Wir sind uns einig: Freiheit ist von grundlegender Bedeutung. Ohne Freiheit sterben wir. Sie ist wie Sauerstoff, wie Wasser; sie ist der Funke der Existenz, die wesentliche Kraft des Lebens. Ohne sie können wir nicht denken oder sprechen, reisen, lernen, wachsen oder lieben. Mit ihr können wir aufrecht stehen, erkunden, uns selbst finden und ganz Mensch werden. Freiheit ist also … alles.
Aber was ist Freiheit? Meinen wir innere Freiheit oder äußere Freiheit? Freiheit von oder Freiheit zu? Ist Freiheit persönlich oder politisch? Verlangt Freiheit von uns zu handeln, um sie zu bewahren? Oder sind wir frei zuzusehen, während sich eine Krise entfaltet, auch wenn sie die Freiheit von anderen bedroht – oder vielleicht sogar die Freiheit selbst? Nennen wir es immer noch Freiheit, wenn wir Entscheidungen treffen dürfen – und diese Entscheidungen später zu Abhängigkeiten führen, die uns unsere Freiheit rauben?
Was passiert, wenn ein Akt im Namen der Freiheit – einen Tyrannen zu stürzen und ein Volk dieser Nation zu befreien – sich später zu einem Akt entwickelt, der anderen Menschen ihre Freiheit nimmt – die Überflutung eines kleinen Dorfes mit einer überwältigenden Anzahl an freiheitssuchenden Flüchtlingen?
Kann die Freiheit der einen zur Tyrannei für andere werden?
Ist es Freiheit, wenn ein Anführer auf der Weltbühne erscheint, um seine Nation zur eigenen Befreiung zu geleiten, und dann dafür plädiert, den Frauen das Recht auf Fortpflanzung zu nehmen und den lesbischen und schwulen Bürgerinnen und Bürgern die politischen Freiheiten seiner befreiten Nation zu entziehen?
Gibt es Freiheiten, die das Potenzial haben, sich selbst zu zerstören, wenn ihnen kein Einhalt geboten wird und sie ohne Einschränkung wachsen dürfen? Ist es das, was wir gerade mit dem Kapitalismus des freien Marktes erleben? Könnte man die Freiheit, den Planeten zu verschmutzen und massiven Klimawandel zu verursachen, gleichsetzen mit der Freiheit, den Planeten zu zerstören?
Beinhaltet Freiheit beides, Rechte und Pflichten? Kann man das eine ohne das andere haben? Wir bestehen auf unsere Freiheit – aber verlangen wir auch, verantwortlich gemacht zu werden? Wie steht es um die Freiheit des Künstlers zu schreiben, zu komponieren, zeichnen, malen, formen, was er oder sie fühlt? Ist das Freiheit? Oder bedeutet die Tyrannei des kommerziellen Marktes, dass sogar Kunst auf den monetären Meister hören muss?
Ist Freiheit – poetisch ausgedrückt – das Recht der Seele zu atmen? Ist das genug? Ist das alles? Freiheit ist also … kompliziert. Oder?
Auf den Bleistiften der ACADEMIA SUPERIOR ist der Satz aufgedruckt: „Zukunft beginnt mit unseren Gedanken.“ Wir kommen nach Gmunden, um über die Zukunft nachzudenken, um anders zu denken, um zuzuhören und zu lernen, offen für neue Gedanken zu sein – unsere alten Annahmen herauszufordern und neue Herangehensweisen für alte und schwierige Probleme zu generieren. Albert Einstein hat einmal gesagt, „Probleme kann man nicht mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind“.
Wir kämpfen damit, Freiheit zu verstehen. Wir kämpfen damit, uns mit den Herausforderungen von Menschen, die nicht frei sind, auseinanderzusetzen und den Herausforderungen der Menschen, die trotz Schwierigkeiten frei bleiben wollen. Wir verstricken uns in den Komplikationen der Freiheit und nicht in ihrer Schlichtheit.
Was, wenn Freiheit einfach ist?
Was, wenn es nur der eine Satz ist: „Bei Freiheit geht es nicht um mich, sondern um dich.“ Denn letztlich kann es bei Freiheit nicht um „mich“ und „meine Freiheit“ gehen. Letztendlich muss es bei Freiheit um „dich“ und „deine Freiheit“ gehen. Die Flüchtlingskrise ist eine Herausforderung für die Freiheit der anderen, nicht meiner. Die Wirtschaftskrise von 2007–2008 war ein Misserfolg von „uns“ und ein Triumph des „Ich“.
Wir leben heute im Zeitalter der Disruption. Im Geschäftsleben sehen wir es in allen Bereichen; aber in der Politik, in der Wirtschaft und in sozialen Systemen suchen wir nicht danach. Doch sie ist da. Wenn wir uns die Frage der Freiheit bei Flüchtlingen oder der Freiheit bei Abhängigkeit ansehen, sehen wir den Zusammenbruch früherer Abkommen durch neue Herausforderungen. Dennoch benutzen wir die selbe Software aus der Vergangenheit, um neue Herausforderungen zu lösen.
Die Frage für ACADEMIA SUPERIOR ist, was sind die neuen Betriebssysteme, die neuen Hardware-Erfindungen, die neue Software und die neuen Apps, die mehr tun werden, als an kleinen Problemen zu basteln, die fundamental neue Antworten hervorbringen? Wir wissen, dass wir in einer Zeit großen Wandels leben; und wir wissen, dass Wandel große Chancen und große Gefahren darstellt. Wandel verlangt Veränderung. Wir sind in größter Gefahr, wenn wir denken, wir haben gewonnen, und aufhören, uns zu verändern. Selbst die Freiheit muss sich verändern, muss hinterfragt werden, muss sich anpassen. Freiheit kann man nicht in ein Museum stecken und dann dienstags bis sonntags dort besuchen.
Um uns durch diese Zeit der Veränderung zu lenken, brauchen wir einen Kompass, ein Werkzeug, das uns Orientierung gibt und in einer Zeit der Veränderung die Dinge identifiziert, die sich nicht ändern. Freiheit ist ein zentraler Wert. Sie mag sogar der zentrale Wert sein, der Nordstern unserer Reise in die Zukunft. Aber wir müssen auch mit anderen Himmelsrichtungen reisen: mit Respekt für andere, mit Augenmaß, mit einem großen Empfinden von Dankbarkeit und mit einer unermüdlichen Zielstrebigkeit.
Wir leben Freiheit, um Freiheit am Leben zu halten.
Wir wissen von den jährlichen Zusammenkünften der ACADEMIA SUPERIOR, dass es keine absoluten Antworten gibt. Aber wir wissen auch, dass es unsere immerwährende Aufgabe ist, weiter Fragen zu stellen, weiter die tiefe Neugierde zu ergründen, die uns antreibt, und weiter nach neuen Möglichkeiten zu suchen, die wir auf dem Weg nach vorne brauchen.