Bereits im Vorfeld des SURPRISE FACTORS SYMPOSIUMS haben sich Studentinnen und Studenten verschiedenster Fachrichtungen sowie Schülerinnen in einem Workshop mit der diesjährigen Thematik „Grenzerfahrungen — Die Kraft, aus Krisen zu wachsen” beschäftigt. Sechs von ihnen brachten bei unserem Symposium als YOUNG ACADEMIA die Sicht der jungen Generation in die Diskussionen zwischen ExpertInnen, PolitikerInnen und wissenschaftlichem Beirat der ACADEMIA SUPERIOR ein.
Vier Bereiche kristallisierten sich, für die jungen Menschen der YOUNG ACADEMIA, als besonders relevant für Oberösterreichs Zukunft heraus:
1. Überalterung und Sozialstaat
Der Wohlfahrtsstaat wird, vor allem im ländlichen Raum, womöglich bald an seine Grenzen gelangen. In Oberösterreich wird der ländliche Raum außerdem in den nächsten dreißig Jahren überdurchschnittlich von den demographischen Prozessen betroffen sein.1 Es besteht die Gefahr, dass die Dörfer ihre Jugend verlieren und die dortige Infrastruktur zusammenbricht. Wie kann man die Versorgung älterer MitbürgerInnen sicherstellen, wenn in manchen Gebieten kaum mehr junge Menschen leben werden?
Die Menschen sollten auch im Alter dazu animiert werden, sich zu engagieren, zu arbeiten und mehr Selbstverantwortung zu übernehmen. Es gilt tragfähige Konzepte des Zusammenlebens der Generationen zu entwickeln und der jungen Generation mehr Chancen im ländlichen Raum zu eröffnen. Die Breitband-Offensive des Landes Oberösterreich ist ein richtiger Schritt in diese Richtung, denn wenn schnelle Kommunikation und Datenaustausch auch im ländlichen Raum möglich sind, werden sich neue Arbeitsmöglichkeiten eröffnen.
2. Mobilität und Klima
Um bestehende Grenzen in Oberösterreich und zwischen Oberösterreich und seinen Nachbarregionen zu überwinden, braucht es mehr Mobilität. Es erscheint wichtig, dass die schwierige Verkehrssituation im Zentralraum gelöst und mehr Verkehrsverbindungen in den Norden Oberösterreichs bzw. über die Grenzen hinaus realisiert werden. Dabei ist es wichtig, den urbanen und ländlichen Raum durch ökologisch nachhaltige Verkehrskonzepte zu vernetzen.
Bevor neue Autobahnen gebaut werden, sollten zuerst der öffentliche Verkehr ausgebaut und neue Mobilitätskonzepte entwickelt werden. Wenn zuerst alternative Mobilitätsangebote zur Verfügung gestellt werden, geht vielleicht die Bevorzugung des Individualverkehrs per PKW in der Bevölkerung zurück.
3. Wissenschaft und Menschlichkeit
Die Möglichkeiten und Risiken der neuen Biotechnologien müssen offen, breit und in globalen Zusammenhängen diskutiert werden, um auf Chancen wie Gefahren rechtzeitig reagieren zu können. Die noch junge Biotechnologie entwickeln sich in Wissenschaft und Industrie rasant weiter und wird ohne Zweifel noch großen Einfluss auf unser Leben bekommen. Jedoch sollten wir uns, bevor wir neue Technologien wie Pränataldiagnostik, In-vitro-Fertilisation und Klonen in unser Leben eindringen lassen, darüber klar werden, welches Menschenbild und welche Vorstellungen von Leben allgemein wir in unserer Gesellschaft vertreten.
4. Demokratie und Politik
Unser politisches System geht unverkennbar durch eine Phase tiefgreifender Veränderungen. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass diese Veränderungen nicht zu einer Krise unserer Demokratie führen. Politische Prozesse auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene sollten transparenter und verständlicher gestaltet werden, um so die Distanz zwischen BürgerInnen und Politik zu verringern. Die Bevölkerung muss wieder mehr Interesse an der Politik bekommen. Dies wird jedoch nur geschehen, wenn man ihr mehr Möglichkeiten zur Mitwirkung bei Entscheidungen gibt.
Versuchsweise könnte mehr direkte Demokratie auf der lokalen Gemeindeebene gewagt werden — als Lernfeld für die Gesellschaft, um herauszufinden, ob derartige Prozesse auch auf höheren Ebenen umsetzbar sind. Besonders die junge Generation muss ermutigt werden, ihre Komfortzone zu verlassen und sich in diesem Prozess einzubringen. Um die Jugend auf diese Aufgabe vorzubereiten, bedarf es einer früher einsetzenden politischen Bildung in den Schulen und einer verstärkten Einbindung der Jugend in politische Entscheidungsprozesse.
Resilienz der Gesellschaft und die junge Generation
Eines der Schlagwörter, das derzeit in aller Munde ist, lautet „Resilienz”. Der Begriff beschreibt, wie gut ein System auf Veränderungen und damit einhergehende Krisen reagieren kann. Aber wie können wir unsere Gesellschaft möglichst resilient — also krisenresistent und nachhaltig — gestalten? Dieser Herausforderung können wir uns nur stellen, indem ein offener Dialog unter Einbindung aller Bevölkerungsgruppen geführt wird. Denn die Frage, wie die Zukunft aussehen wird, betrifft vor allem die junge Generation und deshalb müssen hier alle Generationen zusammenarbeiten.
Jedoch scheint ein wesentlicher Aspekt von Resilienz der Zustand des Bildungs- und Forschungswesens in einer Gesellschaft zu sein. Nur wenn man Informationen über ablaufende Prozesse besitzt, kann zeitgerecht reagiert werden. Und nur wenn die Menschen eine gute Bildung erhalten, werden sie die richtigen Ideen für den Umgang mit den Grenzerfahrungen der Zukunft entwickeln können.
Zitate
- „Frieden ist ein Prozess, nie ein Zustand”
- „Linz sollte sich das ambitionierte Ziel setzen, mit Wien in puncto Lebensqualität gleichzuziehen.”
- „Wir sollten aufhören den Kopf in den Sand zu stecken, was die Biotechnologie angeht.”
- „Die Leute wissen nicht genau, welche Grenzen durch die Biotechnologien überschritten werden.”
- „Wir brauchen einen Wettstreit der besten Ideen.”
- „Den Wohlfahrtsstaat haben wir schon lange verlassen und sind zu einem Versorgungsstaat weitergegangen.”
- „Die aktuelle Krise ist auch eine extreme Chance, um Dinge zu verändern und Neuanfänge zu wagen.”
Anknüpfungspunkte für ACADEMIA SUPERIOR
Punkte für weitere Diskussionen
- Können wir die junge Generation besser in die politischen Prozesse einbinden?
- Wie das Primat der autobasierten Mobilität in Österreich verringern?
- Wie auf die Überalterung im ländlichen Raum und den ländlichen Braindrain reagieren?
Instrumente für die Weiterentwicklung
- Integration breiterer Bevölkerungsschichten in politische Prozesse auf lokalen Ebenen (direkte Demokratie auf Gemeindeebene?).
- Initiativen für das Generationen-Miteinander besonders im ländlichen Bereich fördern.
- Bildung und Wissen als zentraler Faktor für die Resilienz einer Gesellschaft.
(1) Vgl. Academia Superior (Hg.), Zukunftsfeld: OÖ. Leitbetriebe und Headquarters. Herausforderungen für die Arbeitswelt von morgen: Schlüsselkraft, Flexibilisierung und Qualifikation. Zusammenfassung des 1. Dialoggespräches. Linz 2013, S. 5.