Immer wieder wird besonders jungen Menschen ihr gesellschaftliches Engagement abgesprochen. Bei einem Workshop der ACADEMIA SUPERIOR erarbeiteten Jugendliche gemeinsam mit Diskussionsgästen, was es lohnend und schwierig macht, sich in gesellschaftspolitische Prozesse einzubringen und was es eigentlich bedeutet, sich zu engagieren.
Die Vorgeschichte
Unter dem Projekttitel „HENRI. DAS EXPERIMENT” haben sich Jugendliche im Alter zwischen 8 und 18 Jahren fünf Monate lang intensiv mit einem von vier vorgegebenen Themen befasst: Vertrauen, Humanität, soziale Innovation und Resilienz. Die Aufgabenstellung dieses Experiments bestand darin, das Thema bei „U19 Create Your World” im Rahmen des Ars Electronic Festivals im September 2014 zu inszenieren. Dabei sind vielfältige Projekte entstanden: ein Tunnel, in dem man selbst graben und sich dabei Geschichten aus dem Bosnienkrieg anhören konnte; ein Spiegellabyrinth, das zum Thema Armut aufrüttelte; ein humanitäres Kochbuch; verschiedene Umfragen zum Thema Vertrauen, die mit und ohne Rotkreuz-Uniform durchgeführt wurden; ein Videoprojekt zur Resilienz.
Überraschende Erkenntnisse und Botschaften aus dem Projekt
Im Rahmen des YOUNG ACADEMIA WORKSHOPS zwei Wochen nach diesem Projekt waren die mitwirkenden jungen Projektteilnehmerinnen und ‑teilnehmer aus Lambach-Stadl Paura, Leonding, Linz, Attnang Puchheim und Mettmach eingeladen, ihre Projektergebnisse zu reflektieren und der allgemeinen Frage gesellschaftlichen Engagements nachzuspüren.
„Am meisten hat uns überrascht, wie sehr uns die Menschen vertrauten” stellten die Jugendlichen fest, was sie einerseits freute, andererseits aber auch nachdenklich stimmte. Denn Vertrauen ist grunsätzlich gut, aber allzu unreflektiert kann es auch gefährlich sein. Auch umgekehrt gilt: wem Vertrauen geschenkt wird, der hat auch Verantwortung und damit muss man sorgsam umgehen, so die Jugendlichen.
„Wem Vertrauen entgegengebracht wird, der trägt Verantwortung. Das sollte auch unseren Politikerinnen und Politikern stets bewusst sein!”
„Traut euch mehr”, „informiert euch” und „gebt nie auf” sind weitere Botschaften der jungen Engagierten an die eigene Generation, die erlebt haben wie sie selbst und als Gruppe an den Herausforderungen des Projektes gewachsen sind und wie sie andere für ihre Themen begeistern konnten.
Andererseits fordern die jungen Menschen von Entscheidungsträgerinnen und ‑trägern auch ein, dass ihnen mehr zugetraut wird, dass sie entsprechende Information erhalten und dass sie selbst ernst genommen, gefordert und gefördert werden.
Warum engagieren?
Bei einer anschließenden Diskussion ging es um Fragen des Engagements: Was versteht man darunter, was bewirkt man damit, was macht es möglich, was macht es schwierig? Als Diskussionspartner standen den Jugendlichen und dem Moderator Clemens Kaltenberger der Meinungsforscher DDr. Paul Eiselsberger, der Theologe und ehem. Politiker DDr. Severin Renoldner, der Geschäftsleiter des Oberösterreichischen Roten Kreuzes Mag. Erich Haneschläger sowie die Geschäftsführerin der ACADEMIA SUPERIOR Dr. Claudia Schwarz Rede und Antwort.
„Generell ist jeder Mensch engagiert — nur in unterschiedlichen Bereichen. Die eine im Beruf, der andere in der Familie. Die Frage ist: Wo gehe ich die fünf Meter weiter als die Mehrheit?” – Paul Eiselsberg
Der Meinungsforscher Paul Eiselsberg, Autor der oö. Jugendstudie und zahlreicher Studien zum Thema Ehrenamt weiß aus seinen Umfragen, dass viele Menschen das Ehrenamt als Sinnquelle für ihr Leben sehen. Die Motivation junger Menschen, sich zu engagieren, erwächst zunächst oft aus sozialen Aspekten: Man will zu einer Gemeinschaft gehören, neue Freunde gewinnen. Ganz wichtig ist engagierten Menschen aber auch die persönliche Weiterentwicklung sowie Fortbildungsmöglichkeiten.
„Engagiertes Leben ist, wenn man offen ist für anderes, das verändert auch etwas in uns selbst.” – Severin Renoldner
Dass Engagement nicht nur Vorteile hat, hat Severin Renoldner selbst oftmals erlebt. Gegner und Neider gehören dazu. „Aber das Leben ist einfach auch lustiger und weniger langweilig mit Freude am Engagement”, so der Bereichsleiter für Erwachsenenbildung der Diözese Linz, der ein engagiertes Leben dadurch definiert, dass man offen ist für anderes und Konflikte nicht scheut.
„Junge Menschen haben durch Projekte die Möglichkeit, die Auswirkung ihres Engagement unmittelbar zu erleben.” – Erich Haneschläger
Die Veränderungen im Engagement freiwilliger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennt der Rotkreuz-Geschäftsleiter Erich Haneschläger nur zu gut: „Die Planbarkeit, zum Beispiel im Rettungsdienst, wird immer schwieriger.” Projekte mit jungen Menschen für ihn sehr wichtig. Junge Menschen sollen durch Projekte wie dieses die Möglichkeit haben, Engagement selbst zu erleben und im eigenen Umfeld zu spüren. Sie sollen die Erfahrung machen, dass ihre Meinungen ernst genommen werden.
„Die Gestaltung der Zukunft ist ein gemeinschaftlicher Prozess, dafür brauchen wir alle Altersgruppen.” – Claudia Schwarz
Claudia Schwarz, die Geschäftsführerin der ACADEMIA SUPERIOR betonte, dass Zukunft ein gemeinschaftlicher Prozess, für alle Schichten und alle Generationen ist. Deshalb muss man gerade auch Jugendliche ernst nehmen und ihnen Gelegenheiten geben, sich aktiv einzubringen, denn: „Wir brauchen Engagement von allen Altersgruppen im Hinblick auf den demographischen Wandel.”
Jugendliche fordern Wertschätzung
Und was wünschen sich die Jugendlichen? In erster Linie Anerkennung für ihr Engagement und zwar in Form von echter Wertschätzung. Sie wollen gefordert und gefördert werden; und sie schenken gern ihr Interesse, wenn man es nur weckt — und zwar je vielfältiger umso besser. Denn sie möchten sich aktiv und positiv in der Gesellschaft einbringen und sich dabei auch gebraucht und ernst genommen fühlen. Sie suchen nach Weiterentwicklungsmöglichkeiten, denn sie wollen etwas bewirken und gemeinsame Ziele verfolgen. Dafür sind sie auch bereit, Zeit und Energie zu investieren. Sie sind es, die ihr eigenes Engagement und das der anderen an ihrem Tun messen und nicht am Reden darüber. Und das wollen sie auch vorgelebt bekommen.