Wenn Sie ein reger Nutzer eines Smartphones sind, hinterlassen Sie dabei Ihre digitalen Fußabdrücke. Wenn Sie Ihr Smartphone wegwerfen, sind Sie abgeschnitten – von sozialen Netzwerken, von der Möglichkeit, Ihre Familie zu kontaktieren. Das geht, wenn Sie der CEO eines großen Unternehmens sind, weil Sie Personal haben, aber wenn Sie eine alleinerziehende Mutter mit zwei Jobs sind, können Sie ohne ein Smartphone nicht überleben.
Sie hinterlassen Spuren bei der Nutzung des Internets, Ihres Browsers, Ihres Facebook Accounts, Ihrer E‑Mail. Und nun stellen Sie sich vor, Sie geben das alles auf und sind wieder in der Steinzeit. Aber wenn Sie in Ihr Auto einsteigen, werden Bilder von Ihrem Auto, Ihrem Nummernschild und auch von Ihrem Gesicht von Überwachungskameras auf Autobahnen, Grenzübergängen und Kameras in Städten aufgenommen. Mit der Gesichtserkennungstechnologie können wir Gesichter sehr einfach mit Online-Profilen abgleichen, was im Wesentlichen bedeutet, dass man dem digitalen Fußabdruck nicht entkommen kann. Versuchen Sie nicht, keine digitalen Fußspuren mehr zu hinterlassen. Sie können die Uhr nicht zurückdrehen. Moderne Technologie verändert unser Leben in vielerlei Hinsicht zum Besseren, aber sie beruht darauf, dass wir Daten teilen.
PREDICTIVE ANALYSIS WURDE BEREITS EINGESETZT, BEVOR ICH MEINE FORSCHUNG BEGANN.
Ich denke, dass es mit der Privatsphäre im Grunde vorbei ist. Man kann Google regulieren, man kann Facebook regulieren, man kann versuchen, die eigene Regierung zu kontrollieren. Die russische Regierung kann man nicht regulieren, man kann Hacker nicht regulieren, man kann die kleinen Unternehmen nicht regulieren, die wir nicht am Radar haben und denen das egal ist. Außerdem ist es äußerst schwierig, die Menschen davon zu überzeugen, weniger effiziente, teurere und langweiligere Technologien einzusetzen.
Das Geschäftsmodell sieht so aus: Wenn du etwas umsonst bekommst, bist du selbst das Produkt. Und schauen Sie, das Modell hat auch seine Vorteile. Jetzt kann eine unterprivilegierte Person, die in Polen lebt, wo Google mit kostenlosen Suchergebnissen noch nicht wirklich viel zu gewinnen hat, Zugang zu dieser wunderschönen und strahlenden Technologie haben, weil ihre Entwicklung von Werbetreibenden finanziert wurde, die um die Aufmerksamkeit der Amerikaner buhlen.
Versuchen wir nun, die Diskussion neu zu fokussieren und zwar weg davon, etwas schützen zu wollen, das sowieso verloren ist. Versuchen wir stattdessen, den Übergang in eine Welt nach der Privatsphäre so zu gestalten, dass der Nutzen für die Gesellschaft maximiert und die Risiken minimiert werden. In einem solchen Kontext ist mehr Transparenz besser als weniger Transparenz. Man könnte sagen, dass Facebook und Google gezwungen werden sollten, ihre Daten breitgefächert zu teilen, anstatt ein Monopol darauf zu haben. Sie sollten dazu ermutigt werden, Daten nicht nur mit Universitäten und Regierungen, sondern auch mit Start-ups zu teilen.
Weder der perfekte Algorithmus noch die perfekte Vorhersage der Zukunft existieren. Es wird immer eine gewisse Befangenheit geben. Aber man sollte die Qualität von etwas nicht messen, indem man es mit Perfektion vergleicht. Man sollte die Qualität messen, indem man sie mit Alternativen vergleicht. Und unsere Alternative zum befangenen Algorithmus ist jetzt ein noch befangenerer Richter. Oder Polizist. Oder ein gelangweilter und müder Zollbeamter, der aufgrund von Geschlecht, Alter oder rassischen Vorurteilen Menschen aufhalten kann.
Solange wir solche Gespräche führen wie hier, bewegen wir uns in die richtige Richtung. Mit der Zeit lernen die Menschen die Eigenheiten und Eigenschaften einer bestimmten Technologie kennen, und dadurch fährt sozusagen das Immunsystem hoch. Wenn du ein Facebook-Native bist, wirst du wissen, dass Leute dumme Dinge reposten, und dass du diese auf Fakten überprüfen musst. Als Benutzerin oder Benutzer wird man immer anspruchsvoller.
VITA
Prof. Dr. Michal Kosinski ist ein aus Polen stammender Psychologe und Datenwissenschafter, zu dessen Fachgebieten Psychometrie und Data Mining zählen. In seiner Forschung untersucht er das menschliche Verhalten mit Hilfe des digitalen Fußabdrucks, den die Menschen während der Nutzung digitaler Plattformen zurücklassen.
Zurzeit ist er als außerordentlicher Professor an der Stanford Graduate School of Business tätig. Neben seinem Doktortitel in Psychologie verfügt Michal Kosinski auch über den Master in Psychometrie und Science. Er studierte an der University of Cambridge, wo er 2008 mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein System entwickelte, um mithilfe von Online-Daten, Facebook Likes und Smartphone-Daten detaillierte Profile von Menschen zu erstellen. Zuvor war Michal Kosinski stellvertretender Direktor des Psychometrics Center der
Universität Cambridge, Forscher bei Microsoft Research und Postdoc an der Stanford-Fakultät für Informatik. Mit seinen innovativen Denkansätzen und zahlreichen Projekten spielt Kosinski eine wichtige Rolle in der Onlineforschung und Verhaltensanalyse.Michal Kosinksi veröffentlichte zahlreiche Publikationen und erhielt Auszeichnungen wie den „Rising Star“ oder den „Open Innovation Award“. 2013 wurde er als einer der „Top 50 einflussreichsten Menschen in Big Data“ ausgezeichnet.