„Das Neue Alt” war Thema des ACADEMIA SUPERIOR PLENUMS, der Abendveranstaltung am 17.3. im Rahmen des 2. SURPRISE FACTORS SYMPOSIUMS in Gmunden. Entstanden ist das Thema aus der Diskussion um die demographische Entwicklung, die unsere sozialen, ökonomischen und politischen Institutionen vor völlig neue Herausforderungen stellt.
„Alt sein” neu
Noch nie lebten die Menschen so lange wie heute. Noch nie waren alte Menschen so aktiv, so gesund und so gebildet wie in unserer Zeit. Das „Alt sein” von heute hat eine andere Bedeutung als das „Alt sein” von gestern und das „Alt sein” von morgen wird wiederum komplett neue Facetten enthalten: Es ist „Das Neue Alt”. Andererseits wurde das Neue noch nie so schnell alt wie heute. Die technische Entwicklung und die wirtschaftliche Dynamik sind heute enorm beschleunigt und schneller denn je. Alleine an der Informationstechnologie kann man die rasante Geschwindigkeit beobachten, mit der gewissermaßen im Monatstakt technische Neuerungen über Produktinnovationen ihren Weg auf den Markt finden.
Einblicke in Expertengespräche
Die Plenumsveranstaltung gewährte Einblicke in die tagsüber von Alan Webber moderierten Expertengespräche und die Diskussionen, an denen sich auch Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats und Studierende beteiligten.
Als angesprochene Themen, die untertags leidenschaftliche diskutiert wurden, griff Obmann Michael Strugl etwa die Auswirkungen demographischer Entwicklungen auf Pensionssysteme, Gesundheitssysteme, die Arbeitswelt, die Architektur, Raumplanung, Städteplanung, Formen des Zusammenlebens, und nicht zuletzt demokratiepolitische Prozesse und den Intergenerationendialog heraus: „Was tun, wenn eine ganze Generation den Exodus vollzieht und es nicht mehr mitträgt, dass ein immer größerer Teil des Erwerbseinkommens in soziale Systeme fließt? Was bedeutet das demokratiepolitisch, wenn die Mehrheit in einem immer größeren Ausmaß die älteren Menschen sind, was bedeutet das für die erwerbstätige Generation; kann man sich da noch nach der Mehrheit richten?”
Für Michael Strugl ist klar, die Vorreiterrolle unter den Ländern dieser Erde können sich nur jene sichern, die — konfrontiert mit einer stetig älter werdenden Population — als erstes die Herausforderungen erkennen und konstruktive Antworten auf den demographischen Wandel suchen.
Jung trifft alt: Hengstschläger im Gespräch mit Djerassi
Der rote Faden, der sich durch den Abend zog, war das Gespräch zwischen dem wissenschaftlichen Leiter von ACADEMIA SUPERIOR, dem Genetiker und Bestseller-Autor („Die Durchschnittsfalle”) Markus Hengstschläger und Carl Djerassi, dem berühmten Co-Erfinder der „Pille”, der sich selbst auch als „Mutter der Pille” bezeichnet. Die beiden Berufskollegen aus verschiedenen Generationen, sprachen über die Vervielfachung des Wissens in immer kürzerer Zeit, Rückläufige Geburtenraten und aussterbende Nationen, Immigrationspolitik, Fortpflanzungsmedizin und ökonomische und gesellschaftliche Veränderungen.
Nach der Pension eine neue Berufung
Vor mittlerweile 60 Jahren arbeitete der Chemiker Djerassi an der „Pille”, eine der bahnbrechendsten und gesellschaftsverändernden Erfindungen des 20. Jahrhunderts. Mittlerweile ist der fast 90-Jährige Stanford-Professor auch als Schriftsteller tätig, schreibt Theaterstücke und zuletzt auch Lyrik. So argumentiert er auch, dass sein berufliches Alter in dieser zweiten beruflichen Karriere gerade einmal Mitte Vierzig ist und empfiehlt allen Leuten, in der Pension einen völlig andere Beruf aufzunehmen, um geistig fit zu bleiben.
Keine Einmischung in Fortpflanzungsmedizin
Carl Djerassi rät jungen Frauen, in einem jungen Alter Eizellen zu entnehmen und auf — idealerweise verschiedenen — Banken einfrieren zu lassen („sollte eine Pleite gehen”), um sie dann bei Bedarf zu einem späteren Zeitpunkt zu verwenden. Auf den Einwand Hengstschlägers, dass dies in Österreich gesetzlich nicht möglich sei, teilt Djerassi seine Ansicht, dass Österreich eines der primitivsten Länder in dieser Hinsicht ist, denn in diesem Bereich „haben weder Politik noch Kirche mitzumischen.”
Intelligente Immigrationspolitik
Auch von der österreichsichen Immigrationspolitik hält Djerassie wenig. „Immigrationspolitik, ist die neue Zukunft”, so der Co-Erfinder der Pille. Eine intelligente Immigrationspolitik ist für Österreich von größter Wichtigkeit um einem nationalen Selbstmord zu entkommen. Migranten müssen Vorteile sehen um in ein Land zu kommen und um zu bleiben.
Aussterbende Nationen
Djerassi unterteilt die Welt in geriatrische und pädiatrische Länder, also Länder mit einer zunehmend älter werdenden Bevölkerung und Länder mit hohen Geburtenraten. Die demographische Entwicklung eines Landes hängt allerdings nicht nur von der Regulation der Geburten und der Immigration ab, betont Markus Hengstschläger. Unsere Zukunft kann durch einen Generationendialog, aktive Immigrationspolitik, Bildung, Kooperationen, durch Familienpolitik, ja auch durch zeitgemäßes Design auf einen würdigen Weg geführt werden.
Das Neue Alt: Perspektiven aus den USA, Europa und China
Ergänzt wurde das Gespräch der beiden Kollegen durch drei Impulsstatements. Alan Webber, Mitbegründer der erfolgreichsten Zeitschrift „Fast Company” und nach eigener Berufsbezeichnung „Global Detective” gab ein Statement zum Thema „Amerika — Die Neue Welt”, Aleksandra Izdebska, die aus Polen stammende Wiener Unternehmerin und Co-Gründerin von DiTech sprach über „Europa — Die Alte Welt neu” und Harrison Liu und Jehanne deBiolley, ein in Peking lebendes Designerpaar, zu „China — die Alte Neue Welt”.
Das alte und neue Europa, China und Amerika
Aleksandra Izdebska, in Polen aufgewachsen, erzählte in ihrem Impulsstatement ihre „europäische Geschichte”; vom Wechsel aus dem alten, kommunistischen Europa in das (für sie) neue, westliche Europa. Das alte Europa war für Izdebska ein Europa, in dem ihr Grenzen gesetzt wurden, in dem sie die notwendigen Ressourcen für ihre Entwicklung nicht nutzen konnte. Das neue Europa bedeutete für sie Zukunft, Wohlstand, Reichtum. In Wien gründete sie ein Unternehmen, das mittlerweile 300 Mitarbeiter beschäftigt, mit einem neuen, modernen Produkt. Auf diese Weise verknüpfte sie Altes und Neues. Das Neue für Izdebska sind heute unterschiedliche Gesellschaften, Politiken und große Freiheiten im alten Europa, für sie: das Neue Alt. Wir haben gemeinsame Vorteile in Europa aber wir sollen unsere gemeinsamen Probleme nicht vergessen, betonte Izdebska. Wie sich Europa verändert „hängt von innen ab”. Das wichtigste für sie ist ein „nachhaltiges Tun”.
Weltpolitische Ereignisse verändern die Identität und Wahrnehmung von Ländern wie China. Jehanne de Biolley und Harrison Liu, zwei Designer die in Peking leben, sprechen von einer alten Chinesischen Kultur die sich in einem neuen, zeitgenössischen China-Style entfaltet. Alte und neue Elemente werden in diesem Style integriert. Sie stellen fest, dass, im Gegensatz zu Europa, ein großer Anteil der alten Bevölkerung Chinas noch sehr aktiv am (öffentlichen) Leben teilnimmt, sich gemeinsam bewegt, Gedanken, Erfahrungen und Ideen austauscht. Alt und Neu leben heute in China in Symbiose.
Für Amerika gilt laut Alan Webber ebenso eine Kombination aus Altem und Neuem. „Die Werte sind alt, die Lösungen neu”, so Webber mit Referenz auf die Festschreibung der Grundrechte in der amerikanischen Verfassung, die zur damaligen Zeit revolutionär war. Auch den Amerikanischen Traum ist ein unerlässliches Element und mit dem „Frontier”-Denken der Amerikanerinnen und Amerikaner eng verknüpf, das bis heute dazu führ, dass die USA nicht veralten. Oberösterreich, bemerkt er, ist eine Region die vorausschauend denkt; ACADEMIA SUPERIOR lobt er als sehr bemerkenswerte Unternehmung für dieses Bundesland und für Österreich.
Würde und der Schatz der Älteren
Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer schloss das Plenum mit einer Darstellung von Herausforderungen und Zielen für die Zukunft: „Für die Zukunft ist es nicht nur unsere Aufgabe, der ökonomischen Entwicklung auf die Finger zu schauen”, für Pühringer steht vor allem immer die Würde des Menschen im Mittelpunkt. „Unsere Zukunftsfragen sind genauso die würdige Entwicklung des Menschen sowie ein würdiges Sterben.” Pühringer plädiert für einen verantwortungsbewussten Umgang mit dem Schatz der Älteren, für einen sorgsamen Umgang mit den Begabungen der Menschen und für einen besseren und respektvollen Einsatz von Migrantinnen und Migranten auf dem Arbeitsmarkt. „Außerdem,” so Pühringer, „dürfen wir Arbeitende über 60 nicht bestrafen.„Josef Pühringer betonte weiter, dass eine gute Politik in Oberösterreich Entwicklungen und Wandel erkennen und festmachen muss. Dazu sollen viele qualifizierte Meinungen einbezogen werden. ACADEMIA SUPERIOR kann hier Handlungsmöglichkeiten aufzeigen.”
Mut für die Zukunft
Für die Gründung von ACADEMIA SUPERIOR bedurfte es großen Mutes und vor allem Mut brauchen wir für die Zukunft, so Markus Hengstschläger. ACADEMIA SUPERIOR ist eben nicht nur Think Tank sondern auch „Do Tank”.