Ich gehöre einer Generation an, in deren auf elektrischen Gitarren gespielten Hymnen viel von Freiheit die Rede war, am berühmtesten vielleicht die Zeile freedom’s just another word for nothing left to loose. Aber wer hätte nichts zu verlieren? Und: Was haben wir nicht bereits verloren? Die Luft. Die offenen Meere. Die Hoheit über das Glück, geboren zu sein.
Freiheit muss man verschwenden. Man muss auch das, was man nicht hat, verschwenden.
Wenn wir wenigstens die Liebe dem Reich der Freiheit zuordnen könnten! Wenn sie, noch nicht verraten und verkauft, wenigstens der stärkste Ausdruck unserer Liebe zur Freiheit wäre? Aber ist, was wir Freiheit (oder Liebe) nennen, nicht nur das Zeremoniell, mit dem wir uns für die Tatsache schadlos halten, nicht fliegen zu können? Wir versuchen es manchmal behelfsmäßig mit diversen Schwebezuständen, je nach Alter anders; was zu den üblichen Konfusionen, zu nicht immer ungefährlichen Selbstüberschätzungen führt. Wer will, wenn er schwebt, eine nüchterne Bilanz über seine Chancen haben, die Arme ausbreiten zu dürfen?
Schutz gegen die bleierne Welt der Unfreiheit, das ist es, was die, die singen, suchen. Und wir, die wir ihnen zuhören, auch.
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Wolf Wondratschek wurde 1943 geboren und wuchs in Karlsruhe auf. Der Schriftsteller studierte Literaturwissenschaft, Philosophie und Soziologie in Heidelberg, Göttingen und Frankfurt bei Hans Georg Gadamer und Theodor W. Adorno. Heute lebt er in Wien.
Noch vor seinem dreißigsten Lebensjahr veröffentlichte Wondratschek seine ersten beiden Bücher „Früher begann der Tag mit einer Schußwunde“ (1969) und „Ein Bauer zeugt mit einer Bäuerin einen Bauernjungen, der unbedingt Knecht werden will“ (1970). Marcel Reich-Ranicki war es, der auf Wondratscheks erstes Werk Lobeshymnen schrieb.
Zahlreiche Lyrik, Essays, Musiktexte, Kurzprosa, Erzählungen und Romane wurden vom gebürtigen deutschen Schriftsteller verfasst, seine Werke wurden in mehrere Sprachen übersetzt.
Bekannt sind vor allem auch seine Erzählung „Mara“ über das berühmteste und wohl auch teuerste von Antonio Stradivari gebaute Cello und der Gedichtzyklus „Das Mädchen und der Messerwerfer“, das 2014 als Ballett in der Bayerischen Staatsoper uraufgeführt wurde.
Wolf Wondratschek gilt als absoluter Freigeist, dessen gesellschaftskritische Haltung vor allem zu Beginn seiner literarischen Karriere charakteristisch war.
Der Schriftsteller erhielt bis heute drei wichtige Auszeichnungen: den Leonce-und-Lena-Preis (1968), den Hörspielpreis der Kriegsblinden (1970) und den Literaturpreis der Wilhelm und Christine Hirschmann-Stiftung (2012).