Wie agiert man unternehmerisch in einer Welt, in der Wachstum nicht mehr selbstverständlich ist? Was brauchen Unternehmerinnen und Unternehmer, um in dieser Zukunft erfolgreich sein zu können? Und warum brauchen wir unternehmerische Persönlichkeiten in Zukunft noch mehr als bisher?
Über diese Fragen wurde am 4. Mai im WIFI-Linz diskutiert. Als Impulsgeber für neue Denkanstöße hat ACADEMIA SUPERIOR Obmann Michael Strugl den deutschen Sozialwissenschaftler und Vorstandsvorsitzenden des „Denkwerks Zukunft – Stiftung kulturelle Erneuerung“ Prof Dr. Meinhard Miegel nach Linz eingeladen. In seiner Begrüßung erklärte Michael Strugl, warum diese Thematik für Oberösterreich von Bedeutung ist: Zwar wurden in Oberösterreich im Jahr 2014 mehr als 5.600 Unternehmen neu gegründet, aber das Land liegt mit dieser Zahl „nur” im österreichischen Mittelfeld. „Nur wenn der Wirtschaftsstandort Oberösterreich ein attraktiveres Umfeld für gründungsbereite Unternehmerinnen und Unternehmer bietet, können wir auch zu den Besten in Europa aufschließen.”
In einem kurzen Eröffnungstalk beleuchteten Dr. Rudolf Trauner, Präsident der WKOÖ, und Dr. Peter Neumann, Vizepräsident der IVOÖ, weitere Aspekte der Problematik. „Der Sozialneid nimmt erschreckende Formen an. Heute wird jemandem, der viel leistet und damit zu Wohlstand kommt, sofort unterstellt, er würde unlautere Methoden verwenden”, erklärte Dr. Trauner. In der staatlichen Überregulierung sah hingegen Dr. Neumann ein Problem, das Unternehmer gleich wie Arbeiter trifft: „Selbst wenn sie wollten, dürften Mitarbeiter laut der derzeitigen Arbeitszeitregelung nach einem neun Stunden Arbeitstag in Wien nicht mehr nach Linz zu ihren Familien fahren” und fügte noch hinzu, „mit der unflexiblen Arbeitszeitregelung und europaweit höchsten Steuern- und Abgabenquote hat Österreich seinen Vorsprung gegenüber anderen europäischen Industrieregionen mittlerweile eingebüßt.”
Not macht unternehmerisch
Danach zeigte Meinhard Miegel in seiner Keynote anhand historischer Vergleiche auf, dass Unternehmergeist – und damit Veränderung und Innovation – immer dann am stärksten zu finden war, wenn eine Notwendigkeit für die Menschen bestand, aktiv zu werden, nach dem Motto: Not macht erfinderisch — Not macht unternehmerisch. „Unternehmerisch zu agieren, bedeutet gegen den Strom zu schwimmen und das ist mit Aufwand verbunden. Menschen, die mit dem Status Quo zufrieden sind, spüren keine Notwendigkeit etwas zu verändern. Erst ein gewisser Leidensdruck schürt das Verlangen, aktiv zu werden um die Situation zu verbessern“, erklärte Miegel. Gerade weil Unternehmerinnen und Unternehmer ständig gegen den Strom schwimmen müssen, um etwas zu verändern, haben sie selbst aber auch ständig das Gefühl, bedrängt zu sein. Denn wer gegen eingefahrene Muster vorgeht und Neues schafft, wird zunächst meist als Störerin oder Störer wahrgenommen und Ablehnung erfahren.
Die unternehmerische Gesellschaft — ein junges Phänomen
Meinhard Miegel verwies darauf, dass historische Zeiten ohne Unternehmerinnen und Unternehmer stets Zeiten der Stagnation waren und dass gerade auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zentral für die Entwicklung von Unternehmergeist waren: Trotz schwieriger Lebensumstände konnte sich etwa im europäischen Mittelalter kaum Unternehmergeist entwickeln, da rigide gesellschaftliche Normen und Werte das persönliche Engagement und den Ehrgeiz einengten. Dementsprechend gering war das Wirtschaftswachstum in jener Zeit: es brauchte 1000 Jahre, um die Wirtschaftsleistung pro Kopf zu verdoppeln.
Zahlreiche gesellschaftliche Veränderungen – allen voran der Trend der Säkularisierung seit der Aufklärung – führten dazu, dass sich dies, etwa ab dem Jahr 1800, veränderte. Neue Werte und die Reduzierung der gesellschaftlichen Hemmnisse und Schranken in allen Bereichen, entfachten einen Unternehmergeist in den europäischen Gesellschaften, der für die Mehrzahl der rasanten positiven Entwicklungen der letzten 250 Jahre verantwortlich ist. Allein in den 50 Jahren ab 1900 und verdoppelte sich die Wirtschaftsleistung pro Kopf in Mitteleuropa. Und in den darauf folgenden 50 Jahren verfünffachte sich dieser Wert noch einmal. Daran zeigt sich eindrucksvoll: Wer gesellschaftlichen Unternehmergeist fördert, fördert den Fortschritt.
Das Ende des Wachstums
Diese gewaltige Entwicklung in einem relativ kurzen Abschnitt der Menschheitsgeschichte hat jedoch auch eine Kehrseite: Sie basierte vor allem auf der umfassenden Nutzung der Ressourcen Europas und des gesamten Planeten. Und diese kommen, wie Dr. Miegel betonte, scheinbar nun an ihre Grenzen: „Entwickelte Länder verbrauchen heute schon mehr Ressourcen als sie haben, so benötigen die USA etwa 4,2 Globen, um ihren Verbrauch zu befriedigen. Das Wirtschaftswachstum, so wie wir es heute kennen, auf ewig fortzuführen, ist unmöglich, der absolute Ressourcenverbrauch muss langfristig verringert werden“. Dementsprechend, so die Argumentation, sehen wir uns derzeit mit einem stetigen Rückgang des Wachstums in allen Bereichen konfrontiert.
Effizienz- und Suffizienz-Revolution nötig
Was wir in Zukunft brauchen, ist nicht einfach nur mehr Wirtschaftswachstum, wir brauchen vor allem mehr Effizienz in allen Bereichen, um möglichst viel aus unseren natürlichen Ressourcen herausholen zu können ohne dabei die Lebensgrundlage ungeborener Generationen zu gefährden. Die Rolle der Unternehmerinnen und Unternehmer in diesem Prozess ist für Miegel zentral: „Unternehmer sind dazu berufen, um die Ansprüche der Menschen mit den realen Möglichkeiten in Einklang zu bringen“. Ohne Unternehmerinnen und Unternehmer, die neue Lösungen für diese Probleme entwickeln, werden wir als Gesellschaft rapide verarmen und langfristig scheitern.
Wenn wir aber mehr gesellschaftlichen Unternehmergeist für diese Herausforderungen benötigen (eine Thematik auf die ACADEMIA SUPERIOR seit langem hinweist), dann muss mehr über die „geistige Haltung die in einem Land nötig ist, um Ideen und Gründungen zu stimulieren, geredet werden“, wie Obmann Michael Strugl, in der auf den Vortrag von Dr. Miegel folgenden Podiumsdiskussion, betonte. Strugl stimmte mit Miegel darüber ein, dass wir eine neue Art des Wachstums brauchen: „Es geht nicht mehr simpel um ‚mehr‘, sondern um ‚besser‘. Wir brauchen qualitative Wachstumsstrategien“. Gleichzeitig müssen jedoch wirtschaftliche Notwendigkeiten mitbedacht werden. Denn, wie Ing. Karl Kletzmair, Co-Gründer der KEBA AG, betonte: „Wir sind als Unternehmen zur Expansion verdammt“.
Die Gesellschaft – ein Innovationshemmer?
Gesetzliche Regelungen und gesellschaftliche Normen sollten unternehmerisch engagierten Personen nicht von Vorneherein die Lust an der Umsetzung ihrer Ideen austreiben. Darin waren sich vor allem DI Dieter Grebner, Geschäftsführer von Peak Technology, und Jane-Beryl Simmer, MBA, Geschäftsführerin von SIGHA, einig. Sie betonten, dass es wieder mehr Möglichkeiten zur Flexibilität in der Unternehmensführung bräuchte (Stichwort Arbeitszeiten) und die Gesellschaft zu viele ihrer potenziell engagierten Personen vom Entwickeln eines Unternehmergeistes abhalte: Hier gilt es, vor allem auf die frühesten Ebenen zu achten und bereits in den Kindergärten den Kindern die Freude am Engagement und an Innovationen zu vermitteln. Durch bessere Betreuungsinfrastrukturen könnte man auch unternehmerischen Eltern die zeitlichen Möglichkeiten zur Umsetzung ihrer Ideen geben.
Wir brauchen eine Entwicklung, weg von der Neidgesellschaft und hin zur Leistungsgesellschaft. Michael Strugl brachte dies auf den Punkt: „Die Neidgesellschaft fragt nur danach: ‚Warum hat der das und ich nicht?‘ Während die Leistungsgesellschaft danach fragt: ‚Wie kann ich das auch kriegen?‘“