Wie das Land mit den großen Megatrends der Zukunft – Digitalisierung, Flexibilisierung, demografischer Wandel und Wissensgesellschaft – umgeht, wird zentral für die Zukunft des Standortes und des Arbeitsmarktes sein, erklärt Birgit Gerstorfer, Landesgeschäftsführerin des Arbeitsmarktservice Oberösterreich.
Neue Lösungen müssen vor allem in der Qualifizierungs- und Bildungspolitik sowie dem betrieblichen Gesundheits- und Generationenmanagement gefunden werden.
Herausforderung an den Standort Oberösterreich
Große kurz- und mittelfristige Herausforderungen sowie Handlungsfelder für den Standort Oberösterreich bestehen derzeit in den Bereichen demografischer Wandel, Flexibilisierung am Arbeitsmarkt, Qualifizierungs- bzw. Bildungspolitik, Digitalisierung (Industrie 4.0) sowie der Gestaltung der Wissensgesellschaft innerhalb der heimischen Betriebe.
Demografischer Wandel und Industrie 4.0
Die demografischen Veränderungen werden uns vor große Herausforderungen am Arbeitsmarkt stellen: Im Jahr 2030 sind um rund 23.000 weniger Junge zwischen 15 und 25 Jahren zu erwarten, 34.000 weniger 25–49-Jährige, aber dafür um rund 40.000 Ältere ab 50 Jahren mehr.
Gleichzeitig gehen wir von einem Zuwachs der Beschäftigung aus, welche die Situation nochmals verschärfen wird. Die Zahlen können sich nun noch durch die aktuellen Flüchtlingsströme bzw. weiterhin anhaltende hohe Zuwanderungszahlen etwas verändern, aber dennoch wird es gravierende Verschiebungen geben, auf die der Arbeitsmarkt reagieren muss. Zudem gehen wir von einer deutlichen Verschiebung des Arbeitskräftepotentials von den ländlichen Regionen in den Zentralraum aus.
Industrie 4.0 lässt erwarten, dass sich die Anforderungen der Arbeitsplätze maßgeblich verändern. Das Ungleichgewicht zwischen ausreichend gut gebildeten Arbeitskräften und den Anforderungen der Arbeitsplätze der Zukunft muss in Zukunft noch aktiver gestaltet werden – um es möglichst gering zu halten. Bildung und Weiterbildung werden hierfür eine noch größere Rolle spielen als bisher.
Bildung und Weiterbildung sind zentral
Besonders wichtig ist also die Fokussierung der vorhandenen Kräfte auf die Bildung und Weiterbildung der Menschen. Formen des lebenslangen Lernens werden in Zeiten rascher Veränderungsgeschwindigkeiten und rasch fortschreitender Technisierung für alle Arbeitskräfte oberste Priorität erlangen.
Betriebe intern fit für die Zukunft machen
Das aktive Gestalten der Arbeitgebermarke in Form von „Employer Branding“ wird unabdingbar für wachsende Unternehmen mit hohen Qualifikationsanforderungen. Dabei geht es um einen psychologischen Vertrag mit den MitarbeiterInnen, der auch in die Pension wirkt und möglicherweise neue BewerberInnen anzieht. Neue Werte als Arbeitgeber fließen hier ein. Persönliche Entfaltungsmöglichkeiten der MitarbeiterInnen, Aufstiegschancen, abwechslungsreiche Aufgaben, Work-Life-Balance, Diversitymanagement, flexible Arbeitszeiten und Arbeitszeitmodelle, die sich an die unterschiedlichen Bedürfnisse anpassen werden zunehmend mehr Gewicht haben.
Auch das Generationenmanagement im Betrieb wird noch mehr an Bedeutung gewinnen. Dabei geht es um die Bewusstseinsbildung der UnternehmerInnen und MitarbeiterInnen in Bezug auf die Wertehaltung der einzelnen Generationen im Unternehmen. Die Unternehmensprozesse und das Führungsverhalten müssen auf diese Erkenntnisse abgestimmt und somit die Vorteile jeder Generation genutzt werden.
Betrieblicher Gesundheitsförderung wird noch mehr Bedeutung zugeschrieben werden müssen, da sich das Durchschnittsalter der Belegschaft stetig nach oben entwickeln wird.
Die Einführung bzw. Perfektionierung von Wissensmanagement mit dem Ziel der Differenzierung zwischen Information und Wissen, der Förderung von Transparenz des Wissens, die Bereitstellung hoher Wissensqualität, die Weitergabe von Erfahrungswissen sowie die Weitergabe und des Managements von Kompetenzen wird in Zeiten hoher Digitalisierung unumgängliche Strategie der erfolgreichen Unternehmen.
Produktivität muss weiterhin ausgereizt werden, aber parallel dazu muss die soziale Produktivität – d.h. der Einsatz von sozialer Interaktion in Relation zum Output – zum Thema werden.
Konsens in der Bildungspolitik – die größte Herausforderung
Die schwerste Aufgabe ist es wohl Konsens in der Bildungspolitik herzustellen. Auch wenn wir heute eine rasche Entscheidung mit Weichenstellungen für die Zukunft hätten, wäre der Output erst beginnend in rund 10 Jahren zu erwarten. Bis dahin müssen wir mit dem bestehenden Bildungssystem Vorlieb nehmen.
Neue Lernmethoden, angepasst an die Technisierung und Digitalisierung, finden noch zu wenig Einzug in die Klassenzimmer, etwas was man schnell anpacken könnte und müsste.
Zu geringes Bewusstsein ist noch im Bereich des Generationenmanagements, des Wissensmanagements und im Bereich der Gesundheitsförderung in den Betrieben vorhanden. Nur wenige Betriebe – darunter vorwiegend die großen Unternehmen mit eigenen PersonalentwicklerInnen – sind sich dieser Herausforderungen bewusst.
Wenn Oberösterreich in diesen Feldern aktiv gestaltet, kann die Zukunft des Standortes abgesichert werden und das Land eine Vorreiterrolle einnehmen. Auch in der Vergangenheit hatten bereits viele österreichweit umgesetzte Modelle und Förderinstrument in Oberösterreich ihre Wurzeln und wurden hier pilotiert.
Zur Person
Birgit Gerstorfer ist Landesgeschäftsführerin des Arbeitsmarktservice Oberösterreich und sammelt seit 25 Jahren Erfahrungen in der Arbeitsmarktvermittlung und im Standortmanagement.
Sie ist eine der Expertinnen, die im Rahmen von Zukunft 5.0 ihre Ideen einbringen und die Zukunft mitgestalten.