Die „Vermessung der Zukunft“ durch künstliche Intelligenz und digitale Technologien stand im Mittelpunkt des 9. Surprise Factors-Symposiums von ACADEMIA SUPERIOR. Die eingeladenen Expertinnen und Experten diskutierten über die Risiken und auch Chancen der technologischen Entwicklungen und Nutzung von Daten, die als digitaler Fußabdruck im Internet hinterlassen werden. Die Ergebnisse wurden beim PLENUM mit mehr als 700 Besucherinnen und Besuchern im Kongresszentrum Toscana präsentiert.
„Wir freuen uns, dass wir als Hauptreferenten unseres diesjährigen Symposiums den Psychologen und Datenwissenschafter Michal Kosinski gewinnen konnte, der in einem aufsehenerregenden Artikel mit dem Titel ‚Ich habe zur gezeigt, dass die Bombe existiert‘ aufgezeigt hat, dass mit den heutigen Möglichkeiten der Datenanalyse das Verhalten von Menschen nicht nur vorhergesagt, sondern auch beeinflusst werden kann. Das hat sich dann bei der letzten US-Präsidentenwahl und der Brexit-Abstimmung, die beide einen völlig anderen Ausgang genommen haben als erwartet, auch tatsächlich gezeigt“, betonte Obmann Dr. Michael Strugl in seiner Rede. „Es ist eine höchst dramatische Entwicklung, dass die Ergebnisse der Analyse des Verhaltens der Menschen in den sozialen Medien nicht nur für kommerzielle Zwecke genutzt werden, sondern auch dazu, um politische Entscheidungen zu beeinflussen“, so Strugl.
Mensch oder Maschine?
„Es geht nicht darum, wer ist stärker oder klüger, die Maschine oder der Mensch, sondern darum, wie können wir Technologien nutzen, um die Zukunft positiv zu gestalten. Und hier soll auch Oberösterreich aktiv mitwirken, daher ist es gut, dass nun ein neues Studium für Künstliche Intelligenz an der Johannes Kepler Universität Linz geschaffen ist, das sich auch mit Forschung in diesem Bereich befasst“, unterstrich Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer in seiner Rede. „Ich bin sehr dafür, dass wir auch in Oberösterreich diese faszinierenden Technologien nutzen und weiterentwickeln, dass wir künstliche und menschliche Intelligenz zusammenführen, um auf diese Weise die künftigen Herausforderungen zu bewältigen“, so Stelzer weiter.
Privatsphäre ist ein Auslaufmodell
Seine provokante These, die Privatsphäre sei ein Auslaufmodell, untermauerte Prof. Michal Kosinski mit konkreten Fakten: „Wir alle hinterlassen mit unseren Aktivitäten im Internet einen digitalen Fußabdruck, bereits im Jahr 2012 hatte ein Einzelner eine Datenmenge von 500 Megabyte erzeugt – pro Tag. Und laut Prognosen werden es 2025 bereits 62 Gigabyte pro Tag sein. Und es bedarf bereits nur noch 250 Likes auf Facebook, damit ein Algorithmus einen Menschen genauso gut einschätzen kann wie dessen Lebenspartner/in“, erläuterte Kosinski.
„Auch ich mache mir Sorgen um Missbrauch der Daten, aber ich bin überzeugt, dass 99,9 % der Algorithmen positiv genutzt werden, um den Menschen zu helfen. Daher bin ich dafür, dass wir akzeptieren, dass Privatsphäre Vergangenheit ist und wir uns mehr darauf konzentrieren, die Risiken zu minimieren und den Nutzen zu maximieren“, betonte Kosinski und fügte hinzu: “Nur wenn wir die Realität akzeptieren, können wir über die notwendige Politik diskutieren”.
Privatsphäre ist eine Illusion. Desto eher man die Realität akzeptiert, desto eher kann man sinnvoll über die notwendige Politik reden. – Michal Kosinski
In der folgenden Runde diskutierten die Journalistin und Digitalisierungskritikerin Susanne Gaschke, die Roboterforscherin und ‑designerin Nadia Thalmann, die einen sozialen Roboter namens Nadine nach dem Ebenbild von ihr und ihren Töchtern geschaffen hat, der auch zu emotionalem Verhalten fähig ist, sowie der Genetiker und Wissenschaftlichen Leiter von ACADEMIA SUPERIOR Markus Hengstschläger unter der Moderation von Melinda Crane.
Mehr Technologiefolgen-Abschätzung nötig
Die deutsche Journalistin Susanne Gaschke warnte vor „digitaler Verdummung“ und plädierte für intensive „Technologiefolgen-Abschätzung“, um die Risiken der Digitalisierung zu vermindern: „Wir nutzen die digitalen Möglichkeiten vielfach auch aus reiner Bequemlichkeit, ohne deren negativen Auswirkungen ausreichend zu bedenken: Der Online-Handel lässt die Innenstädte veröden und erhöht die Verkehrsproblematik und die gewaltigen Datenmengen erfordern immer höhere Speicherkapazitäten mit entsprechendem Strombedarf“, so Gaschke.
Ethische Regeln für Roboter
Roboterforscherin und ‑designerin Nadia Thalmann betonte, dass es auch für Roboter Regeln geben müsse, die deren Verhalten steuern: „Auch wenn Roboter nie wirklich fühlen, sondern Emotionen immer nur simulieren können werden, müssen wir doch in deren Software Grenzen für deren Verhalten verankern“, plädierte Thalmann.
Technischen Fortschritt auch abbremsen
Markus Hengstschläger, Wissenschaftlicher Leiter von ACADEMIA SUPERIOR, sprach sich dafür aus, dass der Mensch nicht alles, was technisch oder wissenschaftlich möglich sei, auch tatsächlich umsetzen sollte. „Es liegt auch an der Politik, die technologische Entwicklung so zu entschleunigen, dass der Mensch noch mitkommt“, unterstrich Hengstschläger.
Christine Haberlander neue Obfrau von ACADEMIA SUPERIOR
Nach seinem Wechsel von der Politik in die Privatwirtschaft übergab Michael Strugl nun auch den Vorsitze des von ihm gemeinsam mit Markus Hengstschläger gegründeten Think Tanks ACADEMIA SUPERIOR an LH-Stv. Mag. Christine Haberlander. „Ich freue mich schon auf diese neue Aufgabe und lade alle dazu ein, mit uns die Zukunft ein Stück weiterzuentwickeln“, meinte Neo-Obfrau Haberlander in ihrer ersten Rede in der neuen Funktion.
SURPRISE FACTORS SYMPOSIUM
Im mehrtägigen SYMPOSIUM wurde in Expert*innengesprächen über neue Ideen und Empfehlungen diskutiert. Zu den Inhalten und Videos des SYMPOSIUMS >SURPRISE FACTORS REPORT
Die Ergebnisse und Ideen des Symposiums werden in den nächsten Wochen im SURPRISE FACTORS REPORT schriftlich verdichtet. Zu den Reports der letzten Jahre >
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