Generationenmiteinander als Antwort auf die Herausforderungen des demografischen Wandels
Der demografische Wandel ist voll im Gange: In den letzten 40 Jahren ist das Durchschnittsalter der Bevölkerung in Oberösterreich um 7,4 Jahre angestiegen, die Geburtenzahlen sind niedrig, die Lebenserwartung steigt, die Generation der Baby-Boomer aus den 1950ern und 1960ern geht in Pension und stellt die öffentlichen Haushalte, besonders bei den Pensionen und in der Gesundheitsversorgung, vor völlig neue Herausforderungen.
DIE GENERATIONENFRAGE IST ENG MIT DER SOZIALPOLITIK, ARBEITSMARKT- UND WIRTSCHAFTSPOLITIK VERKNÜPFT. – BEATE GROSSEGGER
Lösungsansätze zur Stabilisierung des Systems liegen in teils sehr unpopulären Maßnahmen: längeres Arbeitsleben, mehr Zuwanderung, mehr Frauen im Berufsleben, lebenslange Weiterbildung, Pensionskürzungen, höhere Beiträge. Hinzu kommt, dass die längerfristigen Auswirkungen von vielen Faktoren, wie beispielsweise Immigration, auf die Bevölkerungsentwicklung derzeit schwer abschätzbar sind. Die daraus entstehenden Interessenkonflikte und die Gefährdung des Prinzips der Gerechtigkeit oder Fairness zwischen aufeinanderfolgenden Generationen sind nur durch ein aktives Zugehen der Generationen aufeinander und ein klares Bekenntnis der Politik zum Generationenmiteinander in Oberösterreich bewältigbar. (mehr dazu)
ALTERN ALS CHANCE
Es ist ein Geschenk des wirtschaftlichen, sozialen, technischen und medizinischen Fortschritts, dass sich Menschen eines immer längeren Lebens erfreuen dürfen – und das bei einer nie dagewesen hohen Lebensqualität und guter Gesundheit. Nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben und vor dem vollständigen Ruhestand oder einer Pflegebedürftigkeit ist ein ganzes Lebensalter hinzugekommen, das gestaltet werden muss und zahlreiche wirtschaftliche und soziale Chancen birgt.
WIE MAN ALT WIRD, IST GESTALTBAR. – HELMUT KRAMER
Während die Menschen in den 1970er Jahren noch mit durchschnittlich acht Jahren Ruhestand rechnen konnten, so sind es heute über 22 Lebensjahre. Steigt man von starren Kennzahlen nach Lebensalter um auf ein dynamisches Berechnungssystem basierend auf einer verbleibenden Lebenserwartung, werden wir als Gesellschaft sogar immer jünger und nicht älter. (mehr dazu)
WIR HABEN DIE FAIRNESS VERLASSEN, WEIL DIE ÄLTERE GENERATION SICH NICHT MEHR ÜBERLEGT , WAS DIE JUNGEN EINMAL SCHULTERN MÜSSEN. – FRIEDRICH SCHNEIDER
Diese neu entstehende Gruppe der „jungen Alten“ sollte als Chance für die Gesellschaft erkannt und genutzt werden. Hierzu ist aber auch eine ganze Palette an gesellschaftlichen Innovationen gefragt, die mit neuen Technologien, Dienstleistungen oder Produkten diese Chancen erkennen und Potenziale heben. Dieses Neuland muss mit großer Voraussicht und einem guten Maß an Eigenverantwortung beschritten werden, liegt es doch an jeder und jedem selbst, rechtzeitig Entwürfe für die eigene Zukunft zu erstellen und daran aktiv mitzuwirken. Nur eines ist sicher: Je aktiver dieser Lebensabschnitt bestritten wird, umso mehr wird der individuelle Alterungsprozess verzögert. Denn Aktivität im Alter hält jung und gesund.
PERSPEKTIVEN FÜR JUNGE MENSCHEN
Es wäre eine Illusion zu glauben, wir könnten durch politische Maßnahmen demografische Entwicklungen maßgeblich verändern. Daher müssen die Systeme an die Gegebenheiten angepasst werden, und nicht umgekehrt. Wichtiger Ausgangspunkt dafür ist, die Herausforderungen der demografischen Veränderungen aus dem Blickwinkel junger Menschen zu betrachten und sich nicht nur auf die Pensionsfrage und anstehenden Pflegebedarf zu konzentrieren. Um den Generationenvertrag zu sichern, ist es nun bedeutender denn je, die Jungen nicht nur in die Pflicht zu nehmen, sondern ihnen auch Perspektiven zu bieten. Denn gerade sie laufen sonst Gefahr, sich der gesellschaftlichen Verantwortung zu entziehen oder sogar in zukunftsträchtigere Länder abzuwandern.
PIONIERE DENKEN NICHT NUR AN DIE PENSION. – HELMUT KRAMER
Politisch gesehen werden junge Menschen immer mehr zu einer marginalen Bevölkerungsgruppe, denn im Hinblick auf das Älterwerden der Gesamtbevölkerung sind mit ihnen keine Wahlen mehr zu gewinnen. Junge Leute wachsen heute mit anderen Erwartungen und Ängsten auf. Weder ein sozialer Aufstieg noch Wohlstand sind für sie gesichert.
Krisenszenarien haben sich verändert und der Glaube, dass Politik und Institutionen zukünftige Herausforderungen bewältigen werden, ist stark gesunken. Diesem Glauben gilt es vor allem in lokalen Strukturen wieder einen Boden unter den Füßen zu geben.
GENERATIONENPOLITIK BETRIFFT ALLE
Ein generationenpolitisches Denken und Handeln funktioniert nur unter Einbeziehung aller Altersstufen und aller Lebens- und Wirkungsräume von Mensch und Gemeinschaft. Voraussetzungen dafür sind einerseits die Stärkung des Verständnisses für gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge und andererseits die Bewusstmachung des persönlichen Wirkungsraumes eines jeden Menschen.
Ein Generationenmiteinander muss im Sinne der Subsidiarität gelebt werden, um Interessenkonflikte zu entschärfen, Potenziale zu nutzen, gesellschaftliche Innovationen hervorzubringen und, nicht zuletzt, Sinn zu stiften. Deshalb ist auch die Bedeutung zivilgesellschaftlicher Initiativen und der Freiwilligkeit ein wichtiger Baustein im Gelingen eines Generationenmiteinanders. Hier verfügt Oberösterreich über ausgezeichnete Voraussetzungen, um einen breiten Prozess anzustoßen.
WIR MÜSSEN DIE BEDEUTUNG DES SOZIALKAPITALS STÄRKER INS ZENTRUM RÜCKEN. – JOHANNES BRANDL
Die Herausforderungen der sich wandelnden Demografie führen uns mittelfristig finanziell an die Grenzen der Möglichkeiten. Deshalb ist es umso wichtiger, Sozialkapital aufzubauen und in Gemeinschaften gut zu verankern. Dies gelingt am besten in kleinräumigen Strukturen: Familienverbänden, Unternehmen, Gemeinden, Kommunen.
Instrumente dafür gibt es bereits, die seitens der Politik und Entscheidungsträgerinnen und –träger so rasch wie möglich nutzbar gemacht werden müssen: Darunter fallen Instrumente wie zum Beispiel Zeitbanken, flexible Arbeitszeitmodelle, Altersteilzeit, Begegnungsräume für unterschiedliche Generationen, neue Wohnkonzepte etc.
ES GEHT NICHT UM DIE DEMOGRAFISCHEN VERÄNDERUNGEN, SONDERN UM DEN UMGANG MIT IHNEN. – MICHAEL SCHÖFECKER
Sie alle stärken auch die Erfahrung der Wirksamkeit des eigenen Tuns und so unser Verantwortungsbewusstsein – und damit die Gemeinschaft als Ganzes. Denn genau dieses Rückgrat des bürgerschaftlichen Engagements, von und für alle Generationen, braucht die Gesellschaft, um demografiefit zu werden.
DER DEMOGRAFIE-CHECK
Der Weg zu einem generationengerechten Miteinander ist ein langfristiger Prozess, der nicht in kurzfristigen politischen Maßnahmen zwischen zwei Wahlterminen abbildbar ist. Erschwerend kommt noch hinzu, dass sich die Generationenfrage gleichermaßen als Querschnittsmaterie durch verschiedene Ressorts und Aufgabenbereiche zieht und unausweichlich mit Fragen der Wirtschaft, des Arbeitsmarktes, der Sozial- und Gesundheitssysteme sowie der Bildungseinrichtungen verknüpft ist. Generationenmiteinander muss als soziales Prinzip verstanden und verankert sein, nicht als Politikbereich.
Langfristig ist es daher das Ziel, einen gemeinsamen „Leitfaden“ für ein fundiertes, ganzheitliches Generationenmiteinander zur Information, Sensibilisierung, Bewusstseinsbildung und praktischen Umsetzung zu etablieren – als Grundlage für generationenpolitische Entscheidungen und Verbesserungen. Als Generationenverträglichkeitsprüfung oder Demografie-Check muss ein solcher Leitfaden ressortübergreifend erarbeitet und verantwortet werden. Dabei lautet das Grundprinzip, die Chancen einer Generation zu optimieren, ohne dadurch die Chancen anderer Generationen einzuschränken.
Publikation:
Studie: Grundlagen & Ansätze einer Generationenpolitik in OÖ