Netzwerke statt Hierarchien. Organisationsstrukturen im digitalen Zeitalter. Teil 3 der Serie „Digitaler Wandel” von Christian Freilinger.
Nur die Unternehmen, die sich mit der Digitalisierung und Integration ihrer Prozesse intensiv beschäftigen, werden die Transformation in eine effizient geführte und moderne Organisation zeitgerecht schaffen. Demensprechend kommen auch die organisatorischen Strukturen auf den Prüfstand.
Die Zielsetzung für Industrie 4.0 (Factory oft he Future) lautet: Schneller und effizienter mit hoher Qualität produzieren, neue Anwendungsfelder erschließen, neue Geschäftsmodelle anvisieren, individuelle Kundenwünsche rasch erfüllen.
Wirtschaft wird immer digitaler
- Verlage des Springer-Konzerns haben im 1. Quartal 2015 bereits 60% ihres Umsatzes und 70% des operativen Gewinns mit digitalen Aktivitäten erlöst.
- Handelsunternehmen wie z. B. Zalando werden immer digitaler.
- Auch die produzierende Wirtschaft holt stark auf. Die Vernetzung von Maschinen und die Digitalisierung ganzer Fabriken kommen rasch voran. „Jede Maschine wird zum Computer“ so der Entwicklungsvorstand von SAP SE, Bernd Leukert. „Die vernetzte Produktion wird den Industriesektor umkrempeln“ so Bernhard Rohleder, Geschäftsführer des Digitalverbandes Bitkom. Die Delegation von Verantwortung nach unten an die operativen Einheiten wie die Regionalorganisationen geht damit Hand in Hand so Wolfgang Büchele, Vorstandschef von Linde. „Software ist das neue Rad der Industrie. Fast nichts mehr dreht sich ohne sie“ so Elmar Degenhart, Boss von Continental.
- Ein Gegenbeispiel ist zurzeit noch der Montagespezialist Würth. Bei ihm entfallen erst 10% des Umsatzes auf E‑Commerce, der Anteil soll aber rasch durch die Vernetzung der Vertriebskanäle Direktvertrieb, Niederlassungen und Internet-Angebote steigen. Online Shopping hat den stationären Einzelhandel teilweise und den klassischen Versandhandel komplett ersetzt.
Durch die Vernetzung der verschiedenen Abläufe entsteht ein durchgängig organisierter und verknüpfter Ablauf. Dieser bewegt sich vom Auftragseingang über die Bestätigung und Weiterleitung der Daten an Produktion oder Lager bis zur Logistik, Rechnungsstellung und Verbuchung.
„Organisatorisch geht es dabei um die optimale Zusammenführung von Informationstechnologie mit logistischem Know-How. Vor allem die synchrone Planung von Produktion und Logistik birgt großes Potential für Kosteneinsparungen“, so Markus Huber (Der Standard 13./14. Mai 2015 S. T2).
Damit entstehen völlig neue Herausforderungen an die neuen Organisationsstrukturen, die mit den bisherigen hierarchischen Strukturen nicht mehr effizient zu bewerkstelligen sind. Organisationsübergreifende Interaktionen auch mit externen Netzwerkpartnern sind unverzichtbar.
Dabei ist eine ausgewogene Balance zwischen langfristig Bewährtem und Veränderung anzustreben. Die Herausforderung für die Führungskräfte in einer netzwerkartigen Arbeitswelt besteht darin, ohne Machtausübung durch das Vereinbaren von Zielen, Coaching, Training usw. die Mitarbeiter so zu begeistern, dass die Aufgaben effizient erledigt werden. Wir befinden uns in einem Übergang von einer gut gemanagten Organisation zu gut geführten Netzwerken, die sich weitgehend selbst steuern, um die Ziele zu erreichen.
Kennzeichen der bisherigen Organisationsstruktur
Tiefe hierarchische Strukturen mit Sachbearbeiter, Gruppen, Hauptgruppen, Abteilungen, Hauptabteilungen, Direktionsbereichen, Unternehmensleitung/Vorstand.
Kennzeichen der neuen Organisationsstruktur
Fluide, höchst bewegliche und offene Organisationsformen, Netzwerke (N), die insbesondere für die heranwachsenden Generationen höchst attraktiv sind. Im Trend liegen interdisziplinäre Gruppen, die auch Mitarbeiter von Kunden, Lieferanten und damit externen Partnern einbeziehen. Teamarbeit in Netzwerken ist aktueller denn je. Sie agieren weitgehend innerhalb eines gesteckten Zeit- und Budgetrahmens autonom und übernehmen zweifelsohne mehr Verantwortung als bisher. Fluide Netzwerke ersetzen die bisher vorherrschenden rigiden, tiefen Hierarchien, da zu statisch. Sie verfügen eher über die Fähigkeit einer permanenten (internen) Anpassung entsprechend den Veränderungen im Umfeld.
Die Führungskräfte üben bei dieser neuen Organisationsstruktur ähnlich wie der Trainer einer Fußballmannschaft wichtige Funktionen aus wie Coach, Berater, Beobachter. Sie vereinbaren Ziele für die Netzwerke , für die sie zuständig sind, kontrollieren die Zielerreichung, stellen Aufgaben, verhandeln wenn nötig auch mit anderen Netzwerken, übernehmen die Personalhoheit usw. Je nach Aufgabenstellung sind die Führungskräfte (FK) für mehrere Netzwerke (N) zuständig. Sie berichten an die Geschäftsleitung (GL).
Natürlich wird es auch bei dieser neuen netzwerkartigen Organisationsstruktur noch Spezialisten/ Stäbe (St) geben, so wie schon bisher.
Netzwerkorganisation. Kennzeichen: extrem flach – fluid
Vermutlich arbeiten viele Unternehmen bereits mit netzwerkartigen Strukturen, ohne ¬sich dessen bewusst zu sein. Es geht nun darum, diese neue Organisationsstruktur gezielt zu praktizieren sowie die entsprechenden Schlüsse zu ziehen.