Allein in Oberösterreich sind über 11.000 Betriebe mit 74.000 Beschäftigten und Betriebserlösen von insgesamt € 10,7 Mrd. unmittelbar dem Segment wissensintensiver Dienstleistungsunternehmen zuzuordnen. Ferner lässt sich beobachten, dass Unternehmen der Sachgüterproduktion zunehmend produktbegleitende Dienstleistungen anbieten und im Zuge der so genannten „hybriden Wertschöpfung” Kombinationslösungen aus Produkt und Dienstleistung anbieten und damit nachhaltige Marktpotenziale erschließen. Damit können sich die Industriebetriebe klar vom Mitbewerber differenzieren, höhere Margen erzielen und die Kundenbedürfnisse besser befriedigen.
Aufgrund der wirtschaftspolitischen Zukunftsrelevanz dieses Themenkreises haben ACADEMIA SUPERIOR und die Junge Wirtschaft Oberösterreich eine Kooperation zum Thema „Wissensintensive Dienstleistungen” begründet. Die wissenschaftliche Patronanz obliegt Dr. Henrietta Egerth als Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von ACADEMIA SUPERIOR.
In einem ersten Schritt wurde — neben vorbereitenden Studien und Analysen — im Herbst 2011 eine internationale Konferenz zum Thema „Wissensintensive Dienstleistungen — Wachstumsfeld und Innovationsmotor” ausgerichtet. In einem zweiten Schritt wurde die vorliegende „Oö. Dienstleistungsstrategie” erarbeitet, um konkrete Möglichkeiten zur Forcierung dieses zukunftsweisenden Sektors aufzuzeigen. Die inhaltlichen Grundlagen dafür wurden bei einem interaktiven Strategieforum im Mai 2012, an dem 27 UnternehmerInnen und ExpertInnen teilgenommen haben, erarbeitet.
Eine einheitliche Definition wissensintensiver Dienstleistungen lässt sich nicht festhalten, allerdings lassen sie sich über charakteristische Merkmale wie ein hohes Qualifikationsniveau der MitarbeiterInnen, hohe Spezialisierung und Individualität in der Leistungserbringung, enge Interaktion mit dem Kunden und hohe Innovationsdynamik beschreiben. Beispiele für wissensintensive Dienstleistungsbereiche sind etwa Ingenieurbüros, Wirtschafts- und Steuerberater, Finanzdienstleistungen, Werbung und Marketing uäm.
Parallel zur spezifischen Dienstleistungswirtschaft erbringen Unternehmen der Sachgüterproduktion zunehmend produktbegleitende Dienstleistungen wie zB Beratung, Schulung, Service, Wartung, Finanzierung etc. an und erzielen einen steigenden Umsatzanteil mit diesen Services, was mit dem Begriff der „hybriden” Wertschöpfung umschrieben wird. Gerade für die stark exportorientierte Industrie in Oberösterreich ist dies zunehmend von Bedeutung, um sich durch Produkt-/Dienstleistungskombinationen vom globalen Mitbewerb abzugrenzen — zahlreiche Beispiele unterstreichen die Chancen oberösterreichischer Industriebetriebe in diesen wirtschaftlichen Entwicklungen.
Zahlen und Daten zum Segment wissensintensiver Dienstleistungsbetriebe in Oberösterreich unterstreichen deren gegenwärtige Bedeutung für Oberösterreich:
- 11.073 Unternehmen in Oberösterreich sind unmittelbar wissensintensiven Dienstleistungen zuzuordnen, davon sind mit knapp 7.500 Unternehmen die freiberuflich-technischen Dienstleistungen am stärksten ausgeprägt
- 74.000 Beschäftigte sind in diesen wissensintensiven Dienstleistungsbetrieben tätig, das entspricht 16 % aller Beschäftigten in Oberösterreich
- 1.915 Betriebe sind in Oberösterreich in Unternehmensführung und ‑beratung tätig, 1.378 in der Rechtsberatung und Wirtschaftsprüfung, 1.075 in Werbung und Marktforschung mit am häufigsten anzufinden.
- € 10,7 Mrd. an Betriebserlösen werden durch wissensintensive Dienstleistungsunter-nehmen erwirtschaftet, davon € 4,17 Mrd. in Finanz- und Versicherungsleistungen und € 3,36 Mrd. in freiberuflich-technischen Dienstleistungen
- Wien weist mit 30.000 die meisten wissensintensiven Dienstleistungsbetriebe im Bundesländervergleich auf, Oberösterreich nimmt den dritten Rang zwischen Niederösterreich und der Steiermark ein
- Unternehmensneugründungen in Oberösterreich werden besonders häufig in wissensintensiven Dienstleistungen getätigt, mit 656 Unternehmensgründungen im Jahr 2009 in freiberuflich-technischen Dienstleistungen machte dieses Segment nach dem Handel den zweitgrößten Anteil an allen Unternehmensgründungen aus
Forschung und Entwicklung (F&E) im Dienstleistungsbereich unterscheiden sich in vielfacher Weise von den F&E‑Aktivitäten im produzierenden Bereich. Wissensintensive Dienstleistungen sind — nicht zuletzt aufgrund der starken Kundennachfrage — sehr forschungs- und innovationsaktiv: Laut F&E‑Erhebung der Statistik Austria 2007 erfolgen knapp 30 % der F&E‑Ausgaben in Österreich im Dienstleistungssektor, allerdings sind hier über 40 % der F&E‑durchführenden Einheiten zu verorten. Knapp ein Drittel aller F&E‑Beschäftigten in Österreich ist im Dienstleistungssektor tätig.
Im Export wissensintensiver Dienstleistungen werden große Potenziale gesehen, zumal sich bereits jetzt zeigt, dass wissensintensive Dienstleistungen aus Österreich im Ausland gefragt sind. Laut Erhebung der Nationalbank umfassen die bundesweiten Exporte wissensintensiver Dienstleistungen in Summe € 7 Mrd., was etwa 3 % des Bruttoinlandsprodukts entspricht.
Der Trend zur zunehmenden Erbringung von produktbegleitenden Dienstleistungen durch Unternehmen der Sachgüterproduktion wird durch die statistischen Erhebungen nicht erfasst. Eine Studie im Auftrag der Industriellenvereinigung Oberösterreich und der Oö. Technologie- und Marketinggesellschaft hat gezeigt, dass viele produzierende Unternehmen in Oberösterreich in der hybriden Wertschöpfung einen wichtigen strategischen Schlüssel zum Ausbau ihrer globalen Wettbewerbskraft sehen und Services zunehmend zu den Kernkompetenzen produzierender Unternehmen zählen.
Aus den vorliegenden Zahlen und Daten ist die wirtschaftspolitische Relevanz für den Wirtschafts- und Innovationsstandort Oberösterreich erkennbar. Zum Einen zeigen sich wissensintensive Dienstleistungsunternehmen als dynamisches Wachstumsfeld, zum Anderen setzen die beschäftigungsstarken und wertschöpfungsintensiven Produktionsbetriebe zunehmend auf die Erbringung produktbegleitender und produktintegrierter Services.
Nationale und internationale Trends in der Wirtschaftspolitik greifen diese Ent-wicklungen zunehmend auf. So hat etwa die Europäische Kommission mit der Strategie „Europa 2020” und ExpertInnengruppen, Studien und Veranstaltungen einen merklichen Schwerpunkt auf die wissensintensive Wirtschaft gelegt. Auch in Österreich findet die Thematik, etwa durch die Dienstleistungsinitiative des BMWFJ, verstärkte Beachtung.
Der zentralen Schlüsselrolle von wissensintensiven Dienstleistungen und hybrider Wertschöpfung für die künftige Entwicklung des Wirtschaftsstandortes Oberösterreich Rechnung tragend wurden drei Ziele und strategische Perspektiven definiert:
1. Schaffung optimaler Rahmenbedingungen für die wissensbasierte Wirtschaft
2. Stärkung des wissensintensiven Dienstleistungssektors in Oberösterreich
3. Forcierung der hybriden Wertschöpfung in Gewerbe und Industrie in Oberösterreich
Hierzu wurden die folgenden Strategiefelder und Handlungslinien formuliert, wobei viele Anregungen Eingang in anderen Themenschwerpunkten der wirtschaftspolitischen Reformagenda gefunden haben (insb. die Themenbereiche Bildung & Humanressourcen und Unternehmensgründungen):
(1) „Oö. Dienstleistungsoffensive” zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die wissensbasierte Wirtschaft in Oberösterreich
Der Trend zur wissensbasierten Wirtschaft bedeutet eine zukunftsweisende Entwicklung und Chance für den Wirtschaftsstandort Oberösterreich, den es gezielt aufzugreifen und zu forcieren gilt. Im Rahmen einer umfassenden „Oö. Dienstleistungsinitiative” sollen das Bewusstsein und Verständnis für diese Entwicklungen gestärkt und entsprechende Maßnahmen im Bildungs- und Forschungsbereich, etwa durch den Aufbau eines Forschungsschwerpunktes in „Service Science” gesetzt werden. Ferner kann eine eigene Förderinitiative — etwa im Rahmen der kommenden EU-Strukturfondsperiode — oberösterreichische Dienstleistungsinnovationen ansprechen. Die Handlungslinien zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die wissensbasierte Wirtschaft in Oberösterreich umfassen im Konkreten wie folgt:
- Bewusstseinsbildung und Information über die Zukunftsbedeutung wissensintensiver Dienstleistungen und hybrider Wertschöpfung
- Bildung und Qualifizierung als Schlüsselfaktor einer wissensbasierten Wirtschaft
- Erweiterung der relevanten Bildungs- und Forschungsstrukturen und Aufbau eines Forschungsschwerpunkts im Bereich der Dienstleistungsforschung in Oberösterreich
- Einrichtung eines Förderprogramms für Dienstleistungsinnovationen in Oberösterreich
(2) Stärkung der wissensintensiven Dienstleistungsunternehmen
Das Segment wissensintensiver Dienstleistungsunternehmen ist nicht nur ein Wachstums- und Potenzialfeld für Oberösterreich per se, sondern diese Unternehmen tragen auch maßgeblich zur Stärkung der Wissensbasis bei und wirken als Innovationsmotoren und strategische Partner für die Industrie. Um ihre Spezifika hinsichtlich Innovationskraft, Finanzierung, Unternehmensgründung, Export etc. zu berücksichtigen und die Potenziale bestmöglich entfalten zu können, wurden die folgenden Handlungslinien entwickelt:
- Stärkung der Innovationskraft im wissensintensiven Dienstleistungsbereich und Forcierung von „Service Innovationen”
- Weiterentwicklung des Finanzierungs- und Förderportfolios in Hinblick auf die Spezifika wissensintensiver Dienstleistungsbetriebe
- Motivation und Unterstützung von GründerInnen und JungunternehmerInnen in wissensintensiven Dienstleistungsbereichen
- Empowerment für wissensintensive Dienstleistungsunternehmen zur Erschließung neuer Märkte und Kundengruppen
- Initiierung von Kooperationen und Netzwerkbildung
(3) Ansatzpunkte zur Forcierung der hybriden Wertschöpfung
In der Erbringung produktbegleitender Dienstleistungen liegt für Industriebetriebe ein wichtiger Schlüssel, um durch Innovation, Know-how, Qualität und umfassende Lösungen für Kundenprobleme nachhaltig auf globalen Märkten zu reüssieren. Für den Wirtschaftsstandort Oberösterreich stellt daher die Forcierung der hybriden Wertschöpfung ein wichtiges Element zum Ausbau der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und Sicherung von Wirtschaftskraft und Arbeitsplätzen dar. Die adäquaten Handlungslinien hierzu sind folgende:
- Wissens- und Kompetenzaufbau zur Gestaltung von produktbegleitenden Dienstleis-tungen („Service Engineering”) und Dienstleistungsinnovationen („Service Innovation”) in Industrie und Gewerbe
- Erschließung der Kooperationspotenziale in der Gestaltung von Produkt-/Dienstleistungskombinationen zwischen produzierenden Unternehmen, wissensintensiven Dienstleistern und Forschungseinrichtungen
- Einrichtung von Partnerschaften zwischen Hochschulen und Wirtschaft