Jugendpartizipation, Demokratie und Social Media: Österreich und Oberösterreich

    Es herrscht vielfach die Mei­n­ung oder Wahrnehmung, dass sich junge Men­schen nicht mehr für The­men der Demokratie und Gesellschaft inter­essieren, dass sie sich nicht mehr engagieren bzw. involvieren, dass sich die Jugend von heute zunehmend „ausklinkt“. Acad­e­mia Supe­ri­or ist deshalb fol­gen­den Fra­gen nachgegangen:

    • Welche poli­tis­chen Ein­stel­lun­gen und Wahrnehmungen haben Jugendliche?
    • Wie beziehen sie ihre poli­tis­chen Informationen?
    • Wie engagieren sich Jugendliche poli­tisch und wie gehen sie mit Sozialen Medi­en im Kon­text von Poli­tik um?

    Die Studie wurde von Univ.-Prof. Dr. Rein­hard Heinisch und Dr. Anni­ka Wern­er vom Insti­tut für Poli­tik­wis­senschaft an Paris Lodron Uni­ver­sität Salzburg durchge­führt. Die Umfrage wurde durch das Mar­ketinsti­tut im April 2021 durchge­führt. Umfrage: 1.236 Befragte (davon eine Stich­probe mit 401 aus OÖ) im Alter von 16–27 Jahren. Von den Befragten Oberösterreicher:innen geben knapp 24% einen Migra­tionsh­in­ter­grund an.

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    Zusammenfassung der Ergebnisse

    Jugendliche und Politik

    Das zen­trale Ergeb­nis der Studie sind die aus­geprägten Zukun­ftssor­gen der Befragten. Besorgt, verärg­ert und wütend sind die häu­fig­sten Emo­tio­nen, die Jugendliche der Poli­tik all­ge­mein entgegenbringen.

    Ins­ge­samt gibt es zwis­chen den befragten Jugendlichen aus Oberöster­re­ich und denen aus dem Rest des Lan­des kaum größere Unter­schiede. Die Jugend in Oberöster­re­ich ist auf­grund der sozialen und wirtschaftlichen Struk­tur dieses Bun­des­lan­des ländlich­er und etwas kon­ser­v­a­tiv­er geprägt.

    Stark wird bemän­gelt, dass die Poli­tik zu wenig Rück­sicht auf die Inter­essen der Jugend nehme. Diese Aus­sage ist ins­beson­dere durch die Coro­n­avirus­pan­demie zum Zeit­punkt der Befra­gung geprägt. Aber auch der dro­hende Kli­mawan­del sowie Umweltschutzprob­lematiken spie­len für Jugendliche eine große Rolle und sie erwarten sich dahinge­hend mehr poli­tis­ches Engage­ment. Dies zeigt auch die Bew­er­tung der wichtig­sten poli­tis­chen The­men in Öster­re­ich, wo der Kli­mawan­del an erster Stelle rangiert.

    In der Umfrage zeigen sich auch gewis­sen Unter­schiede nach Geschlecht. So sind Frauen gegenüber neuen For­men des poli­tis­chen Aktivis­mus (z.B. Volks­begehren unter­stützen, Unter­schriftenkam­pag­nen, Pro­duk­t­boykotts) oder neuen The­men (Umwelt‑, Klima‑, Tier­schutz) ten­den­ziell aufgeschlossen­er als Män­ner, während Män­ner ver­gle­ich­sweise häu­figer tra­di­tionellen For­men poli­tis­ch­er Tätigkeit nachge­hen, wie dem Engage­ment in Parteien und Inter­essens­grup­pen. Auch tradieren junge Österreicher:innen noch klas­sis­che Geschlechter­rollen in dem Sinn, dass etwa nur halb so viele junge Frauen bere­it sind, selb­st für ein Amt oder eine poli­tis­che Funk­tion zu kandidieren.

    Ein Wun­sch nach mehr poli­tis­chen Bil­dungsange­bot oder mehr Zugang zu poli­tis­chen Aktiv­itäten ist nicht ein­deutig gegeben: einige Jugendliche engagieren sich stark und fordern mehr Ange­bot und Ein­bindung. Die große Mehrheit tritt nicht so auf.

    Es mag dadurch erscheinen, als wäre die Jugend in Öster­re­ich wenig poli­tisch engagiert, doch betra­chtet man die Beteili­gung der Jugendlichen in nicht nur poli­tis­chen, son­dern auch zivilge­sellschaftlichen Organ­i­sa­tio­nen und Vere­inen, so entste­ht ein deut­lich pos­i­tiveres Bild. Rund 60% der Jugendlichen sind in irgen­dein­er Form gesellschaftlich aktiv, sei es in Sportvere­inen, Frei­willigenor­gan­i­sa­tio­nen oder in Umweltschutz‑, Friedens- oder Traditionsbewegungen.

    Im von Indus­trie, aber auch Land­wirtschaft- geprägten Oberöster­re­ich fällt das höhere Engage­ment der Jugendlichen in Gew­erkschaften, Wirtschaft­skam­mern sowie Tra­di­tions- und Tra­cht­en­vere­inen auf. Ein neg­a­tiv­er Trend ist die große Skep­sis gegenüber poli­tis­chen Parteien beziehungsweise das gerin­gere Engage­ment der Jugendlichen, in diesen aktiv zu werden.

    Inter­es­san­ter­weise stechen in diesem Bere­ich junge Österreicher:innen mit Migra­tionsh­in­ter­grund als deut­lich aktiv­er her­vor. In anderen Bere­ichen des poli­tis­chen Engage­ments gibt es kaum Unter­schiede zwis­chen den Jugendlichen nach deren Geschlecht, Bil­dung oder Migrationshintergrund.

    Zwei weit­ere Aspek­te fall­en beson­ders auf: dass jene, die mit der Demokratie unzufrieden sind, deut­lich häu­figer angeben, sich poli­tisch zu engagieren, und dass Befragte mit eher linken als recht­en gesellschaft­spoli­tis­chen Ein­stel­lun­gen sich eben­falls häu­figer poli­tisch engagieren.

    Die Stu­di­en­au­toren schlussfol­gern: die Mehrheit der Jugend in Öster­re­ich ist gesellschafts-poli­tisch inter­essiert, aktiv und ver­fol­gt das poli­tis­che Geschehen aufmerksam.

    Umgang mit Medien

    Jugendliche nutzen soziale Medi­en – auch zu poli­tis­chen Zweck­en. In ihrer Wahrnehmung herrscht kein aus­ge­sproch­enes Medi­en­mis­strauen und die Befragten zeigten sich bei Sozialen Medi­en als ten­den­ziell unkri­tisch. Damit ein­her geht auch eine eher durch­schnit­tliche Medi­enkom­pe­tenz der Jugendlichen. Sie ist wed­er bedrohlich niedrig noch aus­ge­sprochen hoch, doch zeigt dies einen (schulpoli­tis­chen) Verbesserungs­be­darf auf.

    Jugendliche, die poli­tisch aufmerk­sam sind und aus besseren sozialen Ver­hält­nis­sen stam­men, sind auch eher online poli­tisch aktiv. Dafür ver­ant­wortlich sind ver­mut­lich der bessere Zugang zu Bil­dung sowie die poli­tis­che Sozial­i­sa­tion in sozial bess­er gestell­ten Fam­i­lien. Demge­genüber sind Jugendliche mit besser­er Medi­enkom­pe­tenz weniger poli­tisch online aktiv, ver­mut­lich, weil sie die neg­a­tiv­en Kon­se­quen­zen oder die Auswirkun­gen fehlen­der Kon­trolle in Social Media bess­er ver­ste­hen. Als generell förder­lich für die poli­tis­che Aktiv­ität, ob online oder offline, erweisen sich eine link­ere sozialpoli­tis­che Ein­stel­lung der Jugendlichen sowie deren bere­its beste­hende poli­tis­che Par­tizipa­tion, beispiel­sweise in der Schulpolitik.

    Die Stu­di­en­au­toren schließen daraus, dass die öster­re­ichis­che Jugend zwar in gewis­sen Maßen in ihrer Medi­enkom­pe­tenz Aufholbe­darf hat, jedoch poli­tisch online dur­chaus engagiert ist. Die Jugendlichen sind nicht über­aus unin­ter­essiert und trauen sich auch, meist jedoch pas­siv, sich aktiv online poli­tisch sich zu engagieren.