Der Patentschutz ist eine Voraussetzung für die intensive Kooperation zwischen Forschung und Herstellern, die ausschlaggebend für den bisherigen Impferfolg gegen SarsCov2 war.
Es gibt Wege, die Produktion und Verteilung des Coronaimpfstoffs zu beschleunigen. Die derzeit diskutierte Abschaffung des Patentschutzes zählt aber nicht dazu, im Gegenteil. Der Patentschutz ist sogar eine Voraussetzung für die intensive Kooperation zwischen Forschung und Herstellern, die ausschlaggebend für den Impferfolg war. In Rekordzeit konnte ein sicheres und wirksames Vakzin gegen Covid-19 entwickelt werden und dieses für die Bevölkerung zugänglich gemacht werden.
Auch für die Weiterentwicklung des Impfstoffs ist der Patentschutz unerlässlich. Er stellt nämlich einen wesentlichen Anreiz für Unternehmen dar, in Forschung zu investieren.
Riskante Investitionen
Die Entwicklung eines Impfstoffs ist extrem zeit- und kostenintensiv. Von der Erforschung bis zur Marktzulassung braucht es im Durchschnitt bis zu 15 Jahre und hunderte Millionen Euro. Darüber hinaus ist die Impfstoffentwicklung mit einem erheblichen unternehmerischen Risiko verbunden, wie auch die Erfahrungen mit Covid-19 vor Augen führen: Ob und wann ein Impfstoffkandidat auf dem Markt zugelassen wird, hängt von vielen Faktoren ab und kann nie mit Sicherheit im Voraus beantwortet werden.
Pharmaunternehmen müssen oft viele Rückschläge in Kauf nehmen und zig Millionen Euro manchmal auch umsonst investieren, bis sie ein sicheres, wirksames und qualitativ hochwertiges Vakzin entwickelt haben und dafür auch Geld bekommen. Der Patentschutz soll dieses Risiko ein wenig abfedern. Dieser garantiert dem Patentinhaber ein zeitlich befristetes Nutzungsrecht und untersagt dem Mitbewerb für einen gewissen Zeitraum, das geschützte Produkt herzustellen oder anzubieten.
Schutz innovativer Ideen
Patente sind zudem eine Voraussetzung für den Technologietransfer. Nur, wenn Forschungseinrichtungen und Unternehmen sichergehen können, dass ihre Ideen und Technologien vor Nachahmer*innen geschützt sind, werden sie sich auf Kooperationen einlassen und ihr Know-how teilen.
Covid-19 hat eine bislang noch nie dagewesene Kooperation unter Impfstoffentwicklern und ‑herstellern in Industrie- und Entwicklungsländern angestoßen. Sämtliche qualifizierten Erzeuger sind in die Fabrikation eingebunden, bislang gibt es mehr als 200 Vereinbarungen über Technologietransfers. Konkurrent*innen schließen sich im Kampf gegen das Virus zusammen, Produktionskapazitäten werden hinaufgefahren und ausgebaut, um die Milliarden an benötigten Impfstoffdosen möglichst rasch bereitzustellen.
Nicht jede Fabrik ist geeignet
Bei aller Dringlichkeit dürfen allerdings die Qualitätsanforderungen an einen Impfstoff nicht auf der Strecke bleiben. Neben der Erforschung ist auch die Produktion sehr komplex und erfordert modernste Anlagen, spezifisches Know-how und hoch qualifiziertes Personal.
Eine Aufhebung des Patentschutzes würde vor allem nicht qualifizierten Herstellern in die Hände spielen, die – aus guten Gründen – nicht in die Zusammenarbeit eingebunden sind. Diese dürften die Impfstoffe dann theoretisch ohne Lizenzgebühr herstellen, sie würden jedoch weder das erforderliche Know-how noch eine Ausbildung des Personals erhalten, wie es in den Technologietransfers vorgesehen ist.
Die Aussetzung von Patenten bringt somit weder mehr noch schneller verfügbaren Impfstoff. Stattdessen erhöht sie die Gefahr von gepanschten Vakzinen und sendet ein Signal der Geringschätzung an die Forschung. Das wird die Weiterentwicklung des Impfstoffs bremsen und längerfristig zu weniger Forschungstätigkeit führen.
Ressourcenmangel, Lieferprobleme und Handelsbarrieren
Um die Impfstoffproduktion und ‑verteilung anzukurbeln, muss man daher woanders ansetzen. Die wahren Herausforderungen sind der Rohstoffmangel in Kombination mit komplexen Lieferketten sowie politisch motivierte Handelsbeschränkungen. Ein Covid-19-Impfstoff setzt sich aus mehr als 200 Komponenten zusammen, die von etlichen Unternehmen aus mehreren Ländern zugeliefert werden. Angesichts des enormen zeitgleichen Bedarfs entstehen Engpässe bei den Rohstoffen sowie Flaschenhälse in den Lieferketten. Handelsbeschränkungen und Exportverbote erschweren die Verteilung zusätzlich und müssen beseitigt werden. Gleichzeitig gilt es, die UN-Initiative Covax für einen weltweit gleichen und gerechten Zugang zu Covid-19-Impfstoffen zu stärken. Wie in der Pandemie immer wieder betont wird: Wir sind erst sicher, wenn wir alle sicher sind.
Infos zum Autor:
Dr. Katharina Hauer ist Sanofi Genzyme Medical Head & Country Medical Chair Österreich sowie acting Country Safety Head Austria bei der Sanofi-Aventis GmbH. Sie hat einen Doktortitel in Pharmazie und verfügt über umfangreiche medizinische Erfahrung in der Pharmazeutischen Industrie, in die sie 2005 einstieg. Sie kam 2015 als Medical Manager für Multiple Sklerose zu Sanofi Genzyme, wurde im März 2016 zum Country Medical Head Sanofi Genzyme in Österreich befördert und im September 2019 zum Country Medical Chair.