Hat sich die „Gläserne Decke“ im Wissenschaftsbetrieb in den letzten Jahrzehnten nach oben verschoben? Auf welche Barrieren stoßen junge Wissenschafter:innen, wenn sie heute eine universitäre Karriere anstreben? Warum steigen viel mehr Frauen als Männer aus der Forschung aus? Was kann getan werden, um Chancengleichheit in der Wissenschaft voranzutreiben? Diese Fragen stellte der 6. MUTmacherinnen-Talk von Academia Superior und Frauen im Trend.
„Beim Mutmacherinnen-Talk geht es darum, mit außergewöhnlichen Persönlichkeiten ins Gespräch zu kommen und Potenziale für die Zukunft aufzuzeigen,“ freute sich Academia Superior-Geschäftsführerin Dr. Claudia Schwarz über die Fortsetzung der Gesprächsreihe.
„Selten war die Wissenschaft so unter Druck wie jetzt und gleichzeitig stellt sich die Frage, ob die Rahmenbedingungen in der Wissenschaft es den Frauen ermöglichen, ihre Potenziale voll zu entfalten“, führte Abg. zum NR a.D. Claudia Durchschlag (Frauen im Trend, in Vertretung von Präsidentin Sabine Kronberger) zu Beginn in die Thematik ein.
Als Gesprächspartnerinnen eingeladen, waren zwei Kennerinnen der Materie: Ass. Prof. Dr. Cäcilia Innreiter-Moser ist am Institut für Organisation an der JKU tätig und ist wissenschaftliche Leiterin des Masterstudiums „Management und Leadership für Frauen“ sowie langjährige Vorsitzende des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen an der JKU. Dr. Regina Aichinger, MSc ist Vizepräsidentin für Organisation und Qualität der FH OÖ und Hochschulforscherin in den Bereichen Governance, Qualität und Diversity.
Leaky Pipeline
„In Österreich sind 44% der Doktoratsstudierenden Frauen, aber je weiter man die wissenschaftliche Karriereleiter nach oben schaut, desto geringer wird dieser Anteil“, beschrieb Regina Aichinger das Problem dieser sogenannten „leaky Pipeline“. Regina Aichinger nannte auch einen Hauptgrund dafür: „Solange die Familienarbeit immer noch mehrheitlich an den Frauen hängen bleibt, fallen sie überproportional aus den Karrieren raus“.
Was braucht es, um diesen Prozessen entgegenzuwirken? In der Diskussion mit dem Publikum nannten die Expertinnen u.a., dass Mentoring-Systeme für Frauen sich als wertvoll erwiesen haben, aber trotzdem braucht es auch entsprechende gesetzliche Vorgaben und Rahmenbedingungen, um die Situation zu verbessern.
Die Fixierung des wissenschaftlichen Karrieresystems auf das Publizieren und die geringere Wertschätzung für Lehre und Wissenschaftskommunikation haben zur Folge, dass gerade in Bezug auf Karriere und Familiengründung der Druck auf junge Wissenschafterinnen beider Geschlechter enorm ist. Schon bei den Doktoratsstudien zeigen sich Unterschiede zwischen Österreich und anderen Ländern: während es hierzulande als selbstverständlich angesehen wird, dass Doktoranden nur mit 30 Stunden angestellt werden und den Rest ihrer Forschung in der Freizeit machen müssen, ist es in anderen Ländern üblich, solche Stellen in Vollzeit auszuschreiben. Die gesellschaftlichen Normen in Österreich bringen es mit sich, dass sich vor allem Frauen (und nicht Männer) die Frage stellen müssen, ob sie eine wissenschaftliche Karriere und Kinder unter einen Hut bringen können. „Und zu oft, ist diese Belastung einfach zu viel“, stellte Innreiter-Moser fest.
Dabei könnten gerade Frauen durch Kommunikationstalent und Engagement in der Lehre einen wertvollen Beitrag zur Vermittlung von Wissen leisten; ein Beitrag, der angesichts der großen Wissenschaftsskepsis (siehe dazu unseren Surprise Factor zur Wissenschaftsskepsis) hierzulande von enormer gesellschaftlicher Bedeutung wäre.