John L. Casti war Mitbegründer des ersten X‑Centers in Wien, dem mittlerweile eine Reihe weiterer X‑Centers, etwa in Helsinki, Tokyo, Seoul und New York, folgten. Die X‑Centers beschäftigen sich mit der Frage, wie mittels mathematischer Modelle Krisen vorhergesagt werden können. 2012 erschien sein Buch „X‑Events — The Collapse of Everything”, das sich der Erforschung unvorhergesehener Ereignisse widmet. John L. Casti war einer der Experten bei unserem SURPRISE FACTORS SYMPOSIUM 2014 in Gmunden.
Nur Gesellschaften, die Vertrauen in ihre Institutionen haben, sind resilient
X‑Events sind Ereignisse die relativ selten sind, überraschend kommen und eine große Wirkung entfalten. Sie können gleichzeitig negative und positive Folgen haben — wirken jedoch immer destruktiv auf den Status Quo und somit konstruktiv für einen Wandel. Sie sind daher nötig für den menschlichen Fortschritt, da sie den Weg frei machen für Neues. Wir stehen erst am Anfang der Beschäftigung mit diesen Events und es ist noch nicht gänzlich ausdiskutiert, wie man sie überhaupt definieren soll.
Die Vorhersage eines X‑Events ist derzeit noch unmöglich, da die hierfür nötige Big Data noch nicht ausreichend vorhanden ist. Eine Analyse großer Datenmengen könnte unser Verständnis von X‑Events jedoch entscheidend vorantreiben. Prognosen gestalten sich deshalb so schwierig, da der gesamte Kontext, in dem derartige X‑Events ablaufen, ständig in Bewegung ist. Scheinbar zufällige Entwicklungen können zum Auslöser für eine Spirale von Ereignissen werden, die in ihrer Gesamtheit zu einem unvorhergesehenen X‑Event werden.
Was tun, wenn ein X‑Event einsetzt?
- Überlebe den Schock des Ereignisses. Das heißt, eine Gesellschaft muss ausreichend vorbereitet sein um auch unvorhergesehene Katastrophen überleben zu können.
- Sich anpassen an die neue Situation. Man muss in der Lage sein, die neue Umgebung analysieren zu können — vorhandene Ressourcen, Nischen und Grenzen identifizieren.
- Risiken eingehen und in die neuen Nischen springen. Denn ohne Risiko wird es auch keine Belohnung geben.
Was macht eine Gesellschaft resilient?
- Vertrauen der Bevölkerung in ihre Institutionen und Organisationen ist der zentrale Punkt. Um dieses Vertrauen herzustellen, benötigt es eine Transparenz aller politischen Prozesse. Erst dieses Vertrauen macht die nötigen einschneidenden Entscheidungen allgemein akzeptiert und somit möglich.
- Gemeinsame Werte in der Gesellschaft. Diese sind die Basis für politische Entscheidungen.
- „Big is bad”. Eine Gesellschaft muss groß genug sein, um attraktive Angebote bieten zu können — sie muss jedoch auch klein genug sein, um nicht zu komplex zu werden.
Zitate:
- „Man kann diese Ereignisse nicht vorhersagen, weil sie in einem sich ständig ändernden Kontext existieren.”
- „X‑Events sind selten, überraschend und sie haben eine enorme Wirkung.”
- „Big is bad. Versucht nicht zu groß zum Scheitern zu sein.”
- „Geteilte Werte, nicht zu groß sein und entwickeln einer Infrastruktur des Vertrauens — das hilft um ein X‑Event zu überleben.”
- „Kein Risiko bedeutet auch: keine Belohnung.”
Anknüpfungspunkte für ACADEMIA SUPERIOR
Punkte für weitere Diskussionen
- Wie kann Vertrauen in die gesellschaftlichen Institutionen aufgebaut werden?
- Wie wird die Gesellschaft transparenter?
- Welche X‑Events könnten auf uns zukommen?
- Wie kann man einem X‑Event Positives abgewinnen?
Werkzeuge für die Weiterentwicklung
- Mehr Transparenz in Politik und Gesellschaft
- Soziale Infrastruktur des Vertrauens aufbauen
- X‑Event-Szenarios durchspielen
- Gemeinsame gesellschaftliche Werte identifizieren
Zur Person
John L. Casti ist US-amerikanischer Mathematiker und Systemtheoretiker. Senior Research Fellow am Stevens Institute of Technology in New York und war zuvor Professor für Operations Research und Systemtheorie am Institut für Ökonometrie und Systemtheorie an der TU-Wien.