Uffe Elbæk war Experte beim heurigen SURPRISE FACTORS SYMPOSIUM zum Thema „Wo beginnt, wo endet Freiheit?” in Gmunden.
Uffe Elbæk im Interview:
Jedes Gespräch über Freiheit wirft bei mir Fragen auf: Sprechen wir über Freiheit von oder Freiheit zu? Über innere Freiheit oder äußere Freiheit? Freiheit für alle oder wenige? Wenn ich über diese Fragen und mein Leben nachdenke, fängt das bei meinen Eltern an. Ich bin jetzt 61 Jahre alt. Als ich 20 war, hätte ich gesagt, „Nein, ich bin überhaupt nicht wie meine Eltern!“ Jetzt, wo ich älter bin, sehe ich, wie viel meine Eltern und meine Erziehung dazu beigetragen haben, wer ich bin. Meine Eltern waren immer Pädagogen, Sozialaktivisten, sehr politisch. Während des Zweiten Weltkriegs waren meine Eltern Teil der Widerstandsbewegung. Mein Vater musste abtauchen. Der Bruder meiner Mutter kam ins Konzentrationslager. Mein Großvater wurde eingesperrt.
Meine Geschwister und ich wurden so großgezogen, dass wir unserem Herzen folgen sollten. Wir sollten uns für das einsetzen, woran wir glaubten. Wir sollten unsere eigene Stimme entwickeln. Wir sollten Freude an dem haben, was wir tun, aber wir sollten es auch ernst nehmen. Es sollte etwas bedeuten. Wenn ich also auf mein Leben blicke, zieht sich ein roter Faden durch: Wie können wir einen Raum schaffen, wo jeder sein Leben auf dem höchsten Level an Bedeutung entfalten kann?
Wie können wir einen Raum erzeugen, wo wir sein können, wie wir sind?
Als Politiker und Chef meiner eigenen politischen Partei in Dänemark habe ich viele Einblicke in das, was sich in Europa und in der Welt heute tut. Aber auf der persönlichen Ebene konzentriere ich mich eigentlich gerade darauf, wie ich in mir selbst noch freier sein kann. Wenn ich im Parlament mit dem Premierminister diskutiere, wie kann ich da von Herzen sprechen? Wie kann ich dem noch gerechter werden, woran ich glaube? Wie kann ich meine eigene innere Freiheit auf den nächsthöheren Level heben? Das hat nichts mit Geld oder Ego oder Prestige zu tun. Es geht darum, ob ich noch transparenter und ehrlicher in dem sein kann, wie ich bin.
Freiheit ist die Verbindung zwischen Kopf, Herz und Händen.
Eine Sache, die mir das erlaubt hat, war es, meine eigene politische Partei zu gründen, die Alternativet. Ich wurde für super-tot erklärt, als ich das verkündete, aber die Dänen haben darauf angesprochen, und zwar aus zwei Gründen. Erstens hatten sie die politische Kultur, wie wir sie heute kennen, satt. Man sieht das nicht nur in Dänemark, sondern in ganz Europa. Man sieht das in den Vereinigten Staaten mit Donald Trump und Bernie Sanders. Zweitens waren sie neugierig, ob wir eine neue Perspektive für das wirtschaftliche Wachstum definieren können. Die Leute hatten genug von der ganzen neoliberalen Wirtschaft mit der Mentalität der Konkurrenz, der Individualisierung, der Spaltung zwischen Gewinnern und Verlieren. Können wir eine neue Definition von Wachstum schaffen: kulturelles Wachstum, soziales Wachstum, spirituelles Wachstum?
Für mich ist das die Frage, auf die wir uns alle konzentrieren sollten. Was für ein ökonomisches Modell kommt nach der aktuellen, bekannten Version des Kapitalismus? Wir wissen, dass wir nicht noch mehr von den begrenzten Ressourcen des Planeten verbrauchen dürfen. Ein weiteres Problem ist die zunehmende Ungerechtigkeit in der heutigen Welt. Auf lange Sicht wird die Welt nicht eine Situation akzeptieren, wo 63 Personen gleich viel Reichtum besitzen wie 3,6 Milliarden Menschen. An so einer Ungleichheit wird das System zerbrechen.
Vor einigen Jahren hat die NASA eine Studie darüber gemacht, woran Zivilisationen in der Vergangenheit gescheitert sind. Es gab zwei Hauptparameter für jeden Zusammenbruch: ein Mangel an Ressourcen und eine zu große Differenz zwischen Arm und Reich. Wir müssen herausfinden, mit welchem neuen Wirtschaftsmodell wir die knapper werdenden Ressourcen und die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich adressieren können.
Zur Person:
Uffe Elbæk ist politischer Kämpfer für die Freiheit. 1991 gründete er die Schule „KaosPilots“ mit dem Ziel, nicht die weltbeste, sondern die für die Welt beste Schule zu etablieren. Noch heute dient dieses Schulmodell vielen anderen internationalen Schulen in Norwegen, Schweden und den Niederlanden als Vorbild.
Von 2007 bis 2009 war Elbæk CEO der Outgames, einem Sport- und Kulturfestival, das sich für Gleichheit und Freiheit Homosexueller, Bisexueller und Transgenderpersonen einsetzt. In den Jahren 2011 und 2012 war er als Kulturminister Dänemarks tätig, legte sein Amt aber aufgrund von Vorwürfen der „Günstlingswirtschaft“, die später entkräftet werden konnten, nieder.
Uffe Elbæk ging aus diesem Erlebnis gestärkt hervor und gründete mit „Alternativet“ 2013 seine eigene Partei, die 2015 erstmals zu Wahlen zugelassen wurde. Von vielen als chancenlos abgetan, schaffte Elbæk mit seiner Partei den Einzug ins dänische Parlament, wo er heute nach den selbstauferlegten Werten von „Alternativet“ handelt: Mut, Großzügigkeit, Transparenz, Bescheidenheit, Humor und Einfühlungsvermögen.