Der international erfolgreiche Künstler Erwin Wurm sprach beim ACADEMIA SUPERIOR-DIALOG mit Markus Hengstschläger darüber, wie man künstlerisches Talent erkennt und welche Bedeutung Kunst für die Gesellschaft hat.
„Wer vordenken und die Zukunft gestalten will, braucht manchmal einen Perspektivenwechsel. Kunst gibt uns die Möglichkeit dazu, neue Blickwinkel einzunehmen“, sagte LH-Stv. Mag. Christine Haberlander, Obfrau von ACADEMIA SUPERIOR, bei ihrer Begrüßung zum bereits 17. DIALOG im Linzer Schloss. Auch der Kulturreferent des Landes Oberösterreich, Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer, freute sich, den renommierten Künstler Erwin Wurm in Linz zu begrüßen zu können: „Wären wir nicht ein Kulturland, dann wären wir auch nicht so erfolgreich in anderen Bereichen. Wer über Lebensqualität und den Wirtschaftsstandort Oberösterreich reden will, muss eine breitere Perspektive einnehmen und auch die Kultur miteinbeziehen.“
Um diese verschiedenen Perspektiven ging es dann auch im DIALOG zwischen dem wissenschaftlichen Leiter der ACADEMIA SUPERIOR, Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger, und dem Künstler Prof. Mag. Erwin Wurm. Mit seinem vielfältigen Werk von Skulpturen, Zeichnungen, Fotografie und Performance hat er besonders für seine „One Minute Sculptures“ oder Arbeiten wie das „Narrow House“ und „Fat Car“ internationalen Ruhm erlangt. Seine Arbeiten stehen in über 90 der renommiertesten Museen weltweit und haben den Begriff der Skulptur nachhaltig verändert.
Kunst spricht die Sprache ihrer Zeit
Für Wurm spricht Kunst immer die Sprache ihrer eigenen Zeit und interpretiert sie parallel zur Gegenwart. „Aber das für die eigene Gegenwart zu verbalisieren ist extrem schwer. So etwas muss einem zufliegen“, erklärte der Künstler. „Meine Kunst ist immer auch Abbild einer Zeit. Mit dem Narrow House, das nur einen Meter breit ist, habe ich versucht, die Enge der restriktiven Gesellschaft, in der ich aufwuchs, darzustellen. Mit solchen Arbeiten versuche ich, eine gewisse Paradoxie zu zeigen und damit erzeugt man die Möglichkeit, anders auf die Welt schauen zu können.“ Im besten Fall soll seine Arbeit Vorstellungen und Erwartungen verändern, meinte Wurm und erklärte weiter: „Ich versuche mich ständig, weiter zu entwickeln. Ich muss mich jeden Tag bestätigen und gehe jeden Tag zur Arbeit, weil es mich erfüllt. Was sollte ich sonst tun? Wenn Leute anfangen, sich auszuruhen, geht es schnell bergab.“
Das Talent für Kunst zeigt sich durch das Gefühl für Spannung
Was er jungen Menschen, die Künstlerinnen und Künstler werden wollen, raten kann, wollte Markus Hengstschläger dann wissen. Wurm warnte als erstes: „Zuerst würde ich jede und jeden davor warnen, eine Künstlerkarriere anzustreben. Die Kunstbranche ist beinhart. Wenn man in die Kunst gehen will, muss man dazu bereit sein, zu 90 Prozent in einer prekären Situation zu leben. Nur sehr wenige können wirklich von ihrer Kunst leben. Man braucht Talent, Ausdauer, Kraft mit Kritik umgehen zu können und viel Erneuerungskraft, um wieder nach oben zu kommen, wenn man unten ist. Und das ist man oft. Denn selbst wenn man all das mitbringt, klappt es nicht immer“, sprach Wurm mit einem realistischen Blick auf die Kunstwelt aus eigener Erfahrung.
Sein Rat: „Als junge Künstlerin oder Künstler ist es wichtig, sich Partner zu suchen, mit denen man diskutieren kann, Dinge hinterfragen kann und sich gemeinsam intellektuell hochkämpft. Man muss sich die großen gesellschaftlichen Themen der Zeit, in der man lebt, ansehen und dazu arbeiten. Meine Beschäftigung mit dem Schlankheitswahn hat dann zu Arbeiten wie dem Fat House oder dem Fat Car geführt“.
„Die Jugend zu fördern ist gut, aber irgendwann muss auch Schluss sein“.
Auf die Frage von Markus Hengstschläger, ob man künstlerisches Talent erkennen kann, hatte Wurm, der selbst an der Hochschule gelehrt hat, eine klare Antwort: „Ja das kann man, aber Talent sieht anders aus, als viele denken. Künstlerisches Talent bedeutet nicht, dass man die Realität gut abbilden kann. Nur wer ein Gefühl dafür mitbringt, wie man mit seiner Arbeit Spannung aufbauen kann, die oder den nennt man talentiert, und nicht einfach nur die die gut zeichnen können“. Und Wurm betonte weiter: „Die Schülerinnen und Schüler die gut waren, die haben mich als Lehrer nicht gebraucht. Und die, die nicht gut sind, die hängen an einem wie nasse Wäsche. Aber es wird leider trotzdem nichts aus ihnen. Besonders Leute, die beratungsresistent sind, die werden nie nicht besser.“
Ob Österreich ein guter Standort für Künstlerinnen und Künstler ist, bejahte Wurm: „Ich könnte ja überall auf der Welt leben. Aber ich brauche die soziale Wärme, die es in Österreich gibt. In New York, wo ich zwei Jahre gelebt habe, ist man sehr schnell isoliert, und es gibt wenig Freundschaften, sondern fast nur Interessensgemeinschaften.“ Durchwegs kritisch bewertete Wurm öffentliche Subventionen der Kunstszene: „Ich glaube, Subventionen machen abhängig – vor allem politisch. Hilfe und Förderung ist gut, um junge Künstlerinnen und Künstler am Anfang zu unterstützen. Aber irgendwann muss man auch selbstständig werden. Ich würde es für ein besseres Förderungskonzept halten, wenn der Kauf oder die Förderung von Kunst steuerlich absetzbar wäre, so wie in Belgien.“
Trotzdem scheint es, als habe die Förderung von guter Kunst auch ihren Wert über die Kunst hinaus. „Gute Künstler in einer Sparte beflügeln gute Künstler in anderen Sparten. ‚Meisterschaft schafft Meisterschaft‘ heißt es“, bemerkte Wurm und bestätigte dadurch indirekt die oben erwähnte Aussage von Landeshauptmann Stelzer, dass Kunst auch ein integraler Bestandteil eines erfolgreichen Wirtschaftsstandortes sei. In dieselbe Kerbe schlug auch der Kooperationspartner des DIALOGS, die HYPO Oberösterreich, vertreten durch Generaldirektor Dr. Andreas Mitterlehner, der betonte: „Die HYPO OÖ hat sich als Landesbank auch zum Ziel gesetzt, Kunst und Kultur im Rahmen unserer Möglichkeiten bestmöglich zu unterstützen, weil wir davon überzeugt sind, dass sie einen Mehrwert für die Gesellschaft bringen.“