Während viele Branchen unter der Corona-Pandemie leiden, geht die Fahrradindustrie als einer der großen Gewinner hervor. Insbesondere der Markt von E‑Bikes profitierte von den veränderten Freizeitgewohnheiten der Konsument*innen. Die Gründe hierfür liegen im gesteigerten Umwelt- und Gesundheitsbewusstsein und den Vorzügen von Individualverkehr und ‑sport in Pandemiezeiten.
Der Verkauf boomt
Deloitte untersuchte den E‑Bike-Markt in der DACH-Region mithilfe einer Umfrage, an der 11.250 Personen teilnahmen. Als Referenz dienten die traditionellen Fahrradnationen Belgien und die Niederlande. In Österreich sind über 40% aller verkauften Räder mittlerweile E‑Bikes. Damit liegt es vor Deutschland mit 39% und der Schweiz mit 34% an der ersten Stelle in der DACH-Region. Spitzenreiter bleiben jedoch klar die Niederlande, wo jedes zweite verkaufte Rad einen Elektroantrieb besitzt. Knapp jede*r Fünfte kann in Österreich ein E‑Bike sein Eigen nennen (18%), ein ähnliches Niveau haben hier Deutschland (17%) und die Schweiz (21%). Demgegenüber besitzt in den Niederlanden schon fast ein Drittel der Bevölkerung ein Fahrrad mit Elektrounterstützung.
Für die zweite Hälfte dieses Jahrzehnts wird erwartet, dass in der EU die Zahl der verkauften E‑Bikes, die der herkömmlichen Fahrräder übersteigen wird. (1)
Fahrräder mit und ohne Elektroantrieb konnten 2020 in Europa und Großbritannien bei gesamt 22 Millionenverkauften Rädern einen Umsatz von 18,3 Milliarden Euro generieren, was ein Allzeithoch bedeutet. (2) Für das Jahr 2030 werden Verkaufszahlen von 30 Millionen Räder pro Jahr prognostiziert, wobei 17 Millionen davon E‑Bikes sein sollen, im Jahr 2019 waren es noch 3,7 Millionen. (3) Bei KTM machen E‑Bikes schon 75% des Umsatzes aus, man verspricht sich für die kommenden Jahre noch deutliche Wachstumsraten. Erst ab 2023 erwartet man sich eine erste Marktsättigung. Dies wirkt sich auch positiv auf den Umsatz aus, welcher von 350 Millionen im Vorjahr, auf 500 Millionen heuer und prognostizierte 630 Millionen im kommenden Jahr steigt. Auch der Anstieg der produzierten E‑Bikes in absoluten Zahlen ist beeindruckend. Während bei KTM 2008 nur 1.000 Elektrobikes produziert wurden, waren es im vergangenen Jahr 160.000, 240.000 im heurigen Jahr und 290.000 im nächsten. (4)
Beweggründe für ein E‑Bike
Bei den angegebenen Gründen, sich ein Rad mit elektronischer Hilfe anzuschaffen, divergieren die Länder der DACH-Region und die Niederlande. Die Hauptargumente für den Kauf eines E‑Bikes sind zwar dieselben, in der Priorisierung unterscheiden sie sich jedoch voneinander. In Deutschland stehen Freizeit und Erholung an erster Stelle, in der Schweiz hat der Arbeitsweg große Bedeutung, während in Österreich das E‑Bike vor allem für sportliche Zwecke angeschafft wird. Dieses Argument ist in Belgien und den Niederlanden von äußerst geringer Bedeutung. (1)
Ein weiterer Aspekt des E‑Bike Booms, der zurzeit in Österreich noch keine große Rolle spielt, ist das Dienstrad. Neben steuerlichen Vorteilen und einer zusätzlichen Förderung, steht vor allem der Gedanke der Nachhaltigkeit und der Gesundheit beim Thema Dienstrad an erster Stelle. Während in Großbritannien und Irland über 10% der E‑Bikes Dienst-Leasing-Räder sind, liegt in Österreich der Wert bei 3%. Für 18% der Österreicher*innen wäre die Bewältigung des Arbeitswegs ein Kaufgrund. Auch hier ist also noch Potenzial gegeben. (4)
Anforderungen an das E‑Bike
Die unterschiedliche Motivation hinter dem Kauf eines E‑Bikes spiegelt sich auch an den Anforderungen an das Rad selbst wider. Trekkingfahrräder mit elektronischem Antrieb machen zwar noch den größten Teil des Umsatzes aus, in Österreich finden aber auch E‑Mountainbikes im oberen Preissegment viele Abnehmer*innen. Dies dürfte mit der stärkeren Verankerung des Mountainbikesports im Vergleich zu den Niederlanden und Belgien und der Geografie des Alpenlandes zusammenhängen. Doch selbst Rennräder und Gravelbikes werden mittlerweile mit elektronischer Unterstützung angeboten. Lastenräder mit E‑Antrieb komplettieren das volle E‑Rad Spektrum und erfreuten sich immer größerer Beliebtheit. E‑Fahrräder sind zudem Lifestyleprodukt und Statussymbol. Dies erklärt auch den Einstieg von Unternehmen wie Porsche, Harley-Davidson und Pierer Mobility in diesem Marktsegment.
Aufschwung könnte gebremst werden
Bremsen könnte dieses Wachstum eine anhaltende Verzögerung im Zulieferungsbereich, der unter anderem durch einen Rohstoffmangel begründet ist. Zurzeit wartet man auf die Lieferung eines E‑Bikes bis zu einem halben Jahr. Durch die stetig hohe Nachfrage wird sich dies auch bei den Verkaufspreisen bemerkbar machen. Besonders lang ist die Lieferzeit bei Bremsen und Bereifung, was sie auch negativ auf das Service- und Reparaturgeschäft auswirkt. Mit einer Entspannung wird erst in zwei Jahren gerechnet. (5)
Doch der E‑Bike Boom bringt auch negative Seiten mit sich. Während bei anderen Fortbewegungsarten die Zahl der im Verkehr Verletzten, stagniert und 2020 stark zurückgegangen ist, ist bei Verletzungen bei Fahrradfahrer*innen ein gegenläufiger Trend zu beobachten. Für die jüngste Vergangenheit ist das wohl auch auf das veränderte Mobilitätsverhalten während der Lockdowns zurückzuführen. Betrachtet man jedoch die letzten 10 Jahre, zeigt sich eine Steigerung von knapp 40% an Verkehrsteilnehmer*innen, welche am Fahrrad verletzt wurden. Die Zahl der Todesopfer nimmt im Beobachtungszeitraum von 10 Jahren insgesamt ab, bei den Fahrradfahrern bleibt sie konstant.(6)
Quellen:
(1) Karsten Hollasch, Stefan Ludwig: Consumer Sector Briefing: E‑Bikes auf der Überholspur. Deloitte 2021.
(2) Confederation of the European Bicycle Industry: European Bicycle Industry Booming. 2020 European Bicycle Industry and Market Profile Report. 12.07.2021.
(3) Cycling industries Europe: New european cycling industry forecast shows huge growth in bike and e‑bike sales. 02.12.2020.
(4) Klaus Schobesberger: Das Rad neu erfinden. Chefinfo. März 2021, 30.
(5) red, salzburg.ORF.at, E‑Bikes: Kaum Nachschub und Ersatzteilmangel. ORF Salzburg. 29.08.2021.
(6) STATISTIK AUSTRIA: Statistik der Straßenverkehrsunfälle. 12.05.2021.