist so etwas fast nicht mehr aufholbar“, führte Kimberger weiter aus.
Academia Superior-Obfrau und Bildungslandesrätin Mag. Christine Haberlander betonte, dass die große Bedeutung der Frühen Förderung unbestritten sei und es gerade in der Elementarpädagogik hohe Qualität brauche. Die Benachteiligungen bei den Kindern müssten ausgeglichen werden, bevor sie in die Schule kommen. Einfach nur den Ausbau der Kinderbetreuung zu fordern, sei aber zu wenig: „Wir müssen beim Ausbau der Kleinkindbetreuung darauf achten, dass das nicht nur Betreuung ist, sondern auch pädagogisch qualitative Betreuung“. Das Land OÖ arbeitet aktuell an der Umsetzung: „Wir haben derzeit 11.000 Mitarbeiter:innen in diesem Bereich. Für einen Vollausbau brauchen wir nochmal 5.000 zusätzlich. Und diese müssen auch ausgebildet werden,“ klärte Haberlander über große Herausforderungen auf.
„Wir brauchen mehr Wertschätzung für die Arbeit mit Kindern und auch alten Menschen. Dann kommen auch wieder mehr junge Leute in diese Berufe.“ – Christine Haberlander
Man müsse die Schüler:innen weniger als Zielgruppe sehen, sondern Schule aus deren Perspektive heraus gestalten, meinte Christiane Spiel. „Die größte Stärke ist die Diversität“, plädiert Spiel auch für eine stärkere Förderung der individuellen Interessen und Talente. Dem pflichtet auch Markus Hengstschläger bei: „Je größer das Spektrum an Möglichkeiten in einer Schule ist, desto besser können sich Talente auch entfalten. Jedes Kind hat das Recht darauf, dass sich die Gesellschaft auf die Suche nach seinen Talenten macht,“ ist der Genetiker überzeugt. Der wissenschaftliche Leiter der Academia Superior wünschte sich eine „recherchierende Gesellschaft“, und, dass Schüler:innen noch stärker vermittelt bekommen, wie man Fakten aus der digitalen Informationsfülle herausfiltern kann.
„Es darf nicht sein, dass die Chancen eines Kindes von der Unterstützung der Eltern abhängen.“ – Markus Hengstschläger
Christine Haberlander legte Wert darauf, dass von den Schulen nicht erwartet wird, dass sie jede gesellschaftliche Herausforderung lösen müssen: „Es muss nicht alles den Schulen aufgehalst werden. Die Politik hat da in den letzten Jahren zu selten Nein gesagt“. Es sei vor allem auch die Heterogenität in der Bildung, die eine große Herausforderung für die Politik darstellt. Unterschiedliche Regionen, soziale und kulturelle Herkünfte, Anforderungen etc. müssen beachtet werden. Umso wichtiger sei der regelmäßige Austausch mit allen Beteiligten. Die Academia Superior ist dafür ein idealer Ort.
Die nächsten Termine
Der dritte Teil der Veranstaltungsreihe Bildung.Werte.Zukunft findet am 03. Oktober im Stadtsaal Ried, mit einer Keynote der ehemaligen Leiterin der Gemeinschaftsschule Campus Rütli in Berlin Neukölln Cordula Heckmann, statt. Unter ihrer Leitung hat sich der Campus Rütli von einem sozialen Brennpunkt, zu einer internationalen Vorzeigeeinrichtung entwickelt.
Am Podium diskutieren: LH-Stv. Mag. Christine Haberlander (Obfrau Academia Superior, Bildungslandesrätin OÖ), Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger (Wissenschaftlicher Leiter Academia Superior, Humangenetiker), Cordula Heckmann (Leiterin der Gemeinschaftsschule Campus Rütli in Berlin Neukölln) und DI Klaus Pöttinger (Unternehmer, Eigentümer Pöttinger Landtechnik und Geschäftsführer Pöttinger Entsorgungstechnik) unter der Moderation von Mag. Thomas Winkler (OÖ BezirksRundschau).
Anmeldung unter www.academia-superior.at/veranstaltungen