Bei Vizerektorin Petra Apfalter liegen dicke Ordner am Schreibtisch. Darin enthalten ist der Vorschlag für das Curriculum der medizinischen Fakultät der Johannes Kepler Universität für ab Herbst bis 2020. Neben der Weiterentwicklung des fächerübergreifenden Studienplans und der laufenden Berufung von Professorinnen und Professoren für die neue Fakultät stehen auch die anstehenden Bauthemen auf der Agenda der Dekanin.
Medizinstudium auf Linzerisch
Hocherfreut zeigt sie sich darüber, wie positiv sich das Medizinstudium in Linz mit Schwerpunkten auf Versorgungforschung und klinischer Altersforschung entwickelt. Insgesamt sind bereits 220 Studierende mit JKU Matrikelnummer unterwegs. Diese sind unterschiedlich weit im Studienfortschritt. Bereits über 40 Studierende haben die ersten Semester des Studiums in Graz absolvierten und starten in Linz ins 5. Semester. Sie werden bei uns weiter betreut, unterrichtet und in den Krankenhäusern ausgebildet. „Die Zusammenarbeit läuft bestens,“ freut sich die Vizerektorin. Ganz großartig ist auch die Unterstützung der niedergelassenen AllgemeinmedizinerInnen.
Das Alleinstellungsmerkmal der medizinischen Fakultät ist auch inhaltlich im Studienangebot deutlich sichtbar: „In unserem Curriculum unterrichten zum Beispiel auch Techniker die angehenden Ärztinnen und Ärzte und legen eine wichtige Basis für das Verständnis einer fächerübergreifenden Zusammenarbeit in der Medizintechnik.“
Nationales Referenzzentrum für nosokomiale Infektionen und Antibiotikaresistenz
Die Weiterentwicklung der medizinischen Fakultät beherrscht jedoch nur einen Teil des Arbeitsalltags der Vizerektorin. In der anderen Zeit leitet sie das Institut für Hygiene, Mikrobiologie und Tropenmedizin des Ordensklinikum Linz bei den Elisabethinen Linz. Dort befindet sich auch das nationale Referenzzentrum, wo unklare Bakterienstämme analysiert und abgeklärt werden, Wissen um Keime und ihre Resistenzen gesammelt und zur Verfügung gestellt werden.
Drei von vier Befragten in Österreich wissen nicht, dass Antibiotika nur bei bakteriellen Infektionen helfen, nicht aber bei Viruserkrankungen. — Petra Apfalter
Das Institut berät das Bundesministerium für Gesundheit in Fragen rund um antimikrobielle Resistenzen und erstellt den jährlichen „AURES Resistenzbericht Österreich“ und eine „Landkarte“ für Erregerresistenzen. Apfalter ist Mitglied des Obersten Sanitätsratesund federführend mit dabei, wenn es darum geht, nationale und internationale Normen und Standards im Bereich der mikrobiologischen Diagnostik und Empfehlungen für politische Entscheidungsträger zu erarbeiten.
Bewusstsein in der Bevölkerung stärken
Für Apfalter ist derzeit eine der größten Herausforderungen der Medizin, die Bevölkerung noch besser aufzuklären und für die wichtigen Themen zu sensibilisieren. Denn einerseits bricht regelmäßig Hysterie aus wegen Viren wie Zika, Ebola oder SARS, und andererseits nimmt die Zahl der Impfverweigerer zu. „Wo man Vorsorge treffen kann, soll man das tun“, ist die Medizinerin überzeugt. Ansonsten empfiehlt sie, das Leben ganz normal weiterzuleben, denn öfter duschen oder andauerndes Händedesinfizieren zeigt außerhalb des klinischen Alltags keine Wirkung. Ein weiterer Wunsch der Infektionsspezialistin ist ein sorgsamerer Umgang mit Antibiotika. Denn drei von vier Österreichern wissen nicht, dass diese nur bei bakteriellen Infektionen helfen und nehmen sie unhinterfragt.
Alte und neue Keime als Gefahren
Im Vergleich zu anderen Ländern hat Österreich sehr hohe Hygienestandards. Doch gerade durch die übertriebene Einnahme von Antibiotika und die zunehmende weltweite Mobilität der Bevölkerung und Gütern kommt es immer wieder zu Ausbildungen von neuen multiresistenten Keimen. Hier läuft die Medizin Gefahr, an ihre Grenzen zu stoßen. Das gefürchtete Szenario, wo lang bewährte Mittel nicht mehr greifen, ist durchaus real. Doch auch hier beschwichtigt die Expertin, denn solche Fälle sind derzeit zum Glück extrem selten.
Es sind jedoch nicht nur neue Keime und Krankheiten, sondern auch alte, die neue Aktualität erlangen, wie etwa der jüngste Masernausbruch zeigt. Das liegt daran, dass die Menschen nachlässiger werden bei Impfungen oder sie verweigern und damit die Immunität der Gesamtbevölkerung gefährden, eine für die Medizinerin unerklärliche Entwicklung.
Aus alt mach neu – auch bei Medikamenten
Da die Zulassung von neuen Medikamenten, an denen laufend geforscht wird, mindestens zehn Jahre dauert, gibt es derzeit einen Trend, wieder bewusst zurückzugegriffen auf alte Substanzen, die heute Dank Fortschritten der Medizin besser dosiert und gezielter eingesetzt werden können.
Im Dienste der Sache
Die Etablierung der neuen medizinischen Fakultät in Linz steht vor vielen Herausforderungen. Was Vizerektorin Petra Apfalter sehr schätzt, sind die kurzen Wege und das Kommittent in Oberösterreich zu diesem Projekt. Für das Gelingen der Vorhaben – sowohl was die Medizinfakultät als auch ihr Fach angeht – wünscht sich Apfalter, dass Befindlichkeiten hintangestellt werden und sachlich an guten Lösungen angesichts großer Herausforderungen gearbeitet wird. Das erfordert auch Mut zur Entscheidung.
Zur Person
Prim. Univ.-Prof. Dr. Petra Apfalter ist Vizerektorin der JKU und Dekanin der medizinischen Fakultät. Sie leitet das Institut für Hygiene, Mikrobiologie und Tropenmedizin des Ordensklinikum Linz bei den Elisabethen Linz. Es ist nationales Referenzzentrum des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen, das den Nationalen Aktionsplan zur Eindämmung der antimikrobiellen Resistenzen in Österreich ausgearbeitet wird (AURES – der Österreichische Antibiotikaresistenz-Bericht). Sie ist Mitglied im Obersten Sanitätsrat und die mikrobiologische Stimme Österreichs in der EU.