Für die Energierevolution muss sich die Energiebranche „neu erfinden“ und die Unsicherheiten auf dem Weg dorthin überwinden. Die Bedeutung der Digitalisierung für diesen Prozess ist enorm, meint Monika Langthaler-Rosenberg. Sie beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit Fragen der Energie- und Umweltpolitik.
Energiewende: Das Gesamtsystem fehlt noch
Die gute Nachricht ist, dass die Notwendigkeit einer Energiewende in vielen Köpfen angekommen ist und viele Maßnahmen in den letzten zehn Jahren gestartet wurden: in Richtung erneuerbare Stromerzeugung, nachhaltigere Wärmeversorgung und in den Effizienzbemühungen der Industrie.
Aber: Das Gesamtsystem einer nachhaltigen Energietransformation ist noch nicht umgesetzt.
Ich meine damit das optimale Zusammenspiel unterschiedlicher erneuerbarer Technologien für die Energie-Speicherung und deren Übertragung, um die nachgefragten Energie-Dienstleistungen effizient, erneuerbar und klimaschonend für die Kunden bereitzustellen.
Die Herausforderungen liegen dabei sowohl in der Bereitstellung der Infrastruktur als auch in der Motivation und Information der Akteure – der privaten Haushalte und Unternehmen – noch mehr konkrete Projekte in den Regionen umzusetzen. Vor allem neue Ideen, Start-ups, regionale Initiativen sollten verstärkt unterstützt werden.
Oberösterreich und Österreich sind aufgrund der vorhandenen erneuerbaren Ressourcen wie Wind, Sonne, Wasser sowie der ausgebauten Netzinfrastrukturen und der Innovationskraft der Industrie und der mittelständischen Unternehmen aber prinzipiell gut für die zukünftigen Herausforderungen aufgestellt.
Die Energiebranche „neu erfinden“
Vor allem die Energiebranche selbst steckt noch in bestehenden bzw. überholten Strukturen fest. Der notwendige Strukturwandel braucht kluge Köpfe, Mut und Innovationskraft. Im Grunde sollte die gesamte Branche sich selbst sehr, sehr kritisch hinterfragen und sich einfach auch einmal gedanklich „neu erfinden“.
Die Energieversorger sind derzeit noch kaum auf ihre neue Rolle als echte Dienstleister vorbereitet. In Deutschland aber auch Frankreich sehen wir dazu bereits große Umbrüche – man denke nur an die komplette Neuaufstellung des Energieriesen E‑On – die auch auf Österreich zukommen werden.
Die Energietransformation als Chance
Gerade im Energiebereich rund um die Umsetzung des Energieeffizienzgesetzes für Unternehmen entstehen innovative Startups, die Dienstleistungen, wie das Messen und Auswerten von Daten mit Hilfe neuer IT Systeme, entwickeln. Diese muss man intensiv unterstützen und ihnen auch bessere Finanzierungsmodelle für das Entwickeln ihrer Geschäftsideen anbieten.
Leider kommt dazu vor allem von Seiten des Energieministeriums wenig Innovatives, hier werden Entwicklungen, die in Europa stattfinden, zu wenig wahrgenommen. Österreich mit seiner kleinräumigen Wirtschaft und seinen so gut funktionierenden KMUs könnte aber gerade in der weltweiten Energietransformation neue Geschäftsfelder für die Exportwirtschaft entwickeln.
Unsicherheit verlangt strategisches Handeln
Der größte Hemmschuh ist die Unsicherheit, dass das Energiesystem der Zukunft im Zusammenwirken von Technologien, Nutzern und Anbietern noch nicht klar dargestellt werden kann und damit das klare Ziel, wohin die Entwicklung gehen soll, noch nicht eindeutig festgeschrieben ist. Sicher ist nur, dass sich alles ändert – aber wohin, dass wissen wir nur in Ansätzen. Kein Mensch hat beispielsweise den Ölpreisverfall in diesen Dimensionen auch nur annähernd vorausgesagt – und alleine diese Phase hat in den letzten 12 Monaten sehr viel an Strategien in der Energiewirtschaft verändert.
Dieses Umfeld verlangt strategisches Handeln und Vorausdenken innerhalb mehrerer Optionen – sowohl von Seiten der Energiemanager als auch der zuständigen Politiker. Derzeit setzen aber Politik und etablierte Versorger sowie unsichere Nutzer oftmals noch lieber auf das Bewahren des Status Quo.
Die unbeantwortete Frage: Mobilität und fossile Energieträger?
Das große Thema des fossilen Energieverbrauchs im Verkehrs- und Transportsektor muss gelöst werden – ein politisch unglaublich heikles, trotzdem notwendiges, Unterfangen!
Dies betrifft nicht nur die vermehrte Nutzung der E‑Mobilität, des öffentlichen Verkehrs und einer moderneren Logistik, sondern das Mobilitätsverhalten generell. Energiedienstleistung heißt in diesem Fall nicht nur „nehme ich heute das Auto oder den Zug“, sondern was ist für mich die beste, energieeffizienteste und günstigste Mobilitätswahl um beispielsweise von Linz nach Wien zu kommen? Wie kann eine Nutzung mehrere Anbietersysteme, ein vernünftiger modal split, aussehen? Wie optimiere ich dazu Individualverkehr, Bahn und Flugzeug – wer sind hier die Promotoren der neuen Systeme und wie buche und verrechne ich meine Reisen möglichst digital?
Die Energiezukunft ist digital
Dabei wird das Zusammenspiel von digitalen Lösungen mit neuen Energiedienstleistungen generell eine herausragende Rolle spielen. Hier stehen wir erst am Anfang einer großen Energietransformation, manche meinen auch Energierevolution, mit ganz neuen Anbietern und Technologien.
Für ein Industrieland wie Österreich bzw. auch Oberösterreich ist es dabei wichtig innovative, weltweit führende Unternehmen zu halten und zu fördern, gleichzeitig die Energiewende und Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen und damit diese Betriebe zu einem Erfolgsfaktor für diese Branche werden zu lassen. Stabile umweltpolitische Rahmenbedingungen, die diese Ziele ermöglichen, müssen national und international gefunden werden.
Altgewohntes neu denken
Seit der Auseinandersetzung in der Hainburger Au – also mittlerweile seit mehr als 30 Jahren – bin ich überzeugt, dass wir eine nachhaltige Energiewirtschaft nur dann etablieren, wenn wir auch den Mut haben, Altgewohntes komplett neu zu denken.
Dabei sollen funktionierende Strukturen trotzdem genutzt und modernisiert werden. Vor allem aber muss die Bevölkerung auf so einer Reise der Veränderungen aktiv mitgenommen werden.
Vielleicht gelingt eine nachhaltige Änderung nur, wenn wir 2 Schritte nach vorne machen, uns umdrehen, ob wir auf dem richtigen Weg sind und manchmal auch den Mut haben, den einen oder anderen Schritt wieder zurück zu gehen.
Zur Person
Monika Langthaler-Rosenberg, MSc ist ACADEMIA SUPERIOR-Beiratsmitglied, Mitgründerin von brainbows – the information company und Vizepräsidentin des Ökosozialen Forums Österreich. Von 1990 bis 1999 war sie Abgeordnete im Österreichischen Nationalrat und von 1996 bis 1999 Abgeordnete im Europarat.
Sie ist eine der Expertinnen, die im Rahmen von Zukunft 5.0 ihre Ideen einbringen und die Zukunft mitgestalten.