Wie viel technologischen Fortschritt verträgt die Gesellschaft? Wird unsere Zukunft durch Künstliche Intelligenz, selbstlernende Algorithmen, fortschreitende Digitalisierung und vorrückende Robotik wirklich vorhersehbar? Und was macht das alles aus uns? In zwei intensiven Arbeitstagen haben wir uns beim neunten SURPRISE FACTORS SYMPOSIUM mit diesen Fragen auseinandergesetzt und den Versuch unternommen, sie zu beantworten. Denn bei all dem rasanten technologischen Fortschritt darf eines nicht auf der Strecke bleiben: der Mensch.
Genau das war der Ansporn, das Thema „Predictive Futures: Die Vermessung der Zukunft“ aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. In Anspielung auf das Buch Die Vermessung der Welt von Daniel Kehlmann haben wir uns auf den Weg gemacht, tiefer zu blicken und die Hintergründe und Auswirkungen der aktuellen Entwicklungen zu beleuchten. In den Gesprächen wurde klar: Technologien können immense Chancen für uns als Gesellschaft und als Land eröffnen. Um eben diese Perspektiven zu nutzen, bedarf es dabei viel Aufklärung, Reflexion und regulatorischer Richtlinien in Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft. Dafür haben wir uns auch dieses Jahr wieder von internationalen Persönlichkeiten aus unterschiedlichen Disziplinen, Mitgliedern unseres wissenschaftlichen Beirats und jungen Studierenden inspirieren lassen, die uns Leitlinien für unsere zukünftige Arbeit bei ACADEMIA
SUPERIOR aufgezeigt haben.
NICHT ALLES, WAS TECHNISCH ODER WISSENSCHAFTLICH MÖGLICH IST, SOLLTE AUCH TATSÄCHLICH UMGESETZT WERDEN.
Aufklärung macht den Unterschied
Fortschritt gibt es nur, wenn wir uns auf Unbekanntes einlassen. Nur wenn sich Menschen trauen, neue Herausforderungen anzunehmen und neue Möglichkeiten zu nutzen, können wir uns als Gesellschaft weiterentwickeln. Doch was bringen uns die neuen technologischen Möglichkeiten, wenn sie unsere Handlungsmacht einschränken? Was nutzen uns die digitalen und technologischen Vorteile, wenn der Preis, den wir dafür zahlen, zu hoch ist? „Privatsphäre ist ein Auslaufmodell“, sagt der Psychometriker Michal Kosinski. „Wir sind auf dem Weg zur digitalen Verdummung“, bestätigt die Journalistin Susanne Gaschke und „Roboter brauchen Regeln“ fügt die Computergrafik-Wissenschafterin Nadia Magnenat Thalmann hinzu. Diese Aussagen machen Angst. Und das ist menschlich. Doch die Gespräche zeigten, dass wir viele Vorteile aus dem technologischen Fortschritt erwarten können, zumindest dann, wenn wir wissen, zu welchen Resultaten unser Umgang damit führt.
BILDUNG IST EIN SCHLÜSSELTHEMA IM UMGANG MIT DEN NEUEN TECHNOLOGISCHEN
MÖGLICHKEITEN.
Dafür müssen nicht nur Vorurteile und Halbwissen aus dem Weg geräumt werden, sondern der technologische Fortschritt muss Teil unserer Lehre, Teil des gesellschaftlichen und politischen Diskurses werden. In erster Linie ist es nötig, dass in der (Hoch-)Schulbildung die neuen technologischen Möglichkeiten einen Platz finden, denn wir müssen schon heute in diese Themen investieren, um auch zukünftig wettbewerbsfähig zu bleiben. Vor allem junge Menschen sollten lernen, wie sie technologische, gesellschaftliche und politische Gegebenheiten analysieren, hinterfragen und reflektieren können. Wenngleich der nationale Kontext die Akzeptanz von neuen Technologien beeinflusst (und Österreich im Vergleich zu Ländern wie China hier weit zurückliegt), so haben wir die Pflicht, unser Bestes zu geben und die neuen Parameter optimal einzusetzen. Denn Österreich befindet sich auch hier im europäischen und weltweiten Wettbewerb.
Vorhersehbares gestalten – Unvorhersehbares begrüßen
Die Darlegungen der Expertinnen und Experten haben verdeutlicht, dass durch Algorithmen und Künstliche Intelligenz vieles in unserem Leben vorhersehbar gemacht werden kann, was in vielen Fällen eine Bereicherung sein kann: Soziale Roboter können in der Alten- und Krankenpflege nicht nur die Pflegerinnen und Pfleger entlasten, sondern auch als sozialer Kontakt für die Patientinnen und Patienten fungieren. In der Forschung kann Künstliche Intelligenz durch eine effizientere Informationsverarbeitung und Visualisierung Innovation vorantreiben oder in der Medizin Leben retten, indem sie z.B. unsere Krankheitsrisiken durch Genanalysen vorhersagt. Auch in alltäglichen Situationen unterstützen uns Algorithmen: Wird ein Stau durch Systeme wie Google Maps vermieden, so hilft dies, Kraftstoff einzusparen.
Doch nichts im Leben ist geschenkt. Die auf intelligenten Algorithmen basierenden Geschäftsmodelle beruhen darauf, dass jede und jeder persönliche Informationen kostenlos zur Verfügung stellt, denn wenn die Softwareunternehmen für Daten bezahlen müssten, würden viele Menschen sich die derzeit gratis verfügbaren Dienste nicht leisten können.
Um die Chancen des „Vorhersehbaren“ nutzen zu können, bedarf es demnach klarer internationaler Regeln im Umgang mit diesen Möglichkeiten, sowohl für die Gesellschaft als auch für die Wirtschaft. Denn jene Tech-Konzerne, die unsere Daten kontrollieren, kennen keine nationalen Grenzen. Hier muss die Politik ansetzen und regulatorische Richtlinien formulieren, denn ohne die notwendigen politischen Rahmenbedingungen laufen wir Gefahr, in unserem Handeln eingeschränkt und von Technologien getrieben zu werden.
Dabei dürfen wir nicht übersehen, dass trotz aller Vorhersagemöglichkeiten sehr wohl auch noch Raum für Überraschungen besteht. Denn als Menschen werden wir nicht nur von unserer Genetik, sondern auch von unserer Umgebung beeinflusst und irrationales Verhalten ist nun einmal Teil des menschlichen Handelns.
Der Mensch entscheidet, nicht die Maschine
Die Beschäftigung mit dem Thema „Predictive Futures: Die Vermessung der Zukunft“ hat uns gezeigt, dass jede Medaille zwei Seiten besitzt. Wir können die Zeit nicht zurückdrehen. Umso wichtiger ist es, mit dem technologischen Fortschritt verantwortungsvoll umzugehen und diesen bestmöglich in unser Leben zu integrieren. Dabei steht der Mensch in der Pflicht, gewissenhaft mit den neuen Möglichkeiten umzugehen. Das Bildungswesen und die Forschung müssen Aufklärungsarbeit betreiben und Wissen schaffen. Die Medien müssen die Erkenntnisse transportieren und die Gesellschaft sollte reflektiert und moralisch entscheiden. Wichtig dabei ist, dass wir darauf achten, nur jene Technologien einzusetzen, deren Handlungen wir vorhersehen können. Politik, Forschung und Gesellschaft setzen hier die sozialen und ethischen Rahmenbedingungen, unter welchen Maschinen und Algorithmen „wirken“ dürfen. Dabei ist manchmal vielleicht auch Entschleunigung sinnvoll, wenn wir Menschen bei all dem technologischen Fortschritt mitkommen wollen. Es liegt also an uns, die Zukunft so zu gestalten, wie wir es möchten.
ACADEMIA SUPERIOR hat es sich zur Aufgabe gemacht, schon heute die Fragen zu stellen, die bedeutend für die Zukunft Oberösterreichs sein werden. Die Antworten darauf tragen zur aktiven Gestaltung unserer Zukunft bei. So blicke ich mit großer Zuversicht der Arbeit in den kommenden Monaten entgegen, um gemeinsam Strategien für vorhersehbare sowie unvorhersehbare zukünftige Ereignisse zu konzipieren.