Talenteförderung ist die Zukunft
Oberösterreich hat derzeit eines der dichtesten Talente-Förderprogramme auf AHS-Ebene in Österreich. In speziellen „Pull-Out-Kursen“ können sich z.B. hochbegabte Kinder, die ansonsten im normalen Klassenverband sind, drei bis fünf Tage an der Oö. Talenteakademie mit einem speziellen Thema auseinandersetzen – je nach Interesse und Talent.
Das Ziel – Talenteförderung für alle
Aber nicht nur hochbegabte Kinder haben Talente – jedes Kind kann in seinem speziellen Talent hochbegabt sein. Dementsprechend wird in Oberösterreich auch eine neue Methode erprobt. Sie hat das Potenzial, alle Kinder einzubinden: In TheoPrax-Kursen werden spezielle Aufgabenstellungen von Schülerinnen und Schülern ein Jahr lang bearbeitet. Ziel ist es, die Lösung für ein konkretes Problem zu finden.
Diese Themen sind aber nicht willkürlich ausgewählt. Viele Industriebetriebe, Gemeinden und kleinere Unternehmen haben unbeantwortete Fragen vor denen sie stehen – aber keine Ressourcen um sie zu beantworten. Diese Fragen werden nun von den Schülerinnen und Schülern bearbeitet. Überraschend oft bringen die frischen Köpfe innovative und verwertbare Erkenntnisse zu Tage.
Es ist eine Win-Win Situation für beide Seiten, wenn Frischdenker an Probleme herangelassen werden. – Günther Vormayr
In Oberösterreich wurde im Schuljahr 2015/16 an elf Schulen an 18 Fragestellungen gearbeitet, im Schuljahr 2016/17 werden es 12 Schulen mit 24 Fragestellungen sein. Schülerinnen und Schüler lernen so praxisnahe und ihren Interessen und Talenten entsprechend. Die Unternehmen und Gemeinden profitieren von den Ergebnissen der Kurse. Langfristig könnten das Bildungssystem und die Gesellschaft stark von derartigen Talenteförderungen profitieren.
Schon heute bietet das österreichische Bildungssystem die Möglichkeit, solche Projekte jederzeit einzuführen. Diese Freiräume werden jedoch zu wenig aktiv genützt.
Das Problem – Ressourcen und fehlendes Interesse
Eines der Hindernisse im Ausbau derartiger Projekte liegt in den zum Teil fehlenden Ressourcen. Im Jahr 2016 liegt die oö. Landesförderung für Talente bei mehr als 300.000 €. Um die Arbeit der die Schülerinnen und Schüler weiter optimieren zu können wären weiter Mittel von privaten Sponsoren nötig.
Doch die Suche nach privaten Sponsoren erweist sich als mühsam. Unternehmen bemängeln scheinbar lieber das geringe Ausbildungsniveau der Jugend, als dass sie in diese Jugend investieren würden. Hierbei oder auch für den Abbau von gesellschaftlichen Ängste vor der Talenteförderung (Stichwort: Angst vor neuen Eliten) wäre mehr Unterstützung von der Politik notwendig.
Die Lösung – Das System umbauen?
Eines der Probleme im Bildungssystem liegt aber auch darin begründet, dass in den letzten Jahrzehnten primär versucht wurde, das Schulsystem, dessen Strukturen um die vorletzte Jahrhundertwende definiert worden waren, durch das „Drehen an kleinen Schrauben“ zu modernisieren, ohne sich aber einmal umfassende Gedanken darüber zu machen, was eigentlich alles zur „Allgemeinbildung“ gehören sollte.
Sinnvollerweise bräuchten wir aber zuerst eine grundlegende Vision davon, was und wer aus unserem Bildungssystem herauskommen soll. Welches Wissen und welche Kompetenzen eigentlich heute und in Zukunft notwendig sind. Erst dann kann darüber geredet werden, wie diese Ziele erreicht werden können und welches „System“ wir dafür brauchen – und zwar ganzheitlich gedacht, von den Kleinkindern bis hinauf zu den Universitäten. Auch die Frage, was das für die Pädagogikausbildung bedeuten muss, darf nicht vergessen werden.
Darauf folgend erst kann diskutiert werden, wie viel die Gesellschaft in ein Bildungssystem investieren will. Und erst nach der Beantwortung aller dieser Fragen, kann ein effizientes und erfolgreiches Bildungssystem neu entworfen werden.
Keine leichte Aufgabe. Und einen derartigen Prozess auf allen Ebenen hat es noch nie gegeben. Er wäre aber dringend nötig.
Zur Person
Mag. Günther Vormayr ist Landesschulinspektor für Allgemeinbildende Höhere Schulen in Oberösterreich (Lehramt Mathematik und Chemie) sowie Geschäftsführer des Vereins Talente OÖ. Seit 2003 ist er somit für 50 Gymnasien mit 27.000 Schülerinnen und Schüler zuständig. Er ist einer der Experten, die im Rahmen von Zukunft 5.0 ihre Ideen einbringen und die Zukunft mitgestalten.