Bricht die Mittelschicht weg?

Der Anteil von Arbeitsplätze für Menschen mit mittlerer Qualifikation am Arbeitsmarkt wird geringer. Der für hohe und geringe Qualifikationen steigt. Am stärksten ist diese Entwicklung in Österreich.

Weniger Jobs für mit­tlere Qual­i­fika­tio­nen am Arbeitsmarkt?

Bricht die Mittelschicht weg?

Vielerorts wird die steigende Polar­isierung in der Gesellschaft beklagt. Die Entwick­lun­gen des Arbeits­mark­tes der let­zten 20 Jahre bestäti­gen diese These. Der Anteil von Arbeit­splätzen für Men­schen mit mit­tlerer Qual­i­fika­tion am Arbeits­markt wird geringer. Der Anteil der Berufe, die hohe Qual­i­fika­tion erfordern, steigt. Unter den OECD Staat­en ist diese Entwick­lung in Öster­re­ich am stärk­sten ausgeprägt.

Diese Entwick­lung zeigt nicht nur, dass in Zukun­ft höhere Qual­i­fika­tion mehr Chan­cen am Arbeits­markt bedeutet. Sie wirft auch weitre­ichende Fra­gen für die Gesellschaft auf: Denn die bre­ite Mit­telschicht war bish­er die Basis und das Rück­grat unser­er Wirtschaft und unser­er Demokratie. Was es bedeutet, wenn sie an Bedeu­tung ver­liert, bleibt vor­erst offen.

Die Hintergründe zur Grafik:

Nach der aktuellen OECD-Studie zum Beschäf­ti­gungsaus­blick 2017 im OECD-Raum ist eine steigende Polar­isierung in der Arbeitswelt zu beobacht­en. Die Anzahl der Arbeit­splätze stieg in den ver­gan­genen 20 Jahren an – ins­ge­samt um 12,9 Prozent. Beson­ders stark ist dieser Anstieg im Bere­ich der hohen und – inter­es­san­ter­weise – niedri­gen Qual­i­fika­tions­felder – wie unsere Grafik oben zeigt. Wohinge­gen der Anteil der Arbeit­splätze mit mit­tleren Qual­i­fika­tio­nen in den ver­gan­genen 20 Jahren deut­lich zurück­ge­gan­gen ist.

Diese Entwick­lung geht etwa zu einem Drit­tel auf eine Ver­lagerung der Beschäf­ti­gung vom ver­ar­bei­t­en­den Gewerbe hin zu Dien­stleis­tun­gen zurück – Stich­wort Dein­dus­tri­al­isierung Europas in den 1990er Jahren. So fan­den Fachkräfte aus der Indus­trie nach Job­ver­lust oft nur schlechter bezahlte Beschäf­ti­gung im Dien­stleis­tungssek­tor. Zwei Drit­tel der Polar­isierung wer­den auf eine Ver­lagerung der Nach­frage hin zu Jobs mit entwed­er niedriger oder hoher Qual­i­fika­tion inner­halb einzel­ner Branchen zurückgeführt.

Eine Grafik der Agen­da Aus­tria verdeut­licht diesen Trend zum Dien­stleis­tungssek­tor (Daten­quelle eben­falls der OECD Beschäf­ti­gungsaus­blick 2017):

Die Polarisierung wird sich in Zukunft verstärken

Vor dem Hin­ter­grund der zukün­fti­gen Entwick­lun­gen im Bere­ich der kün­stlichen Intel­li­genz, der Automa­tisierung und der Dig­i­tal­isierung, kann davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass dieser Trend der Polar­isierung in der Arbeitswelt sich weit­er ver­stärken wird. Sämtliche Experten in diesem Bere­ich gehen davon aus, dass die Entwick­lung kün­stlich­er Intel­li­genz in den kom­menden 15 Jahren die stärk­sten Auswirkun­gen auf die mit­tleren Qual­i­fika­tion­ss­chicht­en haben wird und let­z­tendlich auch die höheren Qual­i­fika­tio­nen erre­ichen wird. Die Diskus­sio­nen etwa über die Vor- und Nacht­teile eines Bedin­gungslosen Grun­deinkom­mens sind auch vor diesem Hin­ter­grund zu sehen.

Um sich über die Fol­gen dieser Entwick­lung klar­er zu wer­den, sollte drin­gend eine Diskus­sion über die gesellschaftlichen und poli­tis­chen Fol­gen geführt wer­den. Acad­e­mia Supe­ri­or plant deshalb einen Schw­er­punkt auf den Bere­ich Kün­stliche Intel­li­genz und ihre Fol­gen für das kom­mende Jahr.

Was kann die Politik tun?

Um dieser Entwick­lung arbeit­spoli­tisch zu begeg­nen, müsste die Regierung Beschäftigte beim Erwerb der richti­gen Qual­i­fika­tion ins­beson­dere durch Weit­er­bil­dung und Umschu­lung noch stärk­er unter­stützen. Im OECD-Raum haben hochqual­i­fizierte Beschäftige derzeit zwei bis drei Mal mehr Chan­cen auf betriebliche Weit­er­bil­dung als Niedrigqual­i­fizierte. Auch schulis­che Lehrpläne soll­ten sich stärk­er an den neuen Anforderun­gen des Arbeits­mark­tes ori­en­tieren, um Schüler bess­er auf die verän­derte Arbeitswelt vorzubereiten.

Laut den Autoren der OECD-Studie liegt in der sozialen Absicherung der Schlüs­sel zu wirtschaftlich­er und sozialer Inklu­sion. Sozialver­sicherungssys­teme und Beschäf­ti­gungspoli­tiken müssen mit den Verän­derun­gen auf dem Arbeits­markt Schritt hal­ten und weit­er­en­twick­elt werden.

Wer ist in der Grafik gemeint?

  • Hohe Qual­i­fika­tio­nen = Führungskräfte, Wis­senschaftler, Tech­niker (ISCO-88 Grup­pen 1, 2 und 3)
  • Mit­tlere Qual­i­fika­tion = Bürokräfte, Handw­erk­er, Maschinenbediener/Monteure (ISCO-88 Grup­pen 4, 7 und 8)
  • Niedrige Qual­i­fika­tion = Dien­stleis­ter und Hil­f­skräfte (ISCO-88 Grup­pen 5 und 9)
  • Fachkräfte in der Land­wirtschaft und Fis­cherei (Gruppe 6) und Stre­itkräfte (Gruppe 0) wer­den in der Grafik übri­gens nicht berücksichtigt

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