Am 20. Mai 2014 fand der bereits achte ACADEMIA SUPERIOR DIALOG im Südflügel des Linzer Schlosses statt. Mit der Generaldirektorin der Österreichischen Nationalbibliothek und gebürtigen Oberösterreicherin, Dr. Johanna Rachinger, konnte eine Top-Expertin für die Thematik „Wissensbewahrung und ‑vermittlung” für das Gespräch mit Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger, dem Wissenschaftlichen Leiter von ACADEMIA SUPERIOR, gewonnen werden. Mehr als 300 Gäste verfolgten die Diskussion, die sich unter dem Titel „Zukunft ohne Bücher?” mit der künftigen Bedeutung des Buches und der Wissensvermittlung im Zeitalter der digitalen Wissensgesellschaft befasst hat.
Bereits zu Beginn der Veranstaltung stellte Mag. Thomas Stelzer, Obmann-Stellvertreter der ACADEMIA SUPERIOR, fest, dass die Herausforderungen durch die neuen digitalen Medien die Frage aufwerfen, welche Kompetenzen für den Umgang mit ihnen entwickelt und erworben werden müssen. Rachinger gab darauf folgende Antwort: „In Zukunft wird auswendig gelerntes Wissen weniger gefragt sein, sondern man muss wissen, wo und wie man nach Informationen suchen kann. Man muss zusätzlich fähig sein, Zusammenhänge herzustellen und kritisch zu hinterfragen”. Daher plädierte sie auch für die Intensivierung von Medienkunde an den Schulen.
Die Nationalbibliothek, das Gedächtnis eines Landes
In der Bereitstellung eines „offenen und demokratischen” Zugangs zu Informationen sieht die Nationalbibliothek-Chefin die zentrale Aufgabe der Bibliothek von morgen. Deshalb verfolgt die Nationalbibliothek auch die Vision, bis zum Jahr 2025 ihre gesamten urheberrechtsfreien Bestände über das Internet der ganzen Welt zugänglich zu machen. „Das ist eine Mammut-Aufgabe, die am besten mit einer nationalen Digitalisierungsstrategie flankiert werden sollte”, so Rachinger.
Denn immerhin wachsen die Bestände der Nationalbibliothek in Österreich jährlich um 50.000 Publikationen an. Und schon im Jahr 2016 wird der vierstöckige, unterirdische Buchspeicher voll sein — ein Ausbau stehe aber noch in den Sternen, und das obwohl die Nationalbibliothek ein wichtiges Identität stiftendes Symbol in Österreich ist, so Rachinger.
Das Buch, zum Aussterben verurteilt?
Auf die Frage von Markus Hengstschläger, ob es überhaupt noch Sinn mache, Bücher in Bibliotheken aufzubewahren, wenn man sie schon digitalisiert hat, bemerkte Johanna Rachinger, dass das gedruckte Buch trotz aller Digitalisierungen sicherlich nicht aussterben werde — „Vielleicht wird es in 15 Jahren aber nicht mehr das Leitmedium für Wissensvermittlung sein”, fügte sie hinzu.
Und auch die Rolle der Bibliothek als Institution der Wissensbewahrung werde erhalten bleiben, denn „in dieser Zeit der verstärkten Online-Kommunikation orte ich eine Sehnsucht danach, an reale Orte zu gehen und dort auf reale Menschen zu treffen und mit ihnen zu kommunizieren”, betonte Rachinger und gab weitere Informationen zum heiß diskutierten Public-Private-Partnership der Nationalbibliothek mit dem Google-Konzern:
Digitalisierung als Chance für Forschung
Vertraglich wurde Google erlaubt die urheberrechtsfreien Bestände der Bibliothek zu digitalisieren und verpflichtet diese über das Internet kostenlos zur Verfügung zu stellen. Außerdem kann jeder und jede diese digitalisierten Versionen weiterverwenden. Kopien der gescannten Bestände werden auch der Nationalbibliothek übergeben und von dieser auf ihren eigenen Servern gespeichert. Das Ziel dabei ist, den Menschen einen demokratischen Zugang zu Wissen und Information zu liefern, die alten Bestände durch Digitalisierung auch vor möglichen Katastrophen zu schützen und die Originale zu schonen, da man die Inhalte nun auch anders einsehen kann.
Ferner ist es nun möglich, in den Texten selbst, per Volltextsuche nach einzelnen Begriffen zu suchen. Eine eigens entwickelte Spracherkennungssoftware ist in der Lage die einzelnen Wörter in ein Textverarbeitungsformat zu konvertieren. Dadurch ergeben sich für die Forschung enorme neue Möglichkeiten in alten Texten zu recherchieren.
„Was zukünftig nicht auch digital und im Netz zur Verfügung steht, wird einfach nicht mehr wahrgenommen werden.” – Johanna Rachinger
Markus Hengstschläger sprach auch die Gefahren dieses Digitalisierungstrends an: Schon beim DIALOG mit Cornelia Vospernik, wurde darüber diskutiert, dass suchen in Suchmaschinen mit identischen Stichwörtern, in China andere Ergebnisse liefern als etwa in Österreich. Die Gefahren der Zensur im Internet durch autokratische Staaten also zukünftig eine Rolle spielen werden. Johanna Rachinger bemerkte aber, dass Zensur zu allen Zeiten und bei sämtlichen Medien angewandt wurde. Und jetzt natürlich auch im Internet.
Abschließend unterstrich der Obmann der ACADEMIA SUPERIOR, Landesrat Dr. Michael Strugl, die Bedeutung des Zugangs zu Wissen für die Zukunft unseres Landes: „Denn Wissen ist eine der wichtigsten Ressourcen unserer Gesellschaft.”
Unterstützt wurde die Veranstaltung von der Sparkasse Oberösterreich, gestern vertreten durch Vorstandsvorsitzenden Dr. Michael Rockenschaub, der sich ebenfalls davon überzeugt zeigte, dass das Buch Zukunft habe. Er begründete das pointiert damit, dass „auch dem Sparbuch prophezeit wurde, dass es bald verschwinden werde — und es existiert immer noch”.