Auszug aus „Arena Analyse 2015: Wirtschaftsstandort Oberösterreich“ im Auftrag des Instituts Wirtschaftsstandort Oberösterreich (IWS), durchgeführt von Kovar & Partners, S. 4–6:
Es sind sechs Faktoren, die über die Zukunftsfähigkeit des Standortes entscheiden. Sie wurden aus den Beiträgen der Teilnehmer der Arena Analyse herausdestilliert, betreffen also spezifisch den Standort Oberösterreich, gelten aber vermutlich in mehr oder weniger ähnlicher Form für alle höher entwickelten Industrieregionen.
Faktor 1: Wirtschaftsstruktur und Infrastruktur
Oberösterreichs Wirtschaft ist insgesamt stark, in hohem Maße exportorientiert und weist viele technologisch hoch entwickelte Unternehmen aus. Ein großer Teil davon zählt im weitesten Sinn zur Auto-Zuliefer-Industrie, was bedeutet, dass sie nur durch ausreichend hohe Forschungs- und Entwicklungstätigkeit wettbewerbsfähig bleiben können. Zudem ist ihre langfristige Entwicklung mit der Zukunft der Automobilbranche verknüpft.
Mehrere Schlüsselbranchen stehen vor schwierigen Veränderungen: Zum einen die Handelsbranche, die durch das Vordringen des Online-Handels von Grund auf verändert wird, zum anderen die Grundstoffindustrie, wo vor allem die Zukunft der voestalpine ungeklärt und unter anderem von wichtigen energiepolitischen Rahmenbedingungen abhängig ist.
Nicht zuletzt kämpft die oberösterreichische Industrie – wie die Industrie im Westen Europas insgesamt – mit der Herausforderung, im globalen Wettbewerb konkurrenzfähig zu bleiben, obwohl die Arbeitskosten hier höher sind als in vielen anderen wichtigen Industrieländern und zudem ein rigideres Arbeitsrecht sowie höhere Umweltauflagen die Produktionskosten belasten.
Als Branche mit hohem Zukunftspotenzial gilt der Tourismus, der in Oberösterreich zu Unrecht im Schatten der Industrie steht.
Faktor 2: Humankapital und Sozialkapital
Für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit brauchen Oberösterreichs Unternehmen gut ausgebildete Mitarbeiter. Der größte Engpass wird hier bei technischem Know-how sowie bei Facharbeitern erwartet, weshalb die Attraktivität solcher Ausbildungswege (und der darauf aufbauenden Berufe) gesteigert werden sollte. Eine Quelle für Know-how, die zuwenig systematisch genutzt wird, wäre auch die Zuwanderung – die Empfehlung lautet, dass Oberösterreich sich aktiv um qualifizierte Zuwanderer bemühen und in der Folge in die zügige und gründliche Integration der neuen Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher investieren sollte. Ungenütztes Sozialkapital stellen weiters die älteren Bürgerinnen und Bürger dar. Es wäre weitblickend, sie länger im Arbeitsleben zu halten oder auch darüber hinaus ihre Erfahrung zu nutzen (etwa im Rahmen gemeinnütziger Tätigkeiten).
Faktor 3: Leistungsfähigkeit des politischen Systems
Die Fähigkeit und Bereitschaft der Landespolitik, die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft immer wieder neuen Bedürfnissen anzupassen, ist ein wichtiger Indikator für die Zukunftsfähigkeit eines Standorts. Oberösterreich leidet, wie Österreich insgesamt, unter Veränderungsresistenz. Den Anliegen der Wirtschaft begegnen sowohl Politik als auch Bevölkerung mit geringem Interesse und ebenso geringem Verständnis. Deshalb sehen die Experten der Arena Analyse im Aufbau eines wirtschaftsfreundlichen Klimas ein wichtiges Anliegen, gefordert sind hier die Unternehmen ebenso wie die politischen Entscheidungsträger.
Die öffentliche Verwaltung hätte noch Effizienz-Potenziale zu heben. Neben der Durchforstung der behördlichen Vorschriften und betrieblichen Auflagen sollte etwa über die Zusammenlegungen von Gemeinden und die Abschaffung der Bezirke als Verwaltungseinheit nachgedacht werden. Im Sinne eines positive verstandenen Föderalismus muss auch die Berechtigung der Landespolitik insgesamt hinterfragt werden, vor allem die Landtage werden in ihrer bestehenden Form sehr kritisch gesehen und sollten neue Aufgaben erhalten, wobei auch die völlige Abschaffung der Landesgesetzgebung als Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden sollte.
Faktor 4: Soziale Sicherheit und soziale Kohäsion
Der Zusammenhalt innerhalb der oberösterreichischen Gesellschaft ist auf mehreren Ebenen bedroht. Denn während die Wirtschaft über hohe Arbeitskosten klagt und um den Erhalt ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit kämpft, nimmt die soziale Disharmonie bei den Arbeitnehmern immer weiter zu. Kurzarbeit und unfreiwillige Teilzeitarbeit, unfreiwillige Selbständigkeit oder auch Scheinselbständigkeit sowie die Prekarisierung ganzer Bevölkerungsgruppen sind im Vormarsch. Dazu kommen drohende Konflikte zwischen den Generationen um die Arbeitsplätze sowie um die Finanzierung der Pensionen.
Faktor 5: Innovation und langfristige Visionen
Der rasante technologische Wandel wird es mit sich bringen, dass sich ganze Teile der oberösterreichischen Wirtschaft gleichsam neu erfinden müssen – und im Gefolge dieser Umbrüche auch gewohnte Berufsbilder verschwinden, während neue, noch unbekannte, auftauchen. Diese Situation erfordert die erhöhte Bereitschaft und Fähigkeit zur Innovation. Nötig sind dazu Investitionen in Forschung und Entwicklung, aber auch das Fördern eines innovationsfreudigen Klimas, das schon in den Schulen beginnen muss, denn Innovation erfordert die Bereitschaft, das Bestehende in Frage zu stellen und den Mut zum Irrtum. Bei der Organisation der Forschung kommt den Universitäten im Land eine zentrale Rolle zu, die noch gestärkt werden muss.
Faktor 6: Geistiges Klima: Heimat, Internationalität und Kulturleben
Ein weltoffenes Klima ist die entscheidende Voraussetzung, damit ein Standort für hochqualifizierte Menschen aus anderen Ländern überhaupt attraktiv sein kann. Umgekehrt stellt weltoffene Neugierde den ersten Schritt zur Exportorientierung und zum Aufbau von nachhaltigen Kontakten mit Partnern in anderen Weltregionen dar.
In beiden Fällen leistet die Kultur einen wichtigen Brückenschlag. Die Teilnehmer der Arena Analyse attestieren Oberösterreich ein deutliches Bemühen um den Aufbau eines Kulturszene und den Anschluss an relevante Kunstströmungen, doch steht dieser Weg erst noch am Anfang.
Damit diese Empfehlungen nicht einfach als Vorschläge stehen bleiben, sondern in konkrete Programme gegossen werden, deren Umsetzung kontrolliert werden kann, schlägt das IWS vor, eine Balanced Scorecard zum Standort Oberösterreich zu entwickeln. Sie soll ein Instrument sein, mit dem ein wichtiger Schritt in Richtung Accountability für wirtschaftspolitische Aktivitäten gesetzt werden kann. Die Balanced Scorecard enthält eine Reihe von konkreten Zielen, die sich aus den Empfehlungen dieser Studie ergeben, wobei zu jedem der Ziele zumindest eine Kennzahl oder ein Kriterium angeführt wird, an dem die Erreichung des Ziel gemessen werden kann – so kann laufend überprüft werden, ob und welche Verbesserungen erreicht wurden.
Die Arena Analyse ist ein Instrument, bei dem die Beobachtungen von Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Bereichen gesammelt, ausgewertet und zueinander in Beziehung gesetzt werden.
Den Entwurf einer Balanced Scorecard für den Standort Oberösterreich aus der Studie (S. 57–58) finden Sie hier zum Download.
Der gekennzeichnete Text wurde wörtlich aus der angegebenen Quelle zitiert und buchstabengetreu wiedergegeben.