Die Frage, wie sich der Wirtschaftsstandort Oberösterreich international noch besser positionieren kann, stand im Mittelpunkt eines gemeinsam von ACADEMIA SUPERIOR und der OÖ Industriellenvereinigung veranstalteten Dialoggesprächs.
Für Oberösterreichs Wirtschaft ist der Grad der internationalen Verflechtung von zentraler Bedeutung: Dies wird vor allem auch an der Eigentümerstruktur der Industriebetriebe sichtbar. Von den 250 größten Unternehmen Oberösterreichs sind 69 Betriebe mit 100.000 Beschäftigten mehrheitlich in ausländischem Eigentum. Die 100 umsatzstärksten Firmen betreiben über 1.700 Auslandsniederlassungen in 82 Ländern. Heimische Unternehmen gründen heute längst nicht mehr nur in Mittel- und Osteuropa ihre Dependancen, sondern vermehrt auch in Amerika, Indien und im Fernen Osten.
Internationalisierung ist für Oberösterreichs Wirtschaft Existenzfrage
Diese vermehrte internationale Einbettung der oö. Wirtschaft ist für Dr. Axel Greiner, Präsident der oberösterreichischen Industriellenvereinigung, ein zweischneidiges Schwert: „Einerseits müssen die Unternehmen internationale Chancen nützen, weil Erfolg auf globalen Wachstumsmärkten die beste Zukunftsversicherung ist, andererseits nimmt der Wettbewerbsdruck auf den heimischen Produktionsstandort weiter zu”, so Greiner.
Für den Obmann von ACADEMIA SUPERIOR, Dr. Michael Strugl, ist die Stärkung der internationalen Ausrichtung sogar eine existenzielle Frage für den Wirtschaftsstandort OÖ. Denn Oberösterreich ist nicht nur das Bundesland mit der höchsten Industriequote, sondern auch mit der höchsten Exportquote.
„Der Erfolg der oberösterreichischen Industrie — und damit unser aller Wohlstand — wäre ohne internationale Kooperation nicht denkbar.” – Michael Strugl
Daher wurde von ACADEMIA SUPERIOR bereits 2012 ein Perspektivenpapier zur internationalen Ausrichtung der oö. Wirtschaft erstellt: Zentrale Punkte sind die Forcierung der Zusammenarbeit von oö. Leitbetrieben und KMU im Hinblick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit, die Fokussierung auf strategisch wichtige Zielmärkte und Partnerregionen, eine leistungsfähige international ausgerichtete Infrastruktur sowie das Aufgreifen aktueller Entwicklungen in der Betriebsansiedlung, etwa die aktive Positionierung als Standort für technologieorientierte Dienstleistungen.
Weiters vermehrte Bemühungen in den Bereichen Bildung und Qualifizierung sowie die Steigerung der Attraktivität Oberösterreichs für internationale Spitzenkräfte und das „Halten” von ausländischen Studierenden durch attraktive Jobs in der oö. Wirtschaft. Auch Forschung und Entwicklung müssen noch stärker internationalisiert werden, etwa durch die stärkere Beteiligung an internationalen Forschungskooperationen und Forschungsprogrammen. Wesentlich ist auch das stärkere Sichtbarmachen des Wirtschafts- und Innovationsstandortes OÖ in Fachkreisen, etwa durch aktive Beteiligung an europäischen Modellvorhaben.
Ein Bild über die Wettbewerbsfähigkeit Oberösterreichs im europäischen Vergleich lieferte eine RCI-Studie aus dem Jahr 2013 in welcher die 262 europäischen NUTS-2-Regionen analysiert wurden. Oberösterreich lag darin auf dem Platz 104. Dieser Vergleich ist jedoch Aufgrund der großen strukturellen Unterschiede der europäischen Regionen zu grob um aussagekräftig zu sein. Deshalb wurden die Regionen durch Einzug von drei Kriterien eingeschränkt auf Regionen mit mindestens 20 Prozent Industriequote, einem Bruttoregionalprodukt pro Kopf von 13.000 € und einer maximalen Bevölkerungsdichte von 500 Einwohner pro km². Unter den dann noch verblieben 82 Regionen belegte Oberösterreich den 49. Platz. Unter den Top-20 industriellen Flächenregionen lagen zehn in Deutschland, vier in Holland, drei in Belgien und jeweils eine in Finnland, England und Schweden.
Die Studie zeigte einige Schwächen des Oberösterreichischen Standortes auf, welche auch für die internationale Ausrichtung von Bedeutung sind: es zeigten sich mangelnde Grundkulturkompetenzen der Schülerinnen und Schüler, ein ausgeprägter Technikermangel, eine zu kleine technische Hochschulinfrastruktur sowie ein fehlender flächendeckender Internet-Breitbandzugang.
Verwaltung und Unternehmen müssen noch viel lernen
Konkrete Vorschläge dazu brachte Betriebswirtschaftsprofessor Dr. Robert Bauer von der Linzer Johannes-Kepler Universität. Einer der zentralen Punkte sei das Sprachenproblem — und „hier könne eine Region schon etwas unternehmen”, betonte Bauer. So wäre es leicht umsetzbar, Anzeigen und Informationstafeln in Zügen und Straßenbahnen auch auf Englisch auszuführen und mehr zweisprachige Websites und Broschüren von Seiten der Verwaltung anzubieten. Aber auch Firmen müssen noch lernen, dass, wenn sie eine ausländische Fachkraft langfristig an ihr Unternehmen binden wollen, sie auch die ganze Familie in ihre Überlegungen einbinden müssen.
„Der bestbezahlteste Techniker wird nicht im Land bleiben, wenn seine Frau und Kinder nicht glücklich sind.” – Robert Bauer
Nicht alles so schlecht wie oft dargestellt
Positiv bewertete DI Helmut Wieser, der neue Vorstandsvorsitzende des heimischen Aluminiumproduzenten AMAG — einem Unternehmen mit 1.570 Mitarbeitern und 786 Mio. € Jahresumsatz — den Standort Österreich: Er sei im Vergleich zu vielen anderen Orten durch seine relativ stabile und auch unternehmensfreundliche Rechtslage attraktiv. „Die heimischen Hochschulen produzieren exzellente Fachkräfte und die österreichische Mentalität ist im internationalen Vergleich weltoffener und leistungsorientierter, als viele in Österreich glauben”, betonte Wieser auf. Probleme bestehen laut Wieser vor allem in den Bereichen der Kinderbetreuungsinfrastruktur und der Arbeitszeitflexibilisierung.