„Crossing Art & Science” ist eine neue Veranstaltungsreihe vom „Kraftwerk — Centre for Interdisciplinary Research” und ACADEMIA SUPERIOR für den Austausch inter- und transdisziplinärer Forschung, die zwei Mal im Jahr in der Tabakfabrik Linz stattfinden wird. Dabei wird ein Thema aus verschiedenen Perspektiven in Kunst und Wissenschaft beleuchtet. „Crossing Art & Science” bringt Künstler*innen, Wissenschafter*innen und Akteur*innen der Praxis zusammen, um Austausch, Vernetzung und potentielle Kooperationen über disziplinäre Grenzen hinweg anzustoßen. Am 6.11. fand die Auftaktveranstaltung zur neuen Reihe statt.
Interdisziplinarität ist der Schlüssel, um die Welt zu verstehen
Beim Auftakt durften Rektor Univ.-Prof. Dr. Meinhard Lukas von der Johannes Kepler Universität Linz und Beiratsmitglied von ACADEMIA SUPERIOR und Rektor Univ.-Prof. Dr. Reinhard Kannonier von der Kunstuniversität Linz nicht fehlen: „Interdisziplinarität liegt sozusagen in den Genen unserer Hochschulen, jetzt arbeiten wir daran, das noch weiter zu intensivieren”, meinte Meinhard Lukas im Talk der Rektoren und Reinhard Kannonier fügte hinzu: „In der Verbindung von Kunst und Wissenschaft liegt ein enormes Potential. Ich bin überzeugt, wenn die Linzer Universitäten stärker kooperieren, dann wird das abgehen wie eine Rakete”.
Die Welt ist zu komplex geworden, um nur aus einer Sichtweise erklärbar zu sein. — Azra Akšamija
Impulse dafür konnte man sich von der MIT-Professorin Azra Akšamija holen. Sie leitet das Future Heritage Lab am renommierten Massachusetts Institute of Technology. Am MIT wird Interdisziplinarität seit Jahrzehnten erfolgreich in der Forschungsarbeit integriert. Im weltweit bekannten MIT Media Lab wird sogar Antidisziplinarität als Ansatz gewählt, um bewusst jene Themen und Forscher*innen anzuziehen, die nicht in die traditionellen akademischen Disziplinen passen.
Plädoyer für eine neue Forschungskultur
Für Azra Akšamija ist Interdisziplinarität der „Schlüssel zur Beantwortung der Zukunftsfragen. Denn die Welt ist zu komplex geworden, um nur aus einer Sichtweise erklärbar zu sein”. Die Zusammenarbeit der wissenschaftlichen Fächer bringt aber auch neue Herausforderungen auf der Ebene der Forschungsinfrastruktur, der zwischenmenschlichen Arbeit und bei den unterschiedlichen wissenschaftlichen Methoden. Gerade in einem künstlerischen Zugang sieht die international renommierte Künstlerin mit bosnisch-österreichischen Wurzeln „eine Möglichkeit, um die unterschiedlichen Forschungsparadigmen stärker in Einklang zu bringen”.
Zugänge zum Thema Geschwindigkeit
Der Auftakt von Crossing Art & Science #1 stand unter dem Motto „Geschwindigkeit”. Vier Wissenschaftler*innen aus unterschiedlichen Fachrichtungen gaben siebenminütige Einblicke in ihre Forschung unter der Perspektive der Geschwindigkeit:
Ass.-Prof. DI (FH) Marianne Pührerfellner, Abteilung Visuelle Kommunikation der Kunstuniversität Linz erklärte, dass visuelle Kommunikation einen angenehmen Rhythmus braucht, um zu funktionieren. Visuelle Symbole dienen dazu, die menschliche Kommunikation rascher und einfacher ablaufen lassen zu können. So haben sich etwa drei Striche – das sogenannte Hamburger-Menü-Icon – im Internet als visueller Code etabliert, um schnell das Menü einer Website finden zu können. Einfach neue Symbole zu erfinden, überfordert die visuelle Kommunikation aber meist. Bereits bekanntere Symbole zu benützen und neu zu besetzen, funktioniert meist besser, meinte Pührerfellner. „Die entscheidende Frage ist aber, ob die zwischenmenschliche Kommunikation auch in Zukunft mit der viel rascheren Kommunikation zwischen den Maschinen mithalten können wird”, betonte die Forscherin.
Univ.-Prof. Dr. Anna Minta, Institut für Geschichte und Theorie der Architektur der Katholischen Privatuniversität Linz sprach darüber, dass zu hohe Geschwindigkeit zu Stillstand im Raum führen kann. Gerade in der Architektur schrecken die Menschen vor zu radikalen Neuerungen zurück. Oft dominiert der optische Wunsch, nach alten und gewohnten Baustilen. Dies ist vielleicht eine Gegenreaktion auf „die Wahrnehmung der Beschleunigung und des unaufhaltsamen Fortschritts in der Moderne”, so Minta. Historische Assoziationen könnten, bei rapiden technischen und sozialen Veränderungen, eine wichtige psychologische Funktion für den Umgang oder die Verarbeitung dieser Entwicklungen beim Menschen haben.
Sander Hofstee, BA, Labor Kreative Robotik der Kunstuniversität Linz führte in die Schwierigkeiten ein, Robotern das Gitarrenspielen beizubringen und erklärte, warum es dabei auf Ent- und Beschleunigen sowie das perfekte Zusammenspiel ankommt. Ein Problem liegt darin, die Bewegungen der menschlichen Hände und der zehn Finger auf zwei Roboterarme ohne Fingern, zu übertragen. Zusätzlich müssen sich die Arme aufeinander abgestimmt im richtigen Takt bewegen um Musik erzeugen zu können.
Dr. Karin Bruckmüller, Institut für Strafrechtswissenschaften an der JKU Linz, besprach die unterschiedlichen Geschwindigkeiten von technischer Innovation und Gesetzgebung. Sie stellte die Frage, wie schnell das Recht sich verändern können muss, um technische Innovation nicht zu behindern, sondern zu fördern. Am Beispiel von strafrechtlichen Fragen bei Unfällen mit autonomen Fahrzeugen wird dies klarer: Da etwa die Schuldfrage bei einem Unfall eines selbstfahrenden Autos noch nicht geklärt ist, müssen Entwickler*innen derzeit in einer rechtlichen Grauzone arbeiten. Das behindert die Innovation in diesem Feld. Bruckmüller stellte klar: „Wir müssen klären, wer bei einem Unfall in Zukunft schuld sein wird: Der Fahrer, der gar nicht eingreifen kann? Der Programmierer, der den Algorithmus schrieb? Oder vielleicht das künstlich intelligente Auto selbst, weil niemand vorhersagen kann, wohin sich seine künstliche Intelligenz entwickelt hat?”
Auf die kurzweiligen Präsentationen folgte eine gemeinsame Diskussion mit dem Publikum darüber, welche Herausforderungen Interdisziplinarität an die Linzer Hochschulen stellt. Da wurde hervorgestrichen, dass Forscher*innen ihre eigene Disziplingebundenheit reflektieren müssten, um stärker in den Dialog mit anderen eintreten zu können.
Die Veranstaltungsreihe „Crossing Art and Science” findet in Zukunft zweimal jährlich in Kooperation zwischen dem Kraftwerk – Centre for Interdisciplinary Research, Art & Science und der ACADEMIA SUPERIOR – Gesellschaft für Zukunftsforschung statt.