Univ.-Prof. Dr. Erich Peter Klement, Leiter des Softwareparks Hagenberg und Beiratsmitglied der ACADEMIA SUPERIOR, veranstaltete zur Finissage der Ausstellung „Bildbotschaften aus dem Universum der Mathematik“ eine hochkarätige Podiumsdiskussion zum Thema Begabtenförderung in Mathematik und Naturwissenschaften im Schloss Hagenberg. Dabei diskutierten der Schweizer Künstler und selbst Lehrer Eugen Jost, die Co-Direktorin der School of Education der Universität Salzburg, Doz. MMag. DDr. Ulrike Greiner, der Vorstand des Instituts für Didaktik der Mathematik der Johannes Kepler Universität Univ.-Prof. DI Mag. Dr. Markus Hohenwarter und der Geschäftsführer der Stiftung Talente – Hochbegabtenförderung in Oberösterreich, Landesschulinspektor HR Mag. Günther Vormayr.
Begabungen nicht verkümmern lassen
„Die Idee der Individualität ist darin [in der jüdisch-christlich-aufklärerischen Tradition] geradezu untrennbar verbunden mit der Entdeckung der einzigartigen Begabungen eines Menschen …” (Ulrike Greiner in Journal für Begabtenförderung, 1/2015)
Jeder Mensch hat Talente, jeder Mensch hat Begabungen. Bei manchen sind sie jedoch besonders ausgeprägt. Um das zu erkennen, zu testen und möglichst früh zu fördern braucht es Expertise. In Oberösterreich bringt sie die „Stiftung Talente“ ein, die Hochbegabte testet und in Form von außerschulischen Kursen begleitet und fördert. Wichtig dabei ist jedoch nicht nur, was innerhalb von Förderungsstrukturen und ‑programmen passiert sondern auch, wie die Hochbegabten ihre Zeit in der Schule, in ihren „Stammklassen“ verbringen. Förderstellen und Schulen dürfen sich Verantwortungen jedoch nicht gegenseitig zuschieben sondern müssen eng zusammenarbeiten.
„Begabungen sind wie zarte Pflänzchen in einem Sandkasten. Wenn jemand unbedacht durchtrampelt, sind sie kaputt.”
Hilfe, da ist jemand begabt!
Begabte Kinder sind mitunter ein „Störfaktor“ im normalen Schulunterricht. Sie wollen mehr, brauchen anderes und fühlen sich nicht selten selbst als Fremdkörper in einer Klasse. Lehrkräfte haben bisweilen Angst vor dem Umgang mit begabten Kindern, weil sie selbst fachlich gefordert und möglicherweise sogar in Frage gestellt werden. Mit unserem Schulsystem geht einher, dass Lehrerinnen und Lehrer für gewisse Aufgaben nicht ausgebildet sind und deshalb ist im Sinne der Hochbegabtenförderung die Inklusion der Lehrkräfte zentral: Was müssen Lehrerinnen und Lehrer im Umgang mit Hochbegabten können und wissen? Gibt es zusätzliche Ressourcen? Denn dass die Förderung Hochbegabter durch die Ausbeutung engagierter Lehrkräfte passiert, kann und soll es nicht sein. Wie kann man das Potenzial der Begabung im Unterricht nutzen und anderen Schülerinnen und Schülern anbieten, sodass Begabte als Vorreiter für die gesamte Klasse erkannt und geschätzt werden, in deren Windschatten auch andere zu Höchstleistungen auflaufen können?
Intelligenzen gibt es viele
Wir gehen mittlerweile von einer Theorie multipler Intelligenzen aus, wobei besonders begabte Kinder oft in mehreren Bereichen herausragen. Sogenannte Inselbegabungen sind vergleichsweise selten. Unterschieden wird etwa in sprachlich-linguistische, logisch-mathematische, musikalisch-rhythmische, bildlich-räumliche, körperlich-kinästhetische, naturalistische, interpersonelle oder intrapersonelle Intelligenz. Die Stiftung Talente begleitet Hochbegabte und animiert sie dazu, ihre vielfältigen Fähigkeiten zu erproben und zu erkennen. Keinesfalls auf der Strecke bleiben darf dabei aber auch die Charakterbildung junger Menschen. Gerade in der persönlichkeitsbildenden Phase der Entwicklung junger Menschen ist es ganz entscheidend, wie sie selbst mit ihrer Begabung umgehen und sie einbringen.
Begabten- und Begabungsförderung ist Aufgabe der Gesellschaft
Wer ist nun eigentlich zuständig für die Förderung begabter Kinder und Menschen? Dafür, welche Chancen sie vorfinden – einerseits für die Entwicklung und Einbringung ihrer Begabungen und andererseits auf ein erfüllteres Leben? Man wäre versucht zu sagen, alle. Doch „Wenn alle verantwortlich sind, ist keiner mehr zuständig“, warnt das Podium. Eine Kooperation zwischen allen Ebenen ist daher unumgänglich. Ein grundlegendes Verständnis, eine Sensibilität für die Thematik an und für sich ist dabei erstes und oberstes Gebot. Hier ist Oberösterreich schon auf dem richtigen Weg, investiert es doch immerhin mehr in den Bereich der Hochbegabtenförderung als alle anderen Bundesländer gemeinsam.
Vernetzt lernen und Freiräume schaffen
Die Vertreterinnen und Vertreter des Podiums streichen die Bedeutung von vernetztem Lernen – besonders in den Bereichen der Naturwissenschaften und der Mathematik – hervor. Auch im Publikum hört man Kritik am strengen Fächerkanon: Wissen wird in einzelnen Fächern zusammenhangslos weitergegeben, es fehlt an einem Bild für das große Ganze, es fehlt an Begeisterung. Gerade in den MINT-Fächern ist das Erkennen der großen Zusammenhänge das um und auf. Additives Lernen ohne Querschüsse zu anderen Bereichen demotiviert und lässt den Sinn der Übungen vermissen. Dabei sind auch die Inhalte des Lehrplans nicht ausreichend abgestimmt, sodass Mathematik, Physik, Chemie und Biologie enger zusammenrücken könnten. Wichtig dafür sind freilich Freiräume: auch von klein auf kann man Kinder freier denken lassen und ihnen mehr Raum für freie Forschung zugestehen. Um Potenziale zu erhalten und auszuschöpfen darf man sie im Unterricht nicht zu eng führen. Das ist freilich eine Gratwanderung, doch die Schule sollte kein „Trichter“ sein, keine intellektuelle Engstelle, durch die es sich durchzuquetschen gilt, in der Hoffnung auf den Freiraum, der am anderen Ende wartet. Ähnliches gilt auch für die Universitäten: Einschränkungen der Selbstständigkeit und Tendenzen zur Verschulung gelten – speziell auch für Hochbegabte – nicht als förderlich für die Ausschöpfung der individuellen Potenziale.
Zur Lösung komplexer Probleme brauchen wir Hochbegabte
Die „einfachen” Probleme der Menschheit sind mehr oder weniger gelöst, die ungelösten Probleme der Gegenwart sind meist mehrdimensional und komplex. In einer globalisierten Welt nimmt diese Art an Problemen immer mehr zu und um sie optimal zu lösen braucht es Menschen, die mit großer Komplexität, großen Dimensionen und weitreichenden Verquickung umgehen können. Hochbegabte sind gefragter denn je. Sie nicht ausreichend zu fördern und ihnen Möglichkeiten zu bieten, können wir uns alleine deshalb schon nicht leisten.
Hochbegabte braucht es aber auch in anderen Bereichen. Auf Führungsebene brauchen wir z.B. Menschen, die Leadership zeigen und gemeinschaftliche Verantwortung übernehmen können. Wissenschaft ist heute höchst kompetitiv, es gibt viele Exzellenzen, die Arbeit in Teams wird immer schwieriger, die eigene Karriere steht oft im Vordergrund. Deshalb braucht es speziell auch hier Persönlichkeiten, die Handlungsqualitäten in diesen komplexen Feldern zeigen und leben.
Denksport als Breitensport
Denksport soll zum Breitensport werden, mit Teambewerben und Zusatzangebot, mit Publicity und entsprechenden Sponsoringgeldern. Das zu erreichen, ist ein hochgestecktes Ziel. Es gibt schon etliche Unternehmungen und Bemühungen in diese Richtung. So sind bei der „Experimentale“ des Landesschulrates jedes Jahr 16.000 Kinder in ganz Oberösterreich unterwegs und experimentieren, was das Zeug hält. Warum so etwas in den Medien nicht so stark vertreten ist, wie etwa ein Schulsporttag? Hier lauern noch kulturelle und gesellschaftliche Herausforderungen, bis Höchstleistungen in MINT-Fächern auch als „cool“ anerkannt werden.
„Begabtenförderung ist lohnend,“ ist ACADEMIA SUPERIOR Beiratsmitglied und Initiator der Diskussion Erich Peter Klement überzeugt. „Das ist sicher nicht einfach, aber mit viel vereintem gutem Willen und positiver Kooperation möglich.“