Die Arbeitswelt hat großen Einfluss auf die Gesundheit der Bevölkerung. Betriebe können ihre Beschäftigten unterstützen, ihren Arbeitsweg mit dem Rad, zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurück zu legen.
Etwa jede vierte zurückgelegte Strecke in Österreich ist ein Arbeitsweg. Derzeit fährt die Mehrheit der Beschäftigten mit dem Auto zur Arbeit. Je nach Bundesland kommen nur 10 bis 25 Prozent der Beschäftigten mit dem Fahrrad oder zu Fuß zur Arbeit. Dabei sind 38 Prozent der Arbeitswege in Österreich kürzer als fünf Kilometer, mehr als die Hälfte kürzer als zehn Kilometer. Damit ist ein großer Teil der Arbeitswege in Radfahrdistanz.
Bewegungsmangel kann zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes führen. Der Arbeitsweg ist eine gute Möglichkeit, auf die tägliche Portion gesunde Bewegung zu kommen.
Bewegungsaktive Mobilität stärkt Gesundheit
In Europa sterben laut Weltgesundheitsorganisation WHO jährlich 600.000 Menschen an den Folgen körperlicher Inaktivität. Das Risiko für Herzinfarkt oder Schlaganfall kann durch regelmäßige Bewegung vermindert und manchen Krebsformen, wie Darm- und Brustkrebs, vorgebeugt werden. Möglichen Folgen von Bewegungsmangel wie Diabetes Typ 2 oder Übergewicht kann durch Gehen und Radfahren aktiv entgegengewirkt werden. Durch regelmäßige Bewegung sinkt das Stressniveau und steigt die Leistungsfähigkeit. Aktive Mobilität wirkt sich somit positiv auf die Lebensqualität aus.
In Tirol und Vorarlberg wird jeder vierte Arbeitsweg zu Fuß oder per Fahrrad zurückgelegt. Der Anteil von gesunder Mobilität ist hier höher als in anderen Bundesländern. Aber selbst hier wird das Potenzial für gesunde Mobilität am Arbeitsweg bei weitem nicht ausgeschöpft. In Vorarlberg und Tirol sind fast die Hälfte der Arbeitswege kürzer als fünf Kilometer.
Radfahren zur Arbeit hält gesund und fit
Erwachsenen wird empfohlen, sich pro Woche mindestens zweieinhalb Stunden mit mittlerer Intensität zu bewegen, wie etwa bei zügigem Gehen oder gemütlichem Radfahren. Radfahren erhöht das Leistungsvermögen und führt zu einer Steigerung der Konzentration. Beschäftigte, die regelmäßig zur Arbeit radfahren, sind im Schnitt um 1,3 Tage pro Jahr weniger im Krankenstand als nichtradelnde Kolleginnen und Kollegen.
Bewegungsaktive Mobilität zur Arbeit fördern
Wie Beschäftigte zur Arbeit kommen, hängt vom Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln, von der Qualität der Rad-Infrastruktur und von der Länge des Arbeitswegs ab. Entscheidend sind aber auch Faktoren, die das Unternehmen beeinflusst. Stellt das Unternehmen den Beschäftigten ein Jobticket für den Öffentlichen Verkehr zur Verfügung? Gibt es ausreichend wettergeschützte Abstellplätze für Fahrräder? Sind Duschen vorhanden? Oder wird das Autofahren durch privat nutzbare Firmenwagen und kostenlose Pkw-Parkplätze gefördert?
Wie Unternehmen Verantwortung für den Arbeitsweg übernehmen können
Firmeninterne Wettbewerbe (mittels Schrittzähler, Teilnahme an Charity-Veranstaltungen), Radausflüge, regelmäßiges Radservice am Firmengelände und andere Anreize können den Anteil der Beschäftigen, die am Arbeitsweg Bewegung machen, erhöhen.
Einen zusätzlichen Anreiz kann das Unternehmen durch Kilometergeld für Dienstwege zu Fuß oder mit dem Fahrrad setzen. Dienstfahrräder können auch außerhalb der Arbeit genutzt werden, ohne dass diese als Sachbezug zu versteuern sind.
Was Betriebe für gesunde Arbeitswege tun
ZumtobelLighting fördert gesunde Mobilität zur Arbeit mit wettergeschützten Fahrradabstellanlagen, Lademöglichkeiten für Elektro-Fahrräder und bietet für den Werkverkehr (Elektro-)Fahrräder an. Zudem erhalten Beschäftigte ein Jobticket für den Öffentlichen Verkehr und auch Fahrgemeinschaften werden forciert. Der Nutzen für das Unternehmen: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind gesünder, weniger Parkplätze müssen verwendet werden und die Verkehrsbelastung für die Nachbarschaft sinkt.
Das Unternehmen XAL hat die Arbeitszeiten an den Fahrplan des Öffentlichen Verkehrs angepasst, Fahrradserviceboxen und überdachte Fahrrad-Abstellanlagen mit 60 Plätzen errichtet sowie einen Kosten- und Zeitvergleich für den Arbeitsweg mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln angeboten. An einem Mobilitätstag konnten die Beschäftigten E‑Bikes testen und Fahrräder warten lassen.
Mit Rad, Bahn und Bus gesünder pendeln
Die Technische Universität Graz konnte vor allem durch die Förderung des Radfahrens (800 überdachte Radabstellplätze, 500 Fahrräder im TU Graz-Design, Fahrradservice) die Zahl der benötigten Pkw-Parkberechtigungen auf rund 700 fast halbieren. Am LKH-Universitätsklinikum Graz nutzen durch die Änderung einer Busroute mehr Beschäftigte den Öffentlichen Verkehr und auch für mehr Radfahren im Alltag gibt es verschiedene Angebote: Vergünstigte Fahrräder, gratis Radservices, Self-Service-Boxen am Gelände. Schon im ersten halben Jahr gaben 264 Beschäftigte ihre Pkw-Parkgenehmigung zurück, 1.343 nahmen ein Jobticket in Anspruch.
Im Projekt Alpstar wurden im Alpenrheintal gemeinsam von Firmen, Gemeinden und Verkehrsbetrieben grenzüberschreitend Maßnahmen für den Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel und Fahrrad entwickelt. Die Ergebnisse zeigen, dass es oft kleine und kostengünstige Maßnahmen wie Schnupper-tickets oder Radservices sind, die zum Erfolg führen. In der Modellfirma Hilti kamen noch nie so viele Beschäftigte ohne Auto zur Arbeit wie heute.
Mit Raumplanung Radfahren und Gehen fördern
Kompakte Siedlungen und ein Netz aus Wegen für Gehen und Radfahren im gesamten Orts- und Siedlungsgebiet sowie entlang von Freilandstraßen ermöglichen es, wichtige Ziele und Haltestellen – ohne Umwege, gut zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu erreichen. Für Radfahrende ist wichtig, auch gegen Einbahnen fahren zu dürfen und das Fahrrad möglichst nahe am Ziel abstellen zu können.
Multimodale Arbeitswege fördern
Sind Haltestellen und Bahnhöfe gut zu Fuß und mit dem Fahrrad erreichbar, steigt die Bereitschaft, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Eine Haltestelle sollte für möglichst viele Fahrgäste direkt, ohne Umwege und Hindernisse zu Fuß erreichbar sein. Dazu müssen die Wege zur Haltestelle ausreichend breit und barrierefrei sowie bei Dunkelheit gut ausgeleuchtet sein. In Firmengebäuden können Bildschirme mit den Abfahrtszeiten der umliegenden Haltestellen eingerichtet werden. Die ÖBB etwa bieten dafür „Scotty timeboard“ zur individuellen Einbindung in eine Internetseite an.
Bahn und Fahrrad optimal kombinieren
Die Anforderungen der modernen Arbeitswelt verlangen flexible Mobilitätslösungen, die zuverlässig und kostengünstig sind. Optimal ist die Kombination von Öffentlichem Verkehr mit Gehen oder (Elektro-)Fahrrad für die erste und letzte Meile. Wichtig sind bei Haltestellen und Bahnhöfen geschützte Abstellmöglichkeiten für Fahrräder. Damit wird das Einzugsgebiet einer Haltestelle erweitert.
In der Steiermark können alle, die eine Jahreskarte der Verbundlinie für die S‑Bahn haben, ein E‑Bike günstig mieten. Bei den Haltestellen werden sichere und wettergeschützte Fahrradboxen errichtet. Im Gewerbegebiet Wolfurt stehen mit dem „Jobrad-Wolfurt“ firmeneigene Fahrräder für die Wege zwischen Bahnhof und Betrieb bereit.
Auch öffentliche Radleihsysteme wie Citybike Wien, Stadtrad in Innsbruck oder nextbike in Niederösterreich und dem Burgenland helfen, die letzte Strecke zum Arbeitsplatz gesundheitsfördernd mit dem Fahrrad zurückzulegen. Radabstellanlagen an Bushaltestellen ermöglichen es, auch etwas weiter entfernte Buslinien für den Arbeitsweg zu nutzen.
Gesund mobil in die Schule und zur Uni
Durch aktive Mobilität am Schulweg wird die gesunde physische und psychische Entwicklung von Kindern gefördert. Kinder, die zu Fuß oder mit dem Rad in die Schule kommen, fühlen sich psychisch besser und können sich besser konzentrieren. Neben Verkehrsberuhigung im Schulumfeld haben sich Kampagnen und Wettbewerbe für Kinder, Eltern und Schulen als wirkungsvoll erwiesen.
An der Volksschule St. Georgen in Eisenstadt wurde ein Pedibus für den Schulweg eingerichtet. Die Schülerinnen und Schüler haben die Möglichkeit, gemeinsam zu Fuß zur Schule zu gehen. Ein Elternteil begleitet den Pedibus. Die Volksschule Oggau motiviert mit dem „School walking“-Pass die Kinder, zu Fuß zur Schule zu gehen.
Bewusstseinskampagnen wirken positiv
Das Projekt „Jugend bewegt!“ der Innsbrucker Verkehrsbetriebe untersuchte das Mobilitätsverhalten 12- bis 14-jähriger Schülerinnen und Schüler. Es wurden unter anderem ein Mobilitätstagebuch erstellt, Quiz- und Rollenspiele durchgeführt. Die Einstellungen der Jugendlichen zur nachhaltigen Mobilität wurden verändert.
Die Universität Salzburg hat den Radverkehrsanteil binnen fünf Jahren um ein Drittel erhöht. Heute kommen 43 Prozent der Studierenden mit dem Rad zur Uni. Erreicht wurde dieser hohe Anteil durch Bewusstseinsarbeit, verbesserte Infrastrukturen und deutlich mehr Fahrradabstellmöglichkeiten.
Was Unternehmen tun können
- Erreichbarkeit von Betriebsstandorten durch bewegungsaktive Mobilität sichern, etwa durch Mobilitätssanierung
- Jobticket für den Öffentlichen Verkehr anbieten
- Radfahren zur Arbeit fördern: sichere und wettergeschützte Abstellanlagen, Duschen, Fahrradservice, Job-Leihräder
Was Politik und Verwaltung tun können
Sektorenübergreifend arbeiten:
- Nationale Strategien im eigenen Handlungsbereich umsetzen, wie Nationaler Aktionsplan Bewegung und Gesundheitsförderungsstrategie
- Bewusstseinsbildende Maßnahmen zum Zusammenhang von bewegungsaktiver Mobilität und Gesundheit umsetzen
Bessere Infrastruktur für das Radfahren:
- Umwege vermeiden: Unterführungen und Fahrradbrücken umsetzen, kreuzungsfreie Haupt-Radrouten schaffen
- Versperrbare und wettergeschützte Radabstellanlagen im Straßenraum, an Bahnhöfen, bei Geschäften sowie bei Wohn- und Bürogebäuden errichten
Mit Mobilitätssanierung Fußwege verbessern:
- Bewegungszonen, Fußgängerzonen, Tempo-30-Zonen ausweiten
- Straßensanierungen für umfassende Mobilitätssanierung nutzen
Öffentlichen Verkehr mit Radfahren und Gehen verknüpfen:
- Haltestellen gut zu Fuß erreichbar machen
- Bahnhöfe und Haltestellen an das Radverkehrsnetz anschließen
- Öffentlichen Verkehr durch dichtes Netz an Radleih-Stationen ergänzen
Zum Autor
Anna Krappinger, MA, ist Gesundheitsreferentin im Fonds Gesundes Österreich
Mag. Markus Gansterer ist Verkehrspolitik-Experte im VCÖ