Verwalten durch kleine, auf psychologische Methoden gestützte Stupser, liegt im Trend und könnte auch in Österreich Erfolge bringen.
Nudging
In England und den USA ist es bereits üblich, in Österreich soll es bald probiert werden: Die wissenschaftliche Überprüfung von staatlichen Verwaltungstätigkeiten auf ihre Wirksamkeit und deren Weiterentwicklung durch Rückgriff auf verhaltenspsychologische Methoden – im Englischen behavioural public policy – vereinfachend oft auch nudging (stupsen) – genannt.
Nudging versucht, das Verhalten von Bürgerinnen und Bürgern durch subtile psychologische Hinweise in bestimmte Richtungen zu lenken. Das 2010 gegründete britische Behavioural Insight Team kann dabei schon auf einige Erfolge verweisen: so konnte z.B. die Zahl der Schulabbrecher an weiterführenden Schulen um 36 Prozent verringert werden, nachdem die Schulen damit begannen, den Schülerinnen und Schülern „Willkommen-zurück-SMS“ zu schicken, in denen ihnen erklärt wurde, wann man sie wo erwartet. Ein anderes Beispiel ist die Steigerung der Einnahmen bei säumigen Steuerzahlern um fünf Prozent: Man fügte in den Mahnschreiben einfach einen Satz ein, in dem darauf hingewiesen wurde, dass die Mehrheit der Nachbarn ihre Steuern pünktlich zahlt.
Wie können diese Ergebnisse so genau beziffern werden? Indem wissenschaftlich getestet wird. Wird ein neuer Stups (Englisch: nudge) versucht, wird immer auch eine Kontrollgruppe gebildet, die den nudge nicht erhält. Wenn in den beiden Gruppen unterschiedliche Reaktionen (in diesem Fall die Quote der Steuerzahlungen) auftreten, kann abgeschätzt werden, ob die neue Maßnahme Sinn macht und flächendeckend umgesetzt werden kann.
Maßnahmen der Realität besser anpassen
Basis für dieses Vorgehen sind Erkenntnisse der Verhaltenspsychologie. Während alte (vor allem ökonomische) Theorien davon ausgingen, dass Menschen immer rational und informiert handeln und so alle die für sie optimalen Entscheidungen treffen, betont die Verhaltenspsychologie, dass die Realität anders aussieht. Menschen sind selten umfassend informiert und ihr Handeln hängt viel stärker von ihrer Umgebung und kurzfristigen Perspektiven ab, als davon, was für sie objektiv und langfristig von Vorteil wäre. (Paradebeispiel hierfür sind die kaum vorankommenden Anstrengungen zum Klimaschutz.)
Dementsprechend wird bei der Umsetzung von Behavioural public policy zuerst versucht, ein realistisches Bild davon zu entwickeln, wie Menschen entscheiden und was sie motiviert, um dann Maßnahmen der Politik und Verwaltung darauf abzustimmen. Im Prinzip geht es darum, permanent die Perspektive der Bürgerinnen und Bürger einzunehmen, ihnen den Umgang mit der Verwaltung zu erleichtern und die Menschen, anstatt mit Geboten und Verboten, durch kleine Stupser oder Anreize zu gesellschaftlich oder politisch erwünschtem Verhalten zu bewegen.
Mehr Effizienz und Impact
Ultimatives Ziel des politischen nudging in aller Welt ist es gegenwärtig, eine höhere Effizienz der staatlichen Administration und Maßnahmen zu erreichen und ineffiziente Regulierungen durch einfachere Methoden zu ersetzen. Kurz: dem Staat beim Sparen helfen. Natürlich könnte diese Zielsetzung auch um Ziele im Klima- und Umweltschutz oder im Gesundheits- und Sozialbereich erweitert werden.
Das österreichische Wirtschaftsministerium arbeitet derzeit an Pilotprojekten, an denen überprüft werden soll, ob ein österreichisches Behavioural Insight Team Erfolge bringen kann. Eine Voraussetzung für einen langfristigen Erfolg wird es aber auch sein, eine Verhaltensänderung bei vielen Behörden zu erreichen. Bürgerinnen und Bürger und Behörden müssen vermehrt auf gleicher Augenhöhe agieren können und die Verwaltung lernen, dass sie eine Serviceeinrichtung für Bürgerinnen und Bürger ist und diese nicht befehligt.
Dann erscheint eine Behavioural public policy auch im regionalen Kontext der österreichischen Bundesländer – die ja eigentlich noch näher an der Bürgerin und dem Bürger sind, als die bundesstaatliche Ebene – vielversprechend und einen Versuch wert.
Bücher zum Thema:
Richard H. Thaler, Cass R. Sunstein: Nudge. Improving Decisions about Health, Wealth and Happiness. Yale University Press 2008.
David Halpern: The Hidden Wealth of Nations. John Wiley & Sons 2009.
Zum Autor
Michael Hauer ist Sozial- und Wirtschaftshistoriker und wissenschaftlicher Mitarbeiter bei ACADEMIA SUPERIOR