Eva Horn ist Kulturwissenschafterin und Universitätsprofessorin für neuere deutsche Literatur an der Universität Wien. Ihr neues Buch „Zukunft als Katastrophe” erscheint im Juni 2014. Sie war Expertin beim SURPRISE FACTORS SYMPOSIUM 2014 in Gmunden und beleuchtete aus ihrer kulturwissenschaftlichen Perspektive, wie unsere Gesellschaften mit möglichen Zukunfts- und Katastrophenszenarien umgehen und wie sich dies in Literatur und Film widerspiegelt. Außerdem sprach sie darüber, warum wir uns so gerne Zukunftsvisionen vorstellen, wie ernst man solche Fiktionen nehmen kann und welche Funktionen diese Szenarien für die heutige Politik haben können.
Die Rolle von post-apokalyptischen Szenarien, wie wir sie immer öfter in Büchern und Filmen sehen, ist vielschichtig. Die Menschheit erzählte sich schon immer derartige Geschichten — ältere Beispiele wären etwa die Offenbarung des Johannes im christlichen Neuen Testament oder die germanische Götterdämmerung. Heute vergeht fast keine Woche ohne einen neuen apokalyptischen Film in den Kinos. Die früher noch einfacheren Bedrohungsvorstellungen sind gegenwärtig einer Situation gewichen, in der wir uns vor vielen zukünftigen Krisen fürchten, aber nicht wissen welche wirklich Realität werden wird. In dieser Lage können uns Fiktionen in Büchern und Filmen helfen:
- In Fiktionen können wir ein konkretes Katastrophen- oder Krisenszenario erforschen und herausfinden, was es bedeuten könnte wenn es real werden würde.
- Fiktionen geben die Möglichkeit herauszufinden, welche verschiedenen Arten unserer Ängste es gibt.
- Fiktionen liefern Bilder einer möglichen Zukunft und sagen damit: Wenn wir nicht etwas unternehmen oder wachsam bleiben, dann könnte es einmal so werden.
- Fiktionen können als Instrumente verwendet werden, um ethische Konflikte zu diskutieren: z.B. stellt sich während einer Katastrophe oft die Frage, wem zuerst geholfen werden soll.
- Fiktionen stellen die Fragen: Was sind unsere Werte? und Welche Strategien könnten die größten Überlebenschancen eröffnen?
Auch Wissenschafter, die versuchen resilientere, krisenfestere Strukturen aufzubauen, üben sich im Erfinden möglicher Zukunftsszenarien. Dabei handelt es sich lediglich um eine graduell andere Art von Fiktionen, als wir sie in der Literatur vorfinden.
Die Dunkle Seite der Menschheit
Betrachtet man derartige Katastrophen-Narrative von einer historischen Perspektive, dann wird klarer, dass diese immer die schlimmsten Befürchtungen ihrer jeweiligen Epoche und deren Informationsstand widerspiegeln. In diesen Fiktionen spiegelt sich ein dunkles Bild von der Menschheit:
- Der Mensch ist schwach
- Man kann nicht auf andere zählen
- Solidarität ist sehr selten
- Zerbricht die Infrastruktur kommt die dunkle Seite der Menschen hervor
Die Gute Seite der Menschheit
Aber es gibt auch Gegenbeispiele: z.B. zeigt sich in Computerspielen ein immer stärker werdender Trend von Kooperation zwischen den Spielern. Diese Internet-Spiele (kurz: MMOGs — Massively Multiplayer Online Games), bei denen hunderte Spieler kooperieren müssen um ein Ziel zu erreichen, fungieren wie soziale Experimente, deren Ausgang noch nicht klar ist.
Es zeigt sich an diesen Fiktionen auch, welche Eigenschaften echte Helden oder Leader haben müssen. Fiktionale Helden sind Personen die uns zeigen, wie man menschlich bleibt in einer Umgebung, die Menschlichkeit eigentlich nicht erlaubt. Diese Helden haben drei Fähigkeiten:
- Sie haben genug Einsicht um vorauszusehen, was auf sie zu kommt — eine prophetische oder prognostische Funktion.
- Sie ermöglichen Kooperation an Stelle von Egoismus, d.h. sie zeigen, wie wir in einer Situation kooperieren können, in der Egoismus die erste Intuition wäre.
- Sie sind ein Katalysator, der hilft über die eigenen Grenzen hinauszugehen.
Zitate
- „Man muss einen bestimmten Grad an moralischer Gleichgültigkeit haben, um diese Filme zu genießen.”
- „Wir wissen nicht, was passieren wird — deshalb können wir es uns nur vorstellen.”
- „Wir erleben einen Wandel unserer Ängste von einer simplen Welt zu einer, in der komplexere Faktoren arbeiten.”
- „Computerspiele zeigen ein wachsendes Phänomen, nämlich, dass Kooperation in fiktionalen Settings möglich ist.”
- „Fiktionen liefern Bilder: Wenn wir nichts unternehmen, wird die Welt einmal wie hier.”
Anknüpfungspunkte für ACADEMIA SUPERIOR
Punkte für weitere Diskussionen
- Welche Eigenschaften sollten politische Entscheidungsträger haben?
- Gibt es schon jetzt realistische Zukunftsszenarien in der Literatur?
- Was kann man aus diesen Szenarien lernen?
- Welche ethischen Entscheidungen werden in diesen Fiktionen gefällt?
Werkzeuge für die Weiterentwicklung
- Entwicklung von Strategien, die eine Kooperation in Krisensituationen ermöglichen
- Datenbank möglicher realistischer Zukunftsszenarien aus Literatur und Film