De|mo|gra|fie, die (f.);<gr.>: demos („Volk, Staat“) u. gráphein („schreiben“); Bevölkerungswissenschaft, Bevölkerungsbewegung; die Demografie beschreibt als Wissenschaft die wirtschafts- und sozialpolitischen Bevölkerungsbewegungen auf statistische und theoretische Weise, untersucht die alters/zahlen mäßige Aufteilung, räumliche Verteilung sowie sozioökonomische und politische Faktoren der Bevölkerungsveränderung.
Herausforderungen des demografischen Wandels
Die Zukunft ist auch nicht mehr das, was sie einmal war. In allen Bereichen, sozusagen „von der Wiege bis zur Bahre“, hat sich viel getan. Bevölkerung heute sieht anders aus als noch vor einigen Jahrzehnten. Die Anzahl der Geburten und der Todesfälle, die Zu- und Abwanderung, die geografische Verteilung, ebenso die Rolle der Geschlechter, die Arbeitswelt und generell die Lebensumstände haben sich geändert. Diese Entwicklungen in der Bevölkerung müssen Grundlage für Entscheidungen sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft und nicht zuletzt im sozialen Bereich sein.
Mit Veränderungen gehen auch Herausforderungen einher. So wissen wir, dass der demografische Wandel gewachsene Sozialsysteme überlasten wird. Und darauf gilt es zu reagieren. Die Strukturen müssen den heutigen Erfordernissen angepasst werden, es braucht Maßnahmen und Innovationen, die das Miteinander der Generationen fördern.
Der demografische Wandel hat nicht nur Auswirkungen auf ökonomische und soziale Fragen, sondern auch auf demokratiepolitische: Wird die Politik zunehmend von den Interessen der Älteren bestimmt? Ist die Politik für die jüngeren Generationen mehrheitsfähig?
Wir werden immer älter – und weniger
Seit 50 Jahren ist die Lebenserwartung in Österreich um 12 Jahre gestiegen und liegt heute bei knapp 81 Jahren. Dieses lange Leben verdanken wir verschiedenen Faktoren, etwa bestem Trinkwasser, reichhaltigen Nahrungsmitteln, hohen Hygienestandards, einer guten Gesundheitsversorgung und dem Zugang zu medizinischem Fortschritt. Gute Arbeitsbedingungen und hohe Bildungs- und Sicherheitsstandards tragen ebenso zur wachsenden Lebenserwartung bei wie demokratische Strukturen und politische Stabilität. All das sind zentrale Elemente unseres Wohlstands.
Parallel zur steigenden Lebenserwartung verzeichnen wir aber einen Geburtenrückgang. Heute kommen in Österreich pro Frau 1,46 Kinder zur Welt. Mit einem Schnitt von 1,61 Kindern liegt Oberösterreich bundesweit an der Spitze. Für eine gleichbleibende Bevölkerung wären aber 2,1 Kinder nötig. Wie die meisten westlichen Länder zählt Österreich damit zu den geriatrischen Ländern und würde – bei anhaltendem Trend und ohne Einwanderung – mittelfristig aussterben.
Die Bevölkerungspyramide zeigt: Das Sozialgefüge steht spätestens mit dem Pensionsantritt der Baby-Boomer ab 2030 vor völlig neuen Herausforderungen. Dann muss das System von einem immer kleiner werdenden Teil an Erwerbstätigen getragen werden. Kann es das sein?
Droht der Generationen-Clash?
Bürgerinnen und Bürger gehören zum einen der unveränderlichen Altersgruppe (Geburtsjahrgänge) und zum anderen einer Altersstufe an, die sich im Laufe der Zeit vom Kind zum alternden Menschen ändert. Je nach Alter und Lebensumständen tragen wir, durch Steuern und Abgaben, zum Gemeinwesen bei oder sind auf die Unterstützung der Gemeinschaft angewiesen; etwa in der Ausbildung oder durch Sozial- und Gesundheitsleistungen.
Der moderne Wohlfahrtsstaat basiert auf dem Generationenvertrag: Die Pensionen werden durch Beiträge der Erwerbstätigen abgesichert. Dieses Einverständnis – ohne je ausgesprochen bzw. niedergeschrieben worden zu sein – gründet auf einer einigermaßen ausgewogenen Bilanz aller Leistungen der Generationen füreinander.
Die demografische Entwicklung und wenig optimistische Wirtschaftsprognosen gefährden aber das Prinzip zwischen den Generationen. Wer nach dem Baby-Boom geboren wurde, muss heute damit rechnen, dass die Generation der Eltern deutlich höhere Ansprüche stellt, als für einen selbst und die Nachfahren zu erwarten sind. Um einen gesellschaftlichen Bruch zwischen den Generationen zu vermeiden, gilt es, rechtzeitig vorzusorgen. Nicht nur die Altersstruktur, sondern auch die Beteiligung am Erwerbsleben und die Höhe der Löhne sind ausschlaggebend für den Erfolg des Systems.
Die „soziale Uhr“ tickt individuell
Viele wesentliche Aspekte des Lebens sind streng an ein bestimmtes Alter gebunden: Mit 6 Jahren gehen wir in die Schule und spätestens mit 65 Jahren in Pension. Passt das noch in die Lebensrealität der Menschen?
Jeder Lebensabschnitt ist verbunden mit bestimmten Bedürfnissen und Möglichkeiten. Unsere aktuellen Systeme sind mitunter starr und hinderlich dabei, ausreichend auf die neuen Entwicklungen einzugehen.
Die Bürgerinnen und Bürger werden unzufrieden, lustlos, antriebslos. Wo es an Betreuungsplätzen für Kinder fehlt, geht wertvolles Potenzial für die Arbeitswelt verloren. Regelungen, die rein an das Alter oder eine gewisse Zeitspanne gebunden sind, drängen die Betroffenen in vorgegebene Konzepte. Flexibel und kreativ zu sein, das ist nicht mehr möglich: eine „Lose-Lose“ Situation für alle. Wie also kann man die innere und die soziale Uhr besser aufeinander abstimmen?
Ein gewonnenes Lebensalter und seine Chancen
Wer heute in Oberösterreich mit 65 in Pension geht, hat eine fernere Lebenserwartung von etwa 15 Jahren, Tendenz steigend. Davon verbringt die statistische Mehrheit den weitaus größeren Anteil bei guter Gesundheit (→ Gesundheit). Zu den drei traditionellen Lebensabschnitten Kindheit und Jugend, Erwerbsalter sowie Ruhe stand haben wir ein Lebensalter dazugewonnen: die „neuen Alten“.
Der Fortschritt in Wissenschaft , Medizin und Technologie führt zur deutlichen Verlängerung dieser Phase. Handicaps, die das Alter mit sich bringt, können dadurch mehr oder minder ausgeglichen werden, das Leben bleibt auch in späteren Jahren lebenswert. Das heißt vor allem auch selbstbestimmt, autonom mit geringem Betreuungsbedarf. Und Einsamkeit im Alter muss auch nicht sein. Die „neuen Alten“ kommen!
„Viele Probleme einer alternden Gesellschaft lassen sich auf der lokalen Ebene lösen.“ – Helmut Kramer
Die „neuen Alten“ sind aktiv, interessiert und kompetent und haben großes wirtschaftliches und gesellschaftliches Potenzial. Den gewonnenen Lebensabschnitt individuell und gesellschaftlich erfüllend zu gestalten, erfordert ein neues Denken darüber, was es bedeutet, jünger älter zu werden. Wenn wir es schaffen, die wesentlichen Fragen gemeinsam anzugehen, können wir nachhaltig den Generationen-Dialog fördern, Kompetenz erhalten und weitergeben und soziale Innovationen (tragen zur Lösung gesellschaftlicher Probleme bei; wirtschaftlich nachhaltig) hervorbringen (→ Innovation): Welche Anreize gibt es für aktive Menschen im Pensionsalter, sich einzubringen? Welche Voraussetzungen und Möglichkeiten sind vorhanden oder müssen geschaffen werden?
Übrigens ist dies in beiderseitigem Interesse, da es wissenschaftlich erwiesen ist, dass Aktivität ab der Pensionierung den individuellen Alterungsprozess verzögert, während ihn der Mangel an Aufgaben beschleunigt. Aktivität im Alter hält gesund!
Zuwanderung ist gut für uns
Österreich ist ein Einwanderungsland und das ist gut so. Fachkräfte sind heute bei uns ohnehin Mangelware, der Wirtschaftsstandort ist auf Zuwanderung angewiesen. Denn Wirtschaftsentwicklung und Wohlstand werden auch durch jene Menschen gesichert, die zu uns kommen, um hier zu arbeiten. Ein „Nein zur Zuwanderung“ wäre ein ökonomisches Eigentor!
Woher stammen die Menschen, die nach Oberösterreich ziehen? Etwa 10.000 pro Jahr kommen aus anderen Bundesländern, allerdings „verliert“ das Land im Schnitt etwas mehr als das wieder an andere Bundesländer. Der Großteil der Neuankömmlinge kommt aus Deutschland und anderen EU-Staaten, danach folgen das ehemalige Jugoslawien, die Türkei und Asien.
Oberösterreich muss erstrebenswert sein, noch attraktiver werden. Dazu braucht es Maßnahmen, die Integration fördern und Oberösterreich damit noch „internationaler“ machen. Das hebt auch das Image des Standortes (→ Standort). Wer hierher kommt, will – mehrsprachige – Information und Bildung ebenso wie eine regionale und internationale Verkehrsinfrastruktur. Die Bürokratie sollte auf ein Mindestmaß reduziert sein. Doch der Mensch lebt nicht nur für die Arbeit. Auch Freizeit- und Kulturangebote spielen eine wichtige Rolle. Migration ist ein Gewinn für die Gesellschaft , wenn wir es zulassen.
Chancen für die Jugend
Der demografische Wandel und die daraus resultieren den Probleme und Chancen sind ein Thema, das man von der Jugend an aufrollen muss. Generationenpolitik ist ein Querschnittsthema, das über alle Ressorts und Strukturen wirkt. Seniorenpolitik ist zu kurz gegriffen. Es zählt zu den wichtigsten politischen Aufgaben, das Miteinander der Generationen zu fördern. Viele der gesellschaftlichen Herausforderungen treffen Jung und Alt gleichermaßen. Sie sollen uns als Gesellschaft zusammenschweißen und nicht auseinander dividieren.
„Manche sagen: ‚Wer die Jugend hat, hat auch die Zukunft.‘
Ich sage: ‚Wer die Zukunft hat, hat auch die Jugend.‘“ – Michael Strugl
Es geht dabei zwar um die großen Fragen zur Zukunft des Wohlfahrtsstaates, doch ein gelungenes Miteinander von Jung und Alt und die Gestaltung der gemeinsamen Zukunft können nur gelingen, wenn auf allen Ebenen angesetzt wird. „One world“ gilt auch für Jung und Alt. Im Kleinen können auch große Herausforderungen dingfest und greifbar gemacht werden, sodass man sie miteinander anpacken kann.
CHECKLISTE
- Sensibilisierung für die Herausforderungen des demografischen Wandels
- Förderung von Erwerbstätigkeit (möglichst weite und lange Aktivität am Arbeitsmarkt)
- Aktive Migrations‑, Integrations- und Internationalisierungspolitik
- Nutzung der steigenden Lebenserwartung als Chance für technische und soziale Innovationen
- Vielfalt und Flexibilität bei Kinderbetreuungsangeboten
- Generationen-Check für alle Gesetze und Maßnahmen
- Einbindung der Zivilgesellschaft, bürgerschaftlicher Initiativen und der Wirtschaft
- Aufbau sozialen Kapitals auf regionaler Ebene („Nachbarschaftshilfe neu“)
- Partizipation für alle Altersstufen
- Zulassen von Vielfalt und Förderung von Autonomie
- Jung und Alt in die Verantwortung für die Ideen der Zukunft nehmen