„Diversität begegnet uns täglich und fordert uns heraus. Es geht darum, die Ressourcen aus den unterschiedlichsten Bereichen zu nutzen und zu unseren Stärken zu formen“, sagte ACADEMIA SUPERIOR Obmann und LH-Stv. Michael Strugl einleitend beim diesjährigen Kamingespräch im Tiroler Bergdorf Alpbach. Bereits zum sechsten Mal veranstaltete ACADEMIA SUPERIOR – Gesellschaft für Zukunftsforschung gemeinsam mit dem Studierendennetzwerk Club Alpbach OÖ eine Diskussionsrunde mit namhaften Persönlichkeiten.
Bildungsforscherin und Kultur- und Sozialanthropologin Barbara Herzog-Punzenberger, Industrieller und Vorsitzender des Rates für Forschung und Technologieentwicklung Hannes Androsch und Humangenetiker und Wissenschaftlicher Leiter der ACADEMIA SUPERIOR Markus Hengstschläger debattierten gemeinsam mit Studierenden folgende gesellschaftsrelevante Fragen: Wie viel Diversität kann die österreichische Bildungslandschaft ertragen? Was ist die Rolle des Bildungssystems und was muss es leisten, um gerechte Chancen für alle generieren zu können?
Diversität prägt uns in jeder Hinsicht
Diversität ist auch ein zentrales Charakteristikum des Club Alpbach OÖ. „Der Club verschreibt sich in seinen Aktivitäten der Förderung und Nutzung von Vielfalt innerhalb der Gesellschaft – sowohl bei der Stipendiatinnen- und Stipendiatenauswahl, als auch bei unseren thematischen Schwerpunktsetzungen“ betont Katharina Fernandez-Metzbauer, Präsidentin des Club Alpbach OÖ in ihrer Begrüßung. In einigen Ländern stellt Vielfalt und Diversität die Grundlage sowohl für die Gesellschaft, als auch für das Bildungssystem dar, meint LH-Stv. Michael Strugl: „Auch Österreich muss in diese Richtung gehen“.
„Evolution hätte ohne Vielfalt nicht stattgefunden.“
– Hannes Androsch
Unternehmer Hannes Androsch sieht die Vielfalt der Gesellschaft als wesentliche Säule der Kreativität und warnt vor den deutlich spürbaren Tendenzen des Isolationismus. „Für mich ist Diversität eine sogenannte evolutionäre kreative Notwendigkeit, die zunehmend wichtiger wird“ betont Androsch.
„Die meisten Güter und Produkte gibt es bei uns nur aufgrund des Kulturaustausches und der Migration.“
– Barbara Herzog-Punzenberger
Bildungsforscherin Herzog-Punzenberger ergänzt: „Viele unserer Kulturgüter wie das Christentum, die Mathematik oder aber auch die Kartoffel sind auf eine lebendige Migrationskultur zurückzuführen“.
Biologische Vielfalt – unsere wichtigste Ressource?
Im 21. Jahrhundert sind die Gesellschaften Europas vom Trend zu mehr Diversität geprägt: Kulturelle, sprachliche, soziale und ökonomische Unterschiede in der Bevölkerung werden nun wieder verstärkt wahrgenommen. Humangenetiker Markus Hengstschläger zeigt sich überzeugt: „Jeder Mensch ist unterschiedlich. Diese Vielfalt muss als Stärke gesehen und genutzt werden. Auch das Bildungssystem muss Diversität als Chance nutzen“. Hengstschläger plädiert dafür, die Individualität eines jeden Menschen in der Schule zu fördern.
„Es herrscht nicht nur Chancenungleichheit in der Bildung, sondern auch in der Talentfindung.“
– Markus Hengstschläger
Androsch fügt weiter hinzu: „Statt, dass wir vorangekommen wären, sind wir zurückgefallen. Wir haben Aufholbedarf im Bildungsbereich.“ Den grundlegenden ersten Schritt sieht den Unternehmer, der 2011 das “Volksbegehren Bildungsinitiative” initiiert hat, in der Einführung der Ganztagsschule.
Diversität für mehr Chancengerechtigkeit
Aus den Ergebnissen der PISA-Tests zeigt sich, dass Migration nicht ursächlich ein Problem darstellt, so Herzog-Punzenberger. „Ausschlaggebend für Leistungsunterschiede bei Schülerinnen und Schülern ist das Bildungsprofil der Eltern“, bestätigt ihre vielbeachtete Studie „Migration und Mehrsprachigkeit“ zum Thema Migration und Bildung und widerlegt damit die Irrmeinung, Migration oder Mehrsprachigkeit wären die Ursachen für Probleme in der Schule bei Kindern. Um mit Diversität und Vielfalt im Bildungssystem positiv umzugehen, setzt sich Herzog-Punzenberger für eine Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer im Umgang mit Mehrsprachigkeit für einen sprachsensiblen Fachunterricht sowie für die aktive Einbindung der Eltern in den Diversitätsprozess ein.
Humangenetiker Hengstschläger rät zudem „unser Bildungssystem muss es sich zur Aufgabe machen, Potenziale bei Kindern frühzeitig zu fördern, wie etwa durch Talentscouts. Jedes Kind sollte ein Recht darauf haben, dass die Schule ihr oder sein Talent findet und entsprechend fördert, denn Diversität und die Ausschöpfung individueller Potenziale sind der Schlüssel, um in der Innovation vorne mit dabei zu sein.“
„Wer sich nicht auf den Weg macht, der bleibt stehen. Europa geht nicht los. Asien hingegen bricht auf und ist bei Erfindungen auf dem Vormarsch. Kindergärten, Schulen und Universitäten brauchen Mut und müssen junge Menschen motivieren loszugehen, denn nur so kann man Ungeahntes entdecken.“
– Markus Hengstschläger
Eine rege Diskussion der Expertinnen und Experten mit den Studierenden brachte unter anderem Fragen der praktischen Umsetzung auf. Dass Bildung nicht nur in der Schule stattfindet, ist eine in Österreich im Vergleich zu beispielsweise Deutschland oder den USA noch weniger verbreitete Ansicht. Durch die Einführung einer Bildungspflicht statt der Schulpflicht könne man möglicherweise mehr Chancengerechtigkeit erwirken.