Die Anerkennung der strategischen Bedeutung von Leitbetrieben und Headquarters für die erfolgreiche Entwicklung von Wirtschaftsstandorten hat sich in den letzten Jahren auf nationaler und europäischer Ebene merklich verstärkt. Dies basiert auf der zentralen Rolle der Leitbetriebe und Headquarters für eine Region.
Die regionalwirtschaftlichen Wirkungen von Leitbetrieben und Headquarters umfassen insbesondere folgende Aspekte:
1. Leitbetriebe sind Beschäftigungs- und Wertschöpfungsmotoren, weil sie einen üüberdurchschnittlich hohen Anteil an Arbeitsplätzen schaffen und erhalten bzw. in besonderem Maße zur Wirtschaftsleistung beitragen. Allein die 29 größten produzierenden Leitbetriebe in Oberösterreich beschäftigen über 50.000 MitarbeiterInnen und erwirtschaften € 4,2 Mrd. an Wertschöpfung.
2. Sie generieren Multiplikatoreffekte durch die Zusammenarbeit mit regionalen Partnern, insbesondere mit kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) im Produktions- und Dienstleistungsbereich. Ein Euro an Produktionswert in einem Leitbetrieb begründet weitere € 1,9 an Produktionswert in anderen Unternehmen, weiters werden durch einen Arbeitsplatz in einem Leitbetrieb weitere 2,25 Arbeitsplätze in vor- und nachgelagerten Partnerunternehmen und durch Umwegeffekte geschaffen.
3. Forschungs- und Innovationsaktivitäten haben in Leitbetrieben einen besonderen Stellenwert: So bringen etwa die 29 forschungsintensivsten Leitbetriebe Österreichs 32 % der gesamten F&E‑Ausgaben der Republik auf. Durch ihre international vernetzten Forschungs- und Innovationsaktivitäten auf höchstem Niveau wirken sie ferner als Impulsgeber für das gesamte Bildungs- und Forschungssystem.
4. Export und internationale Wettbewerbsstärke: Leitbetriebe zeichnen sich zumeist durch eine überdurchschnittlich starke Exportorientierung aus und erbringen dadurch nicht nur einen positiven Beitrag zur Leistungsbilanz Österreichs, sondern sie wirken auch als Türöffner für KMU, die dadurch Zugang zu neuen Kunden und Absatzmärkten erhalten.
5. Strahlwirkung durch zentrale Unternehmensfunktionen (Headquarters): Regional bedeutsame Leitbetriebe stellen häufig selbst die Zentralen von international tätigen Unternehmen dar bzw. nehmen sie als Töchter von multinationalen Konzernen definierte konzernübergreifende Funktionen wahr.
Der Wirtschaftsraum Oberösterreich kennzeichnet sich durch zahlreiche international tätige Leitbetriebe in Industrie, Handel und Dienstleistung in unterschiedlichsten Branchen. So beschäftigen etwa die 250 umsatzstärksten Betriebe Oberösterreichs — das sind 0,6 % aller Unternehmen im Land — insgesamt knapp 270.000 MitarbeiterInnen, zum Teil auch an ausländischen Standorten. Vielfach sind die Entscheidungszentralen („Headquarters”) dieser Unternehmen in Oberösterreich bzw. nehmen oberösterreichische Niederlassungen von internationalen Konzernen oft maßgebliche Funktionen in multinationalen Netzwerken ein.
Der Zukunftsrelevanz der oberösterreichischen Leitbetriebe und Headquarters für die erfolgreiche Entwicklung des Wirtschaftsstandorts Rechnung tragend, haben ACADEMIA SUPERIOR und die Industriellenvereinigung Oberösterreich unter wis-senschaftlicher Begleitung von Univ.-Prof. Dr. Giuseppe Delmestri (Johannes Kepler Universität Linz) eine Themenpartnerschaft begründet und eine Reihe gemeinsamer Aktivitäten gesetzt, um bedarfsorientierte Strategien und Maßnahmen in Form eines Aktionsplans für diese „Zugpferde” der regionalen Wirtschaft zu entwickeln.
Zwei maßgebliche Ziele sollen verfolgt werden, um der aktuellen und künftigen Schlüsselrolle der oberösterreichischen Leitbetriebe und Headquarters zu entsprechen: 1) Die Erhaltung und der Ausbau der Attraktivität Oberösterreichs als optimaler Standort für Leitbetriebe und Headquarters und 2) die endogene Entwicklung von potenziellen Leitbetrieben und Ansiedlung von Headquarters und Headquarter-Funktionen in Oberösterreich.
Zur Erreichung dieser Ziele wurden zwei Strategiefelder und dazugehörige Handlungslinien entworfen:
Zum Einen muss bei Themenfeldern mit besonderer Relevanz für Leitbetriebe und Headquarters, welche die Basis der Rahmenbedingungen und spezifischen Standortfaktoren ausmachen, eine stärkere Beachtung auf die Anforderungen, Chancen und Perspektiven von Leitbetrieben und Headquarters gelegt werden. Dies betrifft insbesondere die Themenfelder Bildung und Beschäftigung, Infrastruktur des Personen‑, Güter‑, Energie- und Datenverkehrs, Forschung und Entwicklung sowie Flexibilisierung und Abbau von Investitionshemmnissen.
Zum Anderen müssen konkrete Maßnahmen für die Stärkung des Leitbetriebe- und Headquarter-Standortes Oberösterreich, welche in einem „12-Punkte-Plan” dargelegt sind, zur Umsetzung kommen. Diese sind in vier Themenfeldern gruppiert:
Themenfeld Awareness & Information
1. Regionales Bewusstsein für die Bedeutung von Leitbetrieben heben
Die essentielle Rolle der Leitbetriebe für Oberösterreich soll durch Medienserien, Sensibilisierung der EntscheidungsträgerInnen und öffentlichen MeinungsträgerInnen uäm. stärker im regionalen Bewusstsein verankert werden.
2. Oberösterreich international als Standort für Kompetenzzentren und Headquarter-Funktionenpositionieren
Oberösterreich muss sich durch konsequente Umsetzung zielgerichteter Maßnahmen international als attraktiver Headquarter-Standort positionieren und profilieren. Dazu zählen u.a. fokussierte Kontaktpflegemaßnahmen zu ausländischen Eigentümern von oberösterreichischen Leitbetrieben, um die regionalen Niederlassungen im konzernin-ternen Standortwettbewerb zu stärken.
3. Leitbetriebe in wirtschafts- und innovationspolitischen Programmen verankern
Den Bedarfen und Anforderungen von Leitbetrieben an die regionalen Wirtschafts- und Innovationspolitik soll stärker als bisher in entsprechenden Programmen — allen voran dem strategischen Programm „Oberösterreich 2020” sowie dem Operationellen Programm für die Strukturfondsperiode 2014–2020 — Rechnung getragen werden.
Themenfeld Headquarter-Standort Oberösterreich
4. Potenziale zum Ausbau der Headquarter-Funktionen in Oberösterreich analysieren
Da Headquarter-Funktionen einen Standort wesentlich aufwerten, sind die Potenziale zum Ausbau der Headquarter-Funktionen am Standort Oberösterreich gezielt zu analysieren, um auf dieser Grundlage die Rahmenbedingungen optimal weiterentwickeln zu können.
5. Gezielte Aktivitäten zur Ansiedlung neuer Headquarter-Funktionen setzen
Durch gezielte Aktivitäten sollen bestehende Headquarters in Oberösterreich ausgebaut und neue Headquarter-Funktionen angesiedelt werden. Dazu ist eine individuelle, rasche und umfassende Unterstützung der oberösterreichischen Standorte beim Auf- und Ausbau von Kompetenzzentren durch die AkteurInnen des oberösterreichischen Innovationssystems sinnvoll.
6. Exzellente Rahmenbedingungen für internationale Spitzenkräfte anbieten
Wie im Themenschwerpunkt „Perspektiven zur internationalen Ausrichtung des Standortes Oberösterreich” näher dargestellt wird, sind umfassende Anstrengungen zur Attraktivierung Oberösterreichs als Lebens- und Arbeitsmittelpunkt internationaler Spitzenkräfte zu setzen. Dies ist insbesondere für die global tätigen Leitbetriebe und Headquarters in Oberösterreich von großer Bedeutung.
Themenfeld F&E — Innovation — Kooperation
7. FFG-Anschlussförderung des Landes Oberösterreich auf Thematische Programme ausweiten
Das Land Oberösterreich hat 2005 eine Anschlussförderung für Projekte in den FFG-Basisprogrammen eingeführt. Eine Ausweitung dieser Fördermaßnahme auf die The-matischen Programme der FFG unter Ausnutzung der maximalen Förderintensitäten würde Oberösterreich als Forschungsstandort weiter stärken und den Aufbau von For-schungsschwerpunkten unterstützen.
8. Wertschöpfungs- und Innovationsketten durch erweiterte Cluster-Förderung stärken
Leitbetriebe arbeiten in Leistungsnetzwerken mit KMU zusammen und lenken damit regionale Wertschöpfungsketten, was durch eine Ausweitung bestehender Förderungen wie etwa die Einführung eines Förderschwerpunkts in der bestehenden Cluster-Kooperationsförderung und Öffnung derselben für alle Wirtschaftsbereiche unterstützt werden soll.
9. Internationale Netzwerke der Leitbetriebe in F&E und Innovation fördern
Leitbetriebe und Headquarters sind wesentliche „Zugpferde” für Forschung, Entwicklung und Innovation. Damit die oberösterreichischen Leitbetriebe und Headquarters optimalen Zugang zu exzellentem Know-how haben, wird die Förderung von internationalen Forschungskooperationen — sowohl mit Forschungseinrichtungen wie auch mit anderen Konzernstandorten — angeregt.
Themenfeld Services und Förderungen
10. Key Account-Services für Leitbetriebe durch Intermediäre anbieten
Das derzeitige Leistungsportfolio der intermediären Einrichtungen in Oberösterreich fokussiert primär die Anliegen und Bedarfe von KMU — Leitbetriebe und Headquarters weisen jedoch einen speziellen Unterstützungsbedarf auf. Dieser soll im Sinne eines „Key Accout-Serviceportfolios” abgedeckt und bestmöglicher Support für Leitbetriebe und Headquarters in Oberösterreich sichergestellt werden.
11. Bestehende Förderungen für strategische Investitionsprojekte bündeln
Zur nachhaltigen Stärkung der Betriebsstandorte in Oberösterreich müssen alle Anstrengungen unternommen werden, damit strategische Investitionsprojekte multinationaler Konzerne in Oberösterreich getätig werden. Dafür ist neben einer individuellen Servicierung auch die Bündelung bestehender Förderungen sinnvoll, um rasch und zielgerichtet Hilfestellung bieten zu können.
12. Oberösterreichische „Gazellen” mit Leitbetriebe-Potenzial servicieren
Schnell wachsende und innovative Unternehmen (so genannten „Gazellen”) kommt eine hohe Bedeutung zu, da sie die „Leitbetriebe von morgen” darstellen. Für diese Gruppe potenzieller künftiger Leitbetriebe ist ein gezieltes Service-Package zu entwickeln, um deren Entwicklung bestmöglich unterstützen zu können und sie langfristig an den Standort Oberösterreich zu binden.