„Entschuldigung für die Verspätung, aber ich musste noch kurzfristig ein Fernsehinterview geben”, erklärt Prof. Peter Kampits und nimmt Platz im Cafe Maximilian. Der emeritierte Philosoph und Dekan der Wiener Universität ist umtriebig wie eh und je. Angewandte Ethik von der Medizin über die Wirtschaft bis hin zur Politik ist seine tägliche Herausforderung: „Es geht mir darum, neue Fragestellungen und Erkenntnisse ins allgemeine Bewusstsein der Bevölkerung zu heben”, betont der Wiener Philosoph und stellt die immer wieder auftauchende Kernfrage : „Sollen wir alles wollen, was wir können.” Er selber spürt bei allen neuen Möglichkeiten, die in den verschiedenen Forschungsbereichen neu aufgehen „eher eine gewisse Zurückhaltung”.
Woher kommen die Anfragen an die Philosophie und Ethik?
„Die Auslöser für Beratungen in den Ethikkommissionen sind hauptsächlich Einzelfälle, die eine ethische Fragestellung aufwerfen”, weiß Kampits aus seiner langen Erfahrung. Gerade im Bereich der Medizin und Nachkommenschaft, der Zeugung und Früherkennung tun sich unglaubliche Möglichkeiten auf mit großen ethischen Dilemmata: „Wann ist eine Grenze überschritten?” Im Bereich „Designer-Baby”, wo das Geschlecht, Eigenschaften des Körpers oder sogar Charaktereigenschaften von den Eltern „entschieden werden könnten”, plädiert Kampits für große Zurückhaltung: „Das wird gefährlich.” Ein anderer Auslöser für Beratungen sind Gesetzesänderungen wie zum Beispiel die Gleichstellung der homosexuellen Paare. Auch „Erscheinungen im Wirtschaftsbereich” wie die maßlose Gier und Bereicherung sind Inhalte der Überlegungen, wie das eingebremst werden kann. „Eine Grundhaltung des sorgsamen Umganges mit unserer Mitwelt wird wieder wesentlich wichtiger”, ist Kampits zutiefst überzeugt.
Die Themen unserer Zeit?
„Die Frage der sozialen Gerechtigkeit und der Verteilungsgerechtigkeit ist brennend und liegt auf der Hand”, meint Kampits auf die Frage nach den heutigen Themen: „Ebenso ist der ‚Clash of Cultures‘ zwischen der europäisch- christlichen und der muslimischen Tradition zu bewältigen.” Kampits nimmt sein Handy: „Wenn ich daran denke, was diese kleinen Dinger alles können, dann ist die Grundfrage, wie wir vernünftig damit umgehen lernen zwischen zu viel und dem ausgegrenzt sein. Außerdem ist ja noch nicht genau erforscht, welche Auswirkungen das auf die Ausbildung des Gehirns hat.” Der Druck und das Tempo der virtuellen Welt lässt die persönliche Kommunikation mit allen Sinnen schrumpfen. „Wir dürfen den Segen der neuen Technologie nützen, aber nicht in einen Dauerbetrieb verfallen”, meint der frühere Dekan und verweist auf die Wichtigkeit der „unmittelbaren Naturbegegnung und die gesunde Bewegung”. Mit einem frohen Gesichtsausdruck erzählt Kampits vom gerade vergangenen Urlaub in Kroatien: „Im Meer schwimmen und die wunderbaren Sonnenuntergänge können durch gar nichts ersetzt werden.”
AS kann ausstrahlen und anziehen
Professor Kampits war beim Symposium in Gmunden dabei. Ebenso fehlt er bei keiner Beiratssitzung. „Wir sind auf einem guten Pfad unterwegs und mit der breiten Interdisziplinarität bekommen wir verschiedene Zugänge zu den anstehenden Grundfragen”, meint Kampits mit Blick auf die bisherige Arbeit: „Das Land OÖ ist mit dieser Initiative gut beraten.” Er sieht in der Förderung von wissenschaftlich-intellektuellen Personen eine wichtige Aufgabe: „Wenn wir diese große Offenheit ausstahlen, dann werden wir auch anziehend sein”, ist sich Kampits sicher. Schon blickt der fast 70-jährige „Junggebliebene” auf die Uhr und verabschiedet sich zu einem Vortrag in Herzogenburg vor BibliothekarInnen aus allen osteuropäischen Ländern.