WAS IST EIN UNTERNEHMERGEIST?
Mit dem Begriff „Unternehmergeist“ wird heute mehr als nur der klassische Wille zur Unternehmensgründung oder das Streben nach einer Eigentümerfunktion in Verbindung gebracht. Der Begriff umfasst auch kreative Elemente wie das Identifizieren von systemischen Marktopportunitäten, das Suchen nach innovativen Ideen sowie deren Umsetzung in Form neuer Geschäftsmodelle oder die Implementierung innovativer Technologien. Gleichzeitig strebt Unternehmergeist immer auch nach einer effizienten Nutzung sowohl ökonomischer, gesellschaftlicher als auch ökologischer Ressourcen.
Eine Vielzahl von Persönlichkeitsmerkmalen machen einen Unternehmergeist aus: Leistungsmotivation, Eigeninitiative und Unabhängigkeitsstreben, Realismus und die Fähigkeit zur Zusammenarbeit, Kreativität, Durchhaltevermögen, Durchsetzungs- und Problemlösungsfähigkeit, Risikobereitschaft sowie die Fähigkeit zum Umgang mit Unsicherheiten und der Glaube an sich selbst und daran, dass man mit dem eigenen Handeln etwas bewirken kann. Die Kombination dieser Faktoren in der jeweiligen Persönlichkeit bestimmt, ob und welcher „unternehmerische Typ“ der oder die Einzelne ist.
DIE UNTERNEHMERISCHE GESELLSCHAFT
Doch auch Gesellschaften als Ganzes weisen unterschiedliche Grade an Unternehmergeist als kulturelles Charakteristikum auf. So sind Gesellschaften mit einer stärkeren Affinität zu Risikobereitschaft durch mehr Unternehmergeist und Unternehmensgründungen gekennzeichnet. Wie kann der Unternehmergeist bzw. der sogenannte „Entrepreneurial Spirit“ in Oberösterreich stärker entfacht und besser verankert werden? Denn auf die großen gesellschaftlichen und ökonomischen Herausforderungen der Zukunft werden nur durch das persönliche und unternehmerische Engagement der Bürgerinnen und Bürger die richtigen Antworten zur richtigen Zeit gefunden werden können. Es liegt also im Interesse des ganzen Landes, dass der Unternehmergeist geweckt wird und keine guten Ideen verloren gehen.
Mit Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Disziplinen wurde darüber diskutiert, wie der Unternehmergeist gesellschaftlich gestärkt und dadurch kreative, innovative und wachstumsorientierte Ideen generiert und in ihrer Umsetzung bestmöglich gefördert werden können. Denn es gilt, ein gesellschaftliches und kulturelles Umfeld zu schaffen, das Menschen dazu motiviert, ihre Ideen zu verwirklichen, und sie dabei auch unterstützt. (mehr dazu)
NOCH LUFT NACH OBEN BEI DEN GRÜNDUNGEN
Betrachtet man dies aus dem Blickwinkel der Unternehmensgründungen, so zeigt sich, dass in Oberösterreich durchaus noch Potential besteht: Im Jahr 2013 gab es in Oberösterreich 5.172 Neugründungen, was Rang vier im Bundesländervergleich hinter Wien, Niederösterreich und der Steiermark entspricht. Gerechnet auf die Anzahl der Beschäftigten, kommen in Oberösterreich jedoch auf je 1.000 Beschäftigte nur 8,35 Gründungen – der zweitniedrigste Wert aller Bundesländer. Das Ziel für Oberösterreich ist eindeutig: Es muss gelingen, nicht nur ideale Rahmenbedingungen für unternehmerisches Handeln im Land aufzubauen, sondern auch, die Grundlagen für den erfolgreichen Unternehmergeist besser in der Gesellschaft zu verankern und bereits in der Schule aufzubauen.
UNTERNEHMERGEIST AN DEN HOCHSCHULEN
Ein Schwerpunkt wurde daher auf die Forcierung der Unternehmensgründungen aus den Hörsälen heraus gesetzt. Die oberösterreichischen Hochschulen sind nicht nur direkt in Bezug auf die Bildung der Studierenden, sondern auch indirekt durch ihr Potential an Kreativität und innovativen Ideen, das in Gründungen umgewandelt werden kann, ein enormer Standortvorteil für das Land im globalen Wettbewerb.
In einem Strategieforum der Hochschulen des Landes – von der Linzer Kunstuniversität über die Johannes Kepler Universität bis zur Fachhochschule Oberösterreich – wurde gemeinsam mit dem Wirtschaftsressort des Landes der Anstoß dazu gegeben, dahingehende Angebote stärker zu koordinieren, um das gemeinsame Ziel der nachhaltigen Dynamisierung des hochschulischen Gründungsoutputs zu erreichen.
Denn besonders die technologieorientierten und wissensintensiven Unternehmensgründungen tragen stark zum langfristigen Erhalt der wirtschaftlichen Dynamik des Landes bei. Sie schaffen zukunftsorientierte Arbeitsplätze und auch die Beschäftigungseffekte sind bei wissensintensiven Gründungen deutlich höher als bei anderen Unternehmensgründungen.
Diese Unternehmen führen oft neue Technologien und Geschäftsmodelle in den Markt ein, sind stark international ausgerichtet und hoch innovativ. Gerade ein Technologie- und Industriestandort wie Oberösterreich braucht den frischen Wind und das Engagement dieser hochqualifizierten Gründerinnen und Gründer.
Dabei zeigen die in der Vergangenheit von den Hochschulen gemeinsam gesetzten Aktivitäten bereits erste Wirkungen. Einige auch international höchst erfolgreiche Unternehmen konnten durch die Fördermaßnahmen in ihrer Entstehung bereits unterstützt werden. Vermehrte Bemühungen an den universitären Schnittstellen, um gemischte Gründerteams aus Studierenden verschiedener Hochschulen zusammenzubringen, könnten in strukturellen Veränderungen der Gründungsdynamik des Landes resultieren.
INNOVATION DURCH INTERDISZIPLINARITÄT
Innovative und kreative Ideen entstehen vermehrt durch das Zusammenbringen von Menschen verschiedenster Disziplinen und erst dadurch kann es gelingen, völlig neue Wege zu gehen und disruptive Modelle und Technologien zu entwickeln. Die Integration von Entrepreneurship Education an den Hochschulen resultiert in einem tendenziell höheren Gründungsinteresse der Studierenden und einer stärkeren Gründungsaktivität. Der Ausbau dieser Programme – idealerweise auch auf anderen Ebenen des Bildungsweges – wird daher dringend empfohlen.
Großes Gründungspotential liegt aber nicht nur im wirtschaftlichen und technischen Bereich, sondern auch in der Kreativszene, gerade in einer Industrieregion. Deshalb gibt es seitens der Expertinnen und Experten eine klare Empfehlung dafür, bestehende Aktivitäten, die auf die Vernetzung von Kunst, Kreativität und Industrie ausgerichtet sind, weiter zu intensivieren.
Studierende brauchen, wie alle potentiellen Gründerinnen und Gründer, nicht nur Beratung und finanzielle Unterstützung, sondern auch Freiräume, um neue Ideen zu entwickeln, sie zu erproben und in geschäftsfähige Modelle umzuwandeln.
UNTERNEHMERGEIST UND FÜHRUNGSSTIL IM 21. JAHRHUNDERT
Neben dem studentischen ist noch ein weiteres unternehmerisches Potential in Oberösterreich in zu geringem Ausmaß aktiviert: der Beitrag von Frauen zur Entwicklung von Unternehmen. Mit der US-amerikanischen Leadership-Expertin, Sally Helgesen, wurde erörtert, worin die Rolle eines spezifisch weiblichen Potentials für die zukünftige positive Entwicklung von Organisationen liegen kann. Denn im digital vernetzten, globalen Zeitalter des 21. Jahrhunderts wird sich eine neue Art von Führungsstil in Unternehmen durchsetzen.
Vor allem Frauen können und werden diesen neuen Stil in die Unternehmen einbringen. Hierzu gehört u.a. die Art, wie Frauen Beziehungen pflegen und zusammenarbeiten, wie sie Arbeits- und Privatleben effizient zusammenführen, wie sie aus der Mitte heraus – anstatt von oben nach unten – führen, oder wie sie intuitiv mit Diversität und Vielfalt umgehen.
Eben diese Fähigkeiten werden bei Führungskräften zukünftig bedeutsamer werden. Nicht mehr nur die Fähigkeit, sich auf spezielle Bereiche fokussieren zu können, sondern das Potential, ein breiteres Spektrum an Faktoren wahrzunehmen, Weitblick und das Vermögen, um die Ecke sehen zu können, sowie die Fertigkeit, sich in einer unsicheren Zukunft zurechtzufinden und sich immer wieder rasch an neue Gegebenheiten anzupassen, werden immer wichtiger in den Führungsetagen.
Mitverantwortlich für diese Entwicklung ist die Etablierung der neuen digitalen (Kommunikations-) Technologien. Sie durchbrechen nicht nur Hierarchien und etablierte Strukturen, sondern schaffen auch neue Freiräume und Möglichkeiten. Sie erfordern auch neue Wege der Kommunikation und neue Kulturtechniken, um mit diesen Möglichkeiten effektiv umgehen zu können. Sie generieren also neue strukturelle Marktchancen, die darauf warten, von Frauen und Männern mit Unternehmergeist wahrgenommen zu werden.
UNTERNEHMERGEIST AUF GESELLSCHAFTLICHER EBENE
Nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht, auch aus der gesellschaftlichen Gesamtperspektive braucht es ein Mehr an Unternehmergeist – den Willen sich zu engagieren und sich einzubringen für eine Idee oder ein gemeinsames Ziel. Deshalb fragte ACADEMIA SUPERIOR im Rahmen eines Workshops Jugendliche, warum sie sich engagieren und warum es lohnend und gleichzeitig schwierig ist, sich in gesellschaftliche Prozesse einzubringen.
Für viele Menschen ist ihr (ehrenamtliches) Engagement eine Sinnquelle für ihr Leben. Gleichzeitig weckt dieses Engagement jedoch oft auch Neid unter anderen. Engagierte Menschen definieren sich dementsprechend durch ihre Offenheit für anderes und dadurch, dass sie Konflikte nicht scheuen. Engagement bei jungen Menschen beginnt zuerst vor allem aus sozialen Gründen. Man will zu einer Gemeinschaft gehören, neue Freunde gewinnen, sich aber auch persönlich weiterentwickeln.
Die Jugendlichen wünschen sich in erster Linie Anerkennung für ihr Engagement in Form von echter Wertschätzung. Sie möchten gefordert und gefördert werden; dann zeigen sie auch gern ihr Interesse an den vielfältigsten Themen. Jugendliche wünschen sich Gelegenheiten, sich aktiv und positiv in die Gesellschaft einbringen zu können, um etwas zu bewirken und gemeinsame Ziele zu verfolgen.
Junge Menschen können durch verschiedenste Projekte die Möglichkeit erhalten, Engagement selbst zu erleben und im eigenen Umfeld zu spüren. Wenn sie dabei die Erfahrung machen, dass ihre Meinungen – auch und gerade von Entscheidungsträgerinnen und ‑trägern – ernst genommen werden und sie etwas durch ihr Handeln bewirken können, dann ist die Saat für die Entwicklung eines Unternehmergeistes in ihnen gesät. Über die Förderung des Engagements unter Jugendlichen könnte somit ein Puzzlestein zum Aufbau von mehr Entrepreneurial Spirit in Oberösterreichs Gesellschaft gelegt werden.
Unternehmergeist und Engagement lassen sich bei jungen Menschen auch wecken, indem sie in der Entdeckung ihrer spezifischen Fähigkeiten – dem, was sie besonders oder anders macht – unterstützt werden. Wird dieses Anderssein in der Gesellschaft gefördert, werden Vielfalt und Kreativität begünstigt. Diese Fähigkeiten sind elementar, wenn es gilt, neue Ideen für die anstehenden Herausforderungen zu entwickeln.
Publikation:
W³ Studie: Wachstumsorientierte und innovative Unternehmensgründungen in OÖ