Dr. Hel­mut Kramer war bei unserem heuri­gen SURPRISE FACTORS SYMOSIUM als Experte zu Gast. Er sprach mit uns über das Altern der Gesellschaft, über die aktuelle demographis­che Sit­u­a­tion in Öster­re­ich, über die Finanzierung ein­er immer älter wer­den­den Gesellschaft und über Lösungsan­sätze für Her­aus­forderun­gen, die die Zukun­ft mit sich bringt.

„Alle Län­der der Welt altern, manche schneller, manche langsamer”, bestätige Kramer. Als Ökonom stellt er sich die Frage, ob diese Entwick­lung ein Prob­lem darstellt. „Über­haupt nicht” meint er und weist darauf hin, dass das Altern der Gesellschaft als Möglichkeit oder als wertvolles Geschenk des 20. Jahrhun­derts gese­hen wer­den kann. Allerd­ings kön­nen, aus ökonomis­ch­er Sicht, ein langes Leben und ein langer Ruh­e­s­tand kost­spielig sein. Als das Pen­sion­ssys­tem einge­führt wurde, betrug die Pen­sion­szeit durch­schnit­tlich fünf Jahre, heute jedoch sind die Men­schen bis zu 30 Jahre in Pen­sion. 2040 müsste jede und jed­er einzelne den dop­pel­ten Betrag des heuti­gen Sozialver­sicherungs­beitrags abtreten, damit das Pen­sion­ssys­tem finanziert wer­den kann. „Das ist unmöglich!” meint Kramer, da so das Geld der jun­gen Gen­er­a­tion zu den Pen­sion­is­ten umverteilt würde. Die junge Gen­er­a­tion würde sich Auswege suchen: auswan­dern oder in die Schwarzarbeit ausweichen.

Es han­delt sich hier um ein Phänomen, das die ganze Gesellschaft bet­rifft. Die Ein­fluss­bere­iche greifen ineinan­der. „Es ist Unsinn, wie wir es in Öster­re­ich machen: das Pen­sion­ssys­tem reformieren”, sagt Kramer und argu­men­tiert, dass es sich hier um kein geschlossenes Sys­tem han­delt. „Wir müssen Ergeb­nisse und Per­spek­tiv­en unter­schiedlich­ster Forschung­sein­rich­tun­gen zusam­menset­zen.” Lösungsan­sätze liegen nicht in einzel­nen Diszi­plinen son­dern sind ver­bun­den. Deshalb plädiert Kramer für ein Operieren auf einem trans­diszi­plinären Level.

In junge Länder investieren?

Um Kap­i­tal zur Finanzierung unser­er Pen­sio­nen zu lukri­eren kön­nten wir in so genan­nte junge Län­der investieren, in Infra­struk­tur zum Beispiel, schlägt Kramer vor. Allerd­ings, meint er, ist diese Strate­gie risiko­r­e­ich, nicht glaub­würdig und keine real­is­tis­che Idee für poli­tis­che Entschei­dungs­find­ung. Poli­tik­ern fehlt der allum­fassende Zugang; sie sehen die Finanzierung des Pen­sion­ssys­tems, des Gesund­heitssys­tems und des Pflegesys­tems als jew­eils eigen­ständi­ge Prob­leme, dabei greifen alle Bere­iche ineinan­der. Es genügt auch nicht Arbeit­skräfte zu importieren um das Prob­lem der Pen­sions­fi­nanzierung zu lösen. „Wichtig ist, wie man älter wird”, sagt Kramer.

Altwerden neu überdenken

Wed­er neue Refor­men noch neue sozialpoli­tis­che, wirtschaftliche oder finanzwirtschaftliche Insti­tu­tio­nen kön­nen die Sit­u­a­tion ändern. Wir haben es hier vielmehr mit der Neude­f­i­n­i­tion des Alters zu tun, als mit der Frage der Finanzierung unseres Sys­tems. „Es wird notwendig, das Älter­w­er­den neu zu über­denken und dem Ruh­e­s­tand mehr Bedeu­tung beizumessen”, so Kramer. „Wir müssen eine öffentliche Diskus­sion darüber führen, was es bedeutet, alt zu wer­den.” Heute sind Men­schen bei Ein­tritt in die Pen­sion zunehmend gesün­der, voller intellek­tueller Erfahrun­gen und guter Ideen.

„Dieses Poten­tial kann genutzt wer­den, anstatt die ältere Gen­er­a­tion von der Gesellschaft abzuschreiben.” Wir kön­nen die Gesellschaft im Ruh­e­s­tand in zwei Gen­er­a­tio­nen teilen, in die Gen­er­a­tion 80+ und in die Gen­er­a­tion 60+. Let­ztere ist zum Großteil fähig länger zu arbeit­en. Und dafür kön­nen wir Anreize schaf­fen. „Momen­tan richt­en sich alle Anreize gegen ein Weit­er­ar­beit­en”, so Kramer. Wir haben ein sehr niedriges Pen­sion­salter in Öster­re­ich, und das tat­säch­liche Pen­sion­santrittsalter liegt oft weit unter 60 Jahren. Heute denke jed­er nur an die Pen­sion. „Dieses Sys­tem ist nicht nach­haltig”, kri­tisiert Kramer.

Eine nachhaltige Lösung längerfristig gedacht

Ob wir nun die Fam­i­lie stützen, sozial-kar­i­ta­tive, kul­turelle Organ­i­sa­tio­nen, die mit dem Staat kooperieren, stärken, ein län­geres Arbeit­sleben, Immi­gra­tion, Par­tizipa­tion von Frauen im Arbeits­markt, bessere Insti­tu­tio­nen für Kinder fördern oder ökonomis­che Anreize set­zen und Bil­dung forcieren — „eine nach­haltige Lösung muss länger­fristig gedacht sein und über Jahre hin­weg erar­beit­et wer­den; es ist unmöglich dies in kurz­er Zeit zu tun.” Eine Lösung sieht Kramer in ein­er Kom­bi­na­tion von mehr oder weniger allen Zugän­gen. Viele von diesen Zugän­gen müssen in einem strate­gis­chen Konzept vere­int wer­den. „Der Erfolg wird bess­er sein, wenn wir Syn­ergien unter­schiedlich­er Forschungs­diszi­plinen und zum Beispiel sozi­ol­o­gis­ch­er und ökonomis­ch­er Fak­toren nutzen”, weist Kramer hin. Um einem „Gen­er­a­tio­nen-Clash” zu ent­ge­hen ist es notwendig, „Ele­mente für eine explizite Gen­er­a­tio­nen-Poli­tik zu entwickeln.”

Früher war die Fam­i­lie die Insti­tu­tion, die sich um Altersvor­sorge küm­merte. „Wir müssen mehr auf Fam­i­lien bauen und eben­so Anreize schaf­fen, um die Arbeit­skräfte länger am Arbeits­markt zu hal­ten”, fordert Kramer. Skan­di­navis­che Län­der zeigen uns inter­es­sante Beispiele für insti­tu­tionelle Für­sorge. Sie ermöglicht nicht nur eine höhere Anzahl an Müt­tern im Arbeits­markt, Vätern in Karenz son­dern auch finanzielle Anreize um Arbeit­skräfte im Alter noch zu behal­ten. In Öster­re­ich gibt es Anreize für eine zusät­zliche pri­vate Vor­sorge, allerd­ings ist dieser Weg nicht gut genug entwickelt.
„Das einzig Ratio­nale das wir tun kön­nen ist, der jün­geren Gen­er­a­tion die best­mögliche Bil­dung zu ermöglichen um sie vorzu­bere­it­en für die Lösung von Prob­le­men, denen sie gegenüber­ste­hen wer­den”, so Kramer.

Zitate:

  • „One of the most valu­able gifts the 20th cen­tu­ry has giv­en to the world was longevi­ty, increas­ing life expectan­cy by about three years in a decade or four months a year.”
  • „Think­ing of retire­ment is to go as ear­ly as pos­si­ble and to do nothing.”
  • „I think Aus­tria is an extreme exam­ple in that respect of dis­in­cen­tives to work longer. In Aus­tria, ele­ments of that have been intro­duced against it.”
  • „It is non­sense as we do it in Aus­tria to say we have a pen­sion sys­tem and we have to think of the reform of the pen­sion sys­tem. This is not a closed sys­tem, that is the prob­lem and to com­mu­ni­cate that to the pol­i­cy­mak­ers is very, very hard.”
  • „Xeno­pho­bic reac­tions will lose their inten­si­ty. To some extent Aus­tri­ans become famil­iar with liv­ing togeth­er with peo­ple from oth­er coun­tries and oth­er cultures.”
  • „I„m strong­ly advo­cat­ing to strength­en social car­i­cat­ur­al, cul­tur­al organ­i­sa­tions which work togeth­er along with the state.
  • „We should devel­op old ideas new for the times to come.”
  • „A sus­tain­able solu­tion has to be built up in the years to come, not at the moment, it’s impos­si­ble to do that in a very short time.”
  • „The inter­gen­er­a­tional dia­log is very impor­tant. I think it’s one of the most seri­ous ques­tions we have to answer.”