In Summe werden wir unseren Energieanspruch reduzieren müssen. Aber das ist auch ohne Verlust von Komfort und Wirtschaftswachstum möglich, meint DI Dr. Horst Steinmüller, Geschäftsführer des Energieinstituts an der Johannes Kepler Universität Linz. Was wir dafür zu allererst brauchen, ist ein gesellschaftlicher Konsens über unsere Energieziele – und ansonsten vor allem die Sonne.
Herausforderung nachhaltige Energiezukunft
Die drei größten Herausforderungen, die auf dem Weg in Richtung nachhaltige Energiezukunft noch bewältigt werden müssen, lauten aus jetziger Sicht:
- Die Herstellung eines politischen Konsenses zum Energiesparen. Von der Europäischen Union bis hinab zu den Gemeinden und von den Interessensvertretern bis zu den Bürgerinnen und Bürgern.
- Die Verankerung des Bewusstseins, dass mit dem Energiesparen kein Verlust an persönlichem Komfort einhergeht.
- Die Verhinderung des Entstehens einer Energie-Zweiklassengesellschaft – Das Wort „Energiearmut“ sollte dadurch in die Geschichtsbücher verwiesen werden.
Nachhaltige Energiewirtschaft bedeutet Wachstum für Europa
In einer breit angelegten Initiative für die verstärkte Nutzung von Wasserstoff und Synthetischem Erdgas aus Grünem Wasserstoff (Umwandlung von Strom aus erneuerbaren Quellen mittels Elektrolyseverfahren zu Wasserstoff) konnte seitens des Energieinstituts an der JKU Linz errechnet werden, dass die Substitution von 10 Prozent der Energieimporte in Form von Erdöl und Erdgas durch einen in Europa produzierten erneuerbaren Energieträger eine Steigerung des europäischen Brutto-Inlandsproduktes um ca. zweieinhalb Prozent ergäbe. Würden Teile des generierten Wachstums wieder in Forschung und Innovation reinvestiert, werden sich diese Effekte in Zukunft noch weiter erhöhen.
Stärkere Forschungsinvestitionen wären schon heute in vielen Bereichen nötig und sehr erfolgsversprechend: etwa bei der Weiterentwicklung der direkten Sonnennutzung durch die noch in der Grundlagenforschung steckenden Forschungen zur künstlichen Photosynthese. Forscher an der JKU-Linz sind hier ganz vorne bei der Entwicklung mit dabei.
Oder in die Entwicklung von Hybridnetzen. In diesen kann flexibel zwischen verschiedenen Energieträgern – Strom, Wasserstoff, Gas usw. – ausgewählt werden, um z.B. eine Heizung zu betreiben. Hierzu wird auch am Energieinstitut intensiv geforscht.
Energie für alle? Stichwort: Sonne
Schon heute haben wir aber auf der Erde eigentlich genug Energie für alle. Die von der Sonne auf der Erde eintreffende Energiemenge ist fünftausendmal höher, als der gesamte gegenwärtige Energiebedarf der Menschheit. Dementsprechend große Bedeutung werden in Zukunft sämtliche Technologien für das Ernten von Sonnenenergie haben. Zwei Fragen müssen hierbei gestellt werden:
- Wie ernte ich die solare Einstrahlung sinnvoll?
- Wie ernte ich die solare Einstrahlung schön? (heutige Photovoltaik-Module sind ästhetisch noch nicht im Optimum)
Der Fehler des Stroms aus der Wüste
Ein Beispiel, um die erste Frage zu verdeutlichen: Das bekannte DESERTEC-Projekt hatte zum Ziel, in der Sahara produzierten Sonnenstrom zur Energieversorgung nach Europa zu schicken. Das Projekt ist derzeit auf Eis gelegt. Zentraler Fehler in diesem Konzept war, dass Energie in Form von elektrischer Energie über tausende Kilometer nach Europa transportiert werden sollte. Ein Leitungsbau in diesen Dimensionen ist derzeit mehr als schwierig umzusetzen.
Die Lösung: Strom zu Gas
Würde stattdessen der Strom vor Ort zur Wasserstofferzeugung und zur Weiterverarbeitung zu Synthetischem Erdgas (SNG) genutzt werden und das entstehende Gas durch – bereits existierende – Gasleitungen nach Europa transportiert, wäre ein derartiges Großprojekt wahrscheinlich leichter und sinnvoller realisierbar.
Natürlich ergibt sich durch die Umwandlung von Strom in Wasserstoff ein Energie-Verlust von ca. 20–40 Prozent, was oft als Gegenargument zum Wasserstoff gebracht wird. Aber da in der Wüste enorme Energiemengen durch solare Einstrahlung vorhanden sind, würden diese Verluste keine große Rolle spielen. Der nachhaltig und klimaneutral erzeugte Wasserstoff könnte das Erdöl und Erdgas in Europas Autos und Heizungen langfristig ersetzen.
Strom muss ästhetischer werden
Die zweite Frage, wie solare Einstrahlung „schön“ geerntet werden kann, wird derzeit noch viel zu selten gestellt. Vor dem Hintergrund, dass wir hier in den nächsten Jahren große technologische Fortschritte erwarten können, muss sie aber vermehrt mitgedacht werden. Wenn Photovoltaik in Zukunft stärker – etwa in Häuserfassaden – integriert werden soll, dann muss sie auch optisch ansprechend wirken.
Hier zeigt sich, dass die Energiezukunft nicht nur ein Feld für Technikerinnen und Techniker, Betriebswirtinnen und Betriebswirte ist, sondern auch für Künstlerinnen und Künstler, Architektinnen und Architekten.
Wer soll das bezahlen? Das Beispiel voestalpine und Linz
Oft werden die hohen Investitionskosten und zu geringen Renditen vieler nachhaltiger Energieprojekte als Grund für deren Nichtumsetzung angeführt. Hierzu ein Beispiel: Beim Linzer Stahlerzeuger Voestalpine AG können ca. 60 Prozent der für die Stahlproduktion eingesetzten Energie keiner Nutzung zugeführt werden und verschwinden derzeit in die Luft oder ins Wasser.
„Eine Vision wäre es, durch regionale Fernwärmeleitungen, die bisher ungenützte Abwärme von Industriebetrieben nutzbar zu machen.“
Der Knackpunkt hierbei sind vor allem die notwendigen Wärmespeicher. Da in einem Eisen- und Stahlwerk die Wärme permanent und relativ konstant anfällt, in den Haushalten aber vor allem während der Wintermonate nachgefragt wird, braucht es neue Wärmespeicher. Die bisher üblichen Fernwärmespeicher sind für drei bis vier Tage ausgelegt. Die notwendigen Speicher bräuchten aber Kapazitäten für drei bis vier Monate – und das rechnet sich derzeit (noch) nicht.
Gesellschaftliche Lösungen, nicht nur technologische
Man könnte jedoch den lokalen Konsumentinnen und Konsumenten anbieten, sich durch langfristige Finanzanlagen an derartigen Projekten zu beteiligen. Der emotionale Aspekt, dass so jede und jeder seine eigene Wärmeversorgung mitfinanzieren kann, könnte genug Kapital einbringen.
Ähnliches sollte auch bei der Finanzierung von Solarstromanlagen stärker versucht werden. Den Bürgerinnen und Bürgern, die dazu bereit sind in Solaranlagen zu investieren – und ihre eigene Energie zu erzeugen – ist es egal, ob die Anlage auf ihrem Wohnungshausdach oder auf einer entfernteren Fabrikhalle liegt.
Das zeigt deutlich, dass wir nicht nur technologische Lösungen brauchen sondern vor allem auch gesellschaftliche Lösungen. Und die beginnen bei der Frage, „Wofür brauche ich eigentlich Energie?“ und enden bei einem Konsens zum Energiesparen.
Viele sind stolz aufs Geldsparen, nur wenige aufs Energiesparen
Bei den Energiezielen konnte sich Europa bisher nur auf Effizienzziele einigen. Was wir aber brauchen, sind auch echte Reduktionen bei unseren Energieansprüchen.
Das Problem dabei ist, dass wenn das Wort „sparen“ in den Mund genommen wird, viele Menschen fürchten: „Da bekomm ich weniger“. Dies ist aber nicht der Fall. Denn Energiesparen heißt nicht, beim Komfort zu sparen. Hier muss schon in den Schulen sensibilisiert werden und unnötiger Energieverbrauch gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern im Klassenzimmer vermieden werden.
Zur Person
DI Dr. Horst Steinmüller ist Geschäftsführer des Energieinstituts an der JKU-Linz und Leiter der Abteilung Energietechnik, Beiratsmitglied des Verbandes Erneuerbare Energie Österreich, Koordinator des Projektes OÖ Bioraffinerie sowie stellvertretender Vorsitzender des Fachbeirates der Österreichischen Vereinigung für Agrar‑, Lebens- und Umweltwissenschaften. Er beschäftigt sich bereits seit über 30 Jahren mit Fragen des Energie‑, Qualitäts- und Umweltmanagements.
Er ist einer der Experten, die im Rahmen von Zukunft 5.0 ihre Ideen einbringen und die Zukunft mitgestalten.