Die passenden Innovationskulturen für die Herausforderungen der Zukunft schaffen
2011 erschien unsere Studie „Erfolgsfaktor Innovationskultur — das Innovationsmanagement der Zukunft”. Für diese Studie haben wir knapp 200 Ideen- und Innovationsmanager, Verantwortliche aus den Bereichen Business, Development und Produktentwicklung sowie zahlreiche Vorstände und Geschäftsführer von Unternehmen aus insgesamt 13 Branchen befragt. Drei Jahre später erschien mit der Aktualisierung der Ergebnisse die neue Studie „Innolytics® — Innovationsmanagement weiter denken”. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse, die Praxiserfahrung aus knapp 50 Innovationsprojekten der Ideeologen und die Resultate aus persönlichen Tiefeninterviews bestätigen die Ergebnisse von 2011 und fließen in die aktuelle Studie ein.
Durch die Studie wurde deutlich, dass verschiedene Innovationskulturen es Unternehmen erlauben, unterschiedliche Innovationsprojekte mit unterschiedlichen Innovationsgraden und einer unterschiedlichen Innovationsgeschwindigkeit parallel voranzutreiben. Vier unterschiedliche Typen von Innovationskulturen konnten wir identifizieren — mit verschiedenen Stärken und Fähigkeiten.
Proaktive Innovatoren
An vielen Stellen im Unternehmen entstehen neue Projekte. Sie werden aktiv vorangetrieben.
Knapp 21 % aller Unternehmen konnten wir als proaktive Innovatoren identifizieren. Sie treiben Innovation durch enormen Einsatz in allen Bereichen voran. Sie haben eine Innovationskultur mit ambitionierten strategischen Zielen etabliert, arbeiten mit Hochdruck an neuen Ideen und zeichnen sich durch ein enormes Maß an Proaktivität aus: An vielen Stellen im Unternehmen entstehen neue Ideen, die schnell zu experimentellen Projekten weitergetrieben werden. Der offene Ideenaustausch zwischen Abteilungen sorgt dafür, dass Projekte aus unterschiedlichen Bereichen schnell zusammenfließen und gemeinsam weiterentwickelt werden, dass schnell auf neue Markterfordernisse reagiert wird und dass Projekte mit mäßigen Erfolgsaussichten schnell beendet werden. Innovationsprojekte zu beenden wird nicht als Scheitern angesehen, sondern als Lernerfolg. Die Erkenntnisse aus einem Projekt ermöglichen häufig erst das nächste. Die starke Dynamik, die dadurch entsteht, erlaubt es proaktiven Innovatoren, Innovation sehr schnell voranzutreiben und höhere Innovationsgrade anzustreben.
Strategische Innovatoren
Das Topmanagement ist der Haupttreiber von Innovation, Mitarbeiter und Führungskräfte setzen um.
Rund ein Viertel der Unternehmen gehört zu den „strategischen Innovatoren”. Sie verfolgen ambitionierte strategische Ziele, doch die Kultur ist nur darauf ausgerichtet, zu reagieren: entweder auf Marktanforderungen oder aber auf Anordnungen der Geschäftsleitung. Proaktives Verhalten von Mitarbeitern sowie eine kreativitätsfördernde Kultur spielen im Vergleich zu proaktiven Innovatoren eine untergeordnete Rolle. Unternehmen mit einer solchen Innovationskultur sind — wenn sie handeln — sehr effektiv. Aber bis sie handeln, dauert es mitunter lange. Gerade in Branchen, in denen Geschwindigkeit wichtig ist, werden diese Unternehmen schnell von innovativeren Mitbewerbern abgehängt. Zudem laufen strategische Innovatoren ständig Gefahr, die eigenen hoch gesteckten Ziele nicht zu erreichen, weil sie von der Wahrnehmung einiger weniger abhängen. Sie sind darauf angewiesen, dass die Führung die richtigen Maßnahmen erkennt und die Innovationsstrategie darauf ausrichtet. Fehlt der Führung die visionäre Kraft oder schätzt sie die Märkte der Zukunft falsch ein, droht die Gefahr, dass strategische Innovatoren im Innovationswettbewerb dauerhaft unterliegen.
Innovative Optimierer
Starke Fähigkeiten im Management von Innovationsroutine, starke Prozessorientierung
Knapp 36 % der Unternehmen gehören zu einer Gruppe, die wir als „innovative Optimierer” bezeichnet haben. Ihre Kultur ist in erster Linie darauf ausgerichtet, das Bestehende zu optimieren und zu perfektionieren, neue Funktionen zu bestehenden Produkten hinzuzufügen oder Produktlinien zu erweitern. Innovative Optimierer treiben Neues voran, jedoch fehlen ihnen die weitreichenden strategischen Visionen, die beispielsweise proaktive Innovatoren auszeichnen. Sie haben Prozesse etabliert, mit denen sie Innovationsroutine managen. Für hochvisionäre Ideen und Innovationsprojekte ist diese Innovationskultur nicht ausgelegt. Dafür hat sie andere Qualitäten, die proaktiven Innovatoren mitunter fehlen: ein hohes Bewusstsein für Details, ausgeprägte Qualitätsprozesse und eine klare Orientierung auf bestehende Märkte. Es ist wichtig, zu verstehen, dass eine Kultur des innovativen Optimierens nicht automatisch negativ ist, nur weil Messwerte niedriger sind. Innovative Optimierer sind vielfach Weltmarktführer in ihrem Segment. Das Innovationsmanagement muss die Stärken dieser Kultur erkennen und gleichzeitig ihre Grenzen akzeptieren: Sobald weitreichendere Innovation innerhalb dieser Kultur versucht wird, ist sie nur mit erheblichen Ressourcen und Kraftanstrengungen zu bewältigen.
Operative Innovatoren
Ausrichtung auf das Tagesgeschäft, Innovation geschieht nebenbei
Knapp 16 % der Unternehmen sind sog. „operative Innovatoren”. Bei ihnen gilt es vor allem, das operative Geschäft voranzutreiben. Innovation ist — wenn sie stattfindet — beinahe ein Nebenprodukt. Es gibt Mitarbeiter und Teams, die Ideen entwickeln — meistens jedoch in ihrem Wirkungsbereich. Dieser Innovationstyp schöpft das kreative Potenzial seiner Mitarbeiter nicht aus — nicht, weil es nicht vorhanden ist, sondern weil operative Ziele so konsequent verfolgt werden, dass wenig Raum für Innovation bleibt. Innovation geschieht in diesen Unternehmen nicht aufgrund, sondern trotz der Kultur.
Auch dies muss nicht automatisch negativ sein. Der Geschäftsführer eines britischen Kosmetikunternehmens, mit dem wir Anfang 2013 zusammengearbeitet haben, hat diesbezüglich eine klare Philosophie: „No innovation!”. Er hat seine Produktionsstätten so effizient organisiert, dass Innovationsprojekte außerhalb von inkrementellen Verbesserungen nur stören würden. Neuentwicklungen treibt dieses Unternehmen konsequent in einer zweiten Firma voran, die wenige Kilometer weiter etabliert wurde.
Die eigenen Stärken erkennen und nutzen
Ein wichtiger Bestandteil eines Innovationsmanagements, das weiter denkt, ist: Strategien zu entwickeln, die zu den Fähigkeiten der eigenen Innovationskultur passen. Durch eine fundierte Analyse der Innovationskultur werden die Rahmenbedingungen transparent gemacht, unter denen Innovation im Unternehmen umgesetzt wird. Die Analyse dieser Informationen unterstützt das Management dabei, effektive Umsetzungsstrategien zu entwickeln, und die Innovationskultur im Unternehmen zu verankern, die zum Unternehmen passt.
Seit dem Erscheinen der ersten Studie vor vier Jahren haben wir mit etwa 50 Unternehmen aus unterschiedlichsten Branchen zusammen gearbeitet. Quer durch alle Bereiche zeigt sich ein einheitliches Bild: Der radikale Paradigmenwechsel, den wir 2011 bereits beschrieben haben, ist tägliche Realität. Waren Innovationszyklen früher langsam, planbar und — mit einer gewissen Sicherheit sogar vorhersehbar, bietet sich heute ein radikal anderes Bild. Der Druck der Märkte wächst. Der internationale Wettbewerb um Innovation Leadership hat sich in den vergangenen Jahren verschärft. Das Bestehende durch Innovation weiter zu optimieren, genügt in vielen Fällen nicht mehr. Unternehmen müssen Innovationen schneller und vor allem radikaler vorantreiben: Kundenbedürfnisse der Zukunft erkennen und neue Märkte schaffen. Dazu müssen Unternehmensstrukturen und Innovationskulturen geschaffen werden, die dieser wachsenden Marktdynamik proaktiv und gestaltend begegnen.
Zum Autor
Dr. Jens-Uwe Meyer, Geschäftsführer der Innolytics GmbH und der Ideeologen Gesellschaft für neue Ideen mbH, gehört zu Deutschlands profiliertesten Vordenkern für Innovation. In mehr als zehn Jahren hat er weit über hundert Unternehmen — darunter namhafte DAX-30-Unternehmen und internationale Konzerne — in der Entwicklung ihrer Innovationsfähigkeit beraten. Er ist Autor von acht Büchern und mehr als fünfzig Fachartikeln zum Thema. Dr. Jens-Uwe Meyer hat einen MBA und promovierte an der Leipzig Graduate School of Management über die Innovationsfähigkeit von Unternehmen. Er leitet einen der innovativsten Studiengänge in Deutschland: Den „Master of Management and Innovation” am Steinbeis SMI in Berlin. Dort unterrichtet er Manager im MBA-Studium in neuen Führungstechniken und Unternehmensstrukturen. Den von ihm entwickelten Managementansatz Innolytics® stellte er im Oktober 2014 auf der führenden wissenschaftlichen Innovationsmanagement-Konferenz ISPIM in Montreal vor.
Mehr Informationen über die Studie finden Sie unter www.innolytics.de