118 Handlungslinien und 416 konkrete Anregungen und Empfehlungen umfasst die „Wirtschaftspolitische Reformagenda für Oberösterreich”, die in den vergangenen eineinhalb Jahren von ACADEMIA SUPERIOR — Gesellschaft für Zukunftsforschung erarbeitet worden ist und gestern vor rund 550 Besucherinnen und Besuchern im Oberbank-Donau-Forum in Linz präsentiert wurde. „Oberösterreich muss jetzt und in Zukunft für die Wirtschaft ein attraktiver Standort sein, denn eine starke Wirtschaft sichert Beschäftigung, Wohlstand und Lebensqualität in unserem Land”, so umriss LAbg. Mag. Michael Strugl, Obmann von ACADEMIA SUPERIOR, die Motivation und Zielsetzung der Erarbeitung der nun vorliegenden wirtschaftspolitischen Reformagenda „Wissen.Wirtschaft.Wachstum”, die in Zusammenarbeit mit den wesentlichen Akteuren der oö. Wirtschaftspolitik erstellt worden ist. Aus der Arbeit mit mehr als 300 regionalen, nationalen und internationalen Expertinnen und Experten ist, so Strugl, jedenfalls deutlich geworden: „Um die Spitzenposition Oberösterreichs zu sichern, sind erhebliche Anstrengungen und mutige Maßnahmen mit Weitblick erforderlich. Die Welt und insbesondere die Wirtschaft verändern sich rasant. Wir sind keine ‚Insel der Seligen‘, daher müssen wir bereits heute die Weichen Richtung Zukunft stellen!”
Die Impulse und Anregungen für eine zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik in Oberösterreich wurden nicht nur unter Mitwirkung der 300 Experten, sondern auch im Rahmen der Erstellung von 14 Studien und Expertisen sowie von 19 Veranstaltungen mit insgesamt mehr als 3.000 Besucherinnen und Besuchern erarbeitet. „Wir haben bei den Anregungen und Empfehlungen genau geschaut, was im Kompetenzbereich des Landes realistisch und zeitnah umgesetzt werden kann. Im Themenfeld Energie sind langfristige Maßnahmen notwendig, weshalb wir hier bis zum Jahr 2050 gedacht haben” erläutert der ACADEMIA SUPERIOR Obmann.
Die Inhalte von „Wissen.Wirtschaft.Wachstum” umfassen vier thematische Zukunftssäulen: Die Unternehmen an sich, die Menschen und ihr Wissen, wichtige Zukunftsthemen und die Rahmenbedingungen am Standort. Aus diesen vier Bereichen wurden acht Schwerpunktthemen intensiver behandelt und jeweils Teilstrategien erstellt:
- Leitbetriebe und Headquarters
Der „Aktionsplan für Leitbetriebe & Headquarters in Oberösterreich” enthält 12 Punkte, um die Rahmenbedingungen für Leitbetriebe und Headquarters in Oberösterreich zu verbessern, Oberösterreich als Headquarter-Standort attraktiver zu machen und die oberösterreichischen Niederlassungen von multinationalen Konzernen im konzerninternen Standortwettbewerb bestmöglich zu unterstützen. - Unternehmensgründungen
In Oberösterreich werden jährlich ca. 5.000 Unternehmen neu gegründet, Damit liegen wir im Vergleich zu den anderen Bundesländern im Mittelfeld. Gerade im Bereich der wachstumsorientierten und innovativen Unternehmensgründungen müssen die Potenziale in Oberösterreich gezielt erschlossen werden, z.B. schon im Kindes- und Jugendalter zu Unternehmertum zu ermutigen und zu befähigen oder erfahrene Personen der Altersgruppe 40+ gezielt ansprechen. - Bildung und Humanressourcen
Derzeit sind in Oberösterreich rund 717.000 Menschen erwerbstätig, aufgrund des demografischen Wandels werden es 2030 voraussichtlich nur noch 676.000 sein. Daher sollen beispielsweise Migrantinnen und Migranten stärker als bisher ins Erwerbsleben integriert werden: Die Erwerbstätigenquote von Personen mit Migrationshintergrund im Jahr 2010 lag österreichweit bei 65%, jene der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund dagegen bei 73%. - Dienstleistungen
Ein großes Wachstumsfeld in Oberösterreich liegt im Bereich der wissensbasierten Dienstleistungen. Mehr als 11.000 Unternehmen mit 74.000 Beschäftigten sind bereits jetzt in diesem Segment aktiv, das entspricht 16% aller Beschäftigten in Oberösterreich. Mit einer „Oö. Dienstleistungsstrategie” wurde erstmals in Österreich eine umfassende Strategie zur Stärkung wissensintensiver Dienstleistungen erstellt. - Energiepolitische Perspektiven 2050
Eine verlässliche und umweltverträgliche Versorgung von Wirtschaft und Gesellschaft mit Energie ist eine der größten Herausforderungen für die kommenden Jahre. Die „Energiepolitische Perspektiven 2050” sollen einen Weg aufzeigen, um das Energiesystem mit dem Zeithorizont bis 2050 durch Steigerung der Energieeffizienz, Energieeinsparungen, Weiterentwicklung der Energieinfrastruktur, Innovationen in der Energie- und Umwelttechnik und durch stärkere Energieforschung zu transformieren. „Für eine langfristige Transformation unseres Energiesystems werden wir dabei eine neue Betrachtungsweise der Energiethematik benötigen, die nicht darauf fokussiert, woher wir mehr Energie bekommen können, sondern welche Energiedienstleistungen wir in Zukunft benötigen werden”, so Strugl. - Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT)
Nicht nur der IKT-Sektor selbst hat sich zu einem bedeutenden Unternehmenssektor in Oberösterreich entwickelt; die Nutzung von IKT trägt auch wesentlich zur Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Wirtschaft Oberösterreichs bei.
Auch gibt es im Bereich der IKT-Forschung Leuchttürme aus Oberösterreich wie etwa den Softwarepark Hagenberg. Gerade deshalb muss dieses Stärkefeld ausgebaut und nachhaltig abgesichert werden, u.a. durch eine stärkere Motivierung von Jugendlichen für ein Karriere im IKT-Bereich oder die laufende Anpassung der IKT-Infrastruktur an neue Anforderungen. - Gesundheitswirtschaft (Health & Ageing)
„Beim demografischen Wandel sollten wir nicht nur die Kostenfaktoren sehen, sondern auch die wirtschaftlichen Chancen und Wertschöpfungsfaktoren, machte Strugl deutlich. Allein in der unmittelbaren Gesundheitswirtschaft (ohne Krankenhäuser, Ärzte, Gesundheitstourismus etc.!) werden in Oberösterreich jährlich 2 Mrd. Euro erwirtschaftet. Der gesamte Gesundheitsmarkt in Österreich wird laut Experten bis 2020 auf 70 Mrd. Euro ansteigen — das bedeutet ein Plus von 121% gegenüber dem Jahr 2005. Im Wirtschaftsfeld „Health & Ageing” liegen enorme Potenziale (z.B. in den Bereichen Prävention, Gesundheitstourismus, e‑Health, Ambient Assisted Living etc.), die gezielt erschlossen werden sollten. - Internationale Ausrichtung des Standortes Oberösterreich
Für erfolgreiche Standorte ist es essentiell, stark international orientiert zu sein. Oberösterreich hat hier im Vergleich zu Metropolregionen zwar gewiss Nachteile, aber umso mehr müssen wir uns um ein internationales Profil und Attraktivität für Unternehmen und Fachkräfte bemühen.
Weitere Themen, die in „Wissen.Wirtschaft.Wachstum” angesprochen werden, umfassen etwa die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), Tourismus, soziale Innovationen, intelligente Produktion und ein leistungsstarkes Innovationssystem.
Stellvertretend für die zahlreichen Unternehmerinnen und Unternehmern, die bei der Erstellung der Reformagenda mitgewirkt haben, betonte Mag. Anette Klinger, Vorstandsmitglied der IFN-Holding, dass die Rahmenbedingungen ganz wesentlich für den Unternehmenserfolg seien. Daher müsse sich auch die Wirtschaft aktiv in Gestaltungs- und Denkprozesse wie die vorliegende Reformagenda einbringen. Josef Resch, Geschäftsführer von Resch & Frisch, sind besonders die Humanressourcen ein Anliegen: „Wir können es uns nicht leisten, die Leute von heute auf morgen in die Pension zu schicken. So wie man ins Erwerbsleben hineingleitet, sollte man auch wieder Schritt für Schritt hinausgleiten können.”
Im Rahmen einer Podiumsdiskussion kamen auch ausgewählte Kooperationspartner von ACADEMIA SUPERIOR zu Wort. IV-Präsident DI Klaus Pöttinger strich die Rolle der Leitbetriebe und Headquarters als Zugpferde für die Region hervor: „Die Großen sind die Supertanker, die viele kleine und mittlere Unternehmen mitziehen und Wertschöpfungsketten gestalten”. Und gerade für produzierende Unternehmen werde das Thema Energie immer wichtiger.
Der Präsident der Wirtschaftskammer Oberösterreich, Dr. Rudolf Trauner, betonte die Bedeutung von Unternehmensgründungen für einen Standort. „In Oberösterreich werden etwa 5.000 Neugründungen pro Jahr getätigt. Besonders erfreulich ist, dass diese Zahl auch während der Krise ziemlich stabil geblieben ist.” Verstärktes Augenmerk müsse auf die Informations- und Kommunikationstechnologien gelegt werden: „Wichtig sind Unternehmensgründungen in diesem Bereich und insbesondere dass wir genügend Fachkräfte im IKT-Segment ausbilden können. Dazu wird der IT-Cluster, der sich in Gründung befindet, auch einen wichtigen Beitrag leisten.”
Mag. Markus Raml, Landesvorsitzender der Jungen Wirtschaft OÖ, verwies auf die im Rahmen der wirtschaftspolitischen Reformagenda erstellten „Oö. Dienstleistungsstrategie”: Die wissensintensiven Dienstleistungsbetriebe und die hybride Wertschöpfung, also die Kombination von Produkt und Service, insbesondere von Industriebetrieben, würden großes Potential bergen.
Wirtschaftslandesrat Viktor Sigl betonte die Bedeutung der Internationalisierung für den Standort Oberösterreich: Die Oö. Technologie- und Marketinggesellschaft habe gerade einen Prozess des Place-Brandings gestartet. Im Bereich der Arbeitsmarktpolitik sei ebenfalls eine Initiative begonnen worden, da die Herausforderungen im Bereich Bildung und Beschäftigung nicht von einzelnen Betrieben allein bewältigt werden können. „Auch im Gesundheitsmarkt liegen große Chancen für die oberösterreichischen Unternehmen. Dieser Markt wird international stark wachsen, weshalb wir vor allem den Mittelstand bei der Erschließung neuer Märkte begleiten müssen.”
Abschließend betonte Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer: „Die Zukunft wird jenen gehören, die am schnellsten neue Entwicklungen aufspüren und darauf reagieren”. „Wissen.Wirtschaft.Wachstum” ist einmalig in Österreich, kein anderes Bundesland habe eine Agenda, die auf Expertenebene erstellt wurde und einen so breiten Blickwinkel aufweist. Große Herausforderungen muss sich Oberösterreich im Bereich der Humanressourcen stellen: „Der drohende Facharbeitermangel ist die größte Gefahr für den Wirtschaftsstandort. Wir können es uns beispielsweise schlichtweg nicht leisten, dass 10% eines Jahrgangs nur über einen Pflichtschulabschluss oder weniger verfügen”, so Pühringer.
„Die wirtschaftspolitische Reformagenda wird nicht ins Bücherregal gestellt — dafür ist sie viel zu wertvoll für unser Land. Sie wird zur Pflichtlektüre für alle Politikerinnen und Politiker, die an das Morgen denken. Wo Oberösterreich drauf steht, ist Zukunft drin — das muss unser Leitmotiv sein” stellte der Landeshauptmann klar.
Die wirtschaftspolitische Reformagenda steht rechts zum Download bereit. Gerne senden wir Ihnen die gedruckte Version kostenlos zu.