Eine Freundin hat bei mir im Arbeitszimmer mein neues Buch „Warum nur Knallköpfe die Welt vor Killerklobrillen retten können” gefunden. Geschrieben habe ich es für Kinder, Jugendliche und Eltern mit Markus Hengstschläger, basierend auf seinem Bestseller „Die Durchschnittsfalle”.
Die ersten Zeilen lauten:
Hey you
Ja, du!
Schon mal gedacht
dein Leben
ist irgendwie voll daneben
Du bist weder der Schicke
noch der Kopf deiner Clique
Dir gefallen nur Sachen
über die andere lachen
Wie du bist
was du tust
ist einfach nicht recht
du bist nicht ganz schlecht
doch auch nicht der Winner
viele nennen dich Spinner
Du gehörst nicht dazu, und das schmerzt
stehst eben im Leben
nicht mittendrin
sondern mehr schräg daneben
Meine Freundin hat aufgeschaut, geschluckt und gesagt: „Genau so habe ich mich früher in der Schule gefühlt.”
Wahrscheinlich ist es den meisten so ergangen. Die Gründe dafür können sehr vielfältig sein. Wichtig aber ist, wie mit diesem Gefühl umgegangen wird.
Zwei mögliche Strategien:
- Man studiert genau, was die anderen alle machen, wie sie sind und wie sie sich verhalten, kopiert und macht nach und wird einer von ihnen.
- Man nimmt sich grundsätzlich einmal so an, wie man ist, macht das Allerbeste daraus, arbeitet daran die eigenen Stärken noch auszubauen und Defizite so in den Griff zu bekommen, dass sie nicht hinderlich sind.
Ich nehme an, praktisch jeder wird sofort versichern, nur die zweite Strategie mache Sinn und sollte gewählt werden. Dem kann ich nur zustimmen. Aber machen wir das selbst? Und unterstützen, begleiten und bestärken wir Kinder und Teenager diesen Weg zu gehen? Für sie ist dieser Weg sogar noch steiniger und schwieriger als für Erwachsene.
Aber es ist für mich zweifellos der Weg, der die größte Chance bietet, ein erfülltes Leben zu leben. Nur wer selbst glücklich ist, kann andere glücklich machen.
Daher ist es heute wichtiger als jemals zuvor, Kinder in ihrer Einzigartigkeit zu bestärken. Es steht Erwachsenen nicht zu, sie als Klumpen Plastilin zu sehen, der zurechtgeknetet werden kann. Gute Erziehung bedeutet, die Spielregeln für ein friedliches, freudiges und kreatives Zusammenleben zu lernen und zu trainieren.
Aber jedes Kind ist vom ersten Atemzug an eine Persönlichkeit, die anerkannt und gefördert werden muss. Selbstverständlich müssen alle Charakterzüge und Leidenschaften immer positiv zum Leben und der Welt beitragen. Allerdings dürfen Interessen und Stärken, die scheinbar derzeit nicht so gefragt oder populär sind, nicht einfach negiert werden.
Beim Schreiben des Buches „Knallköpfe” ist mir zum ersten Mal selbst bewusst geworden, wie stark die Zusammenhänge mit meinem eigenen Leben sind:
Ich war anders als Kind und Jugendlicher
Statt Fußball zu spielen, habe ich lieber Puppentheater gebaut
Statt über Hermann Hesse zu diskutieren, habe ich lieber TV-Drehbücher für Kinderserien geschrieben
Statt im Cafe zu sitzen, habe ich bei TV Dreharbeiten als Puppenspieler mitgemacht
Anerkennung, Bewunderung oder einfach nur Respekt hat mir das alles aber nicht im Geringsten eingebracht. Selbst als ich den Großen Österreichischen Jugendpreis mit meinen ersten Drehbüchern gewonnen habe, wurde ich von Mitschülern wie Lehrern nur müde belächelt.
Zum Glück habe ich — trotz großer Traurigkeit manchmal — durchgehalten.
Dankbar bin ich auch meinen Eltern, die meine Andersartigkeit respektiert haben und mir die Entschuldigungen für Fehlstunden unterschrieben haben, wenn ich neben der Schule beim Fernsehen als Puppenspieler tätig war.
Heute kann ich erkennen, wie wichtig mein Anderssein als Kind war. Es hat die Grundlage für meinen kreativen Weg gebildet, den ich bis heute gehe. Ein Weg, der mich persönlich immer sehr erfüllt hat und auf dem ich hoffentlich viele für das Lesen, das Leben und die Welt begeistern konnte.
Anders zu sein bedeutet nicht besser zu sein.
Anders zu sein nur um eben anders zu sein und sich zu unterscheiden und abzuheben, halte ich auch für etwas hohl.
Mut zum Anderssein bedeutet, das Beste aus der eigenen Person, den eigenen Fähigkeiten und dem eigenen Leben zu machen, auch wenn andere es zuerst nicht sehen oder anerkennen.
Es ist dieser Mut, der in Kindern von Eltern wie Lehrern gefördert, gepflegt und bestärkt gehört.
Zuhören ohne sofort zu werten,
hilft dabei sehr!
Im ACADEMIA SUPERIOR DIALOG unterhielt sich Thomas Brezina mit Markus Hengstschläger im Schloss Linz über „Die Einzigartigkeit des Andersseins”.
Zur Person:
Thomas Brezina begeistert und fasziniert seit über 30 Jahren Kinder und Jugendliche mit seinen Geschichten. Der gebürtige Wiener gewann bereits im Alter von 15 Jahren den „Großen Österreichischen Jugendpreis” für seine Drehbücher zu einer Puppen-Fernsehserie. Der Durchbruch gelang ihm 1990 mit der Buchreihe „Die Knickerbocker-Bande”. Wenig später folgte „Tom Turbo”, der seit nunmehr 20 Jahren die Kinderherzen erobert. Mit über 40 Millionen verkauften Büchern und Übersetzungen in 35 Sprachen ist Thomas Brezina einer der international erfolgreichsten deutschsprachigen Kinder- und Jugendbuchautoren. Dank seines Muts, anders und deshalb einzigartig zu sein, beschritt er selbst einen unkonventionellen Weg. Mit seinen Abenteuergeschichten unterhält, fasziniert und inspiriert er Jung und Alt und verbindet damit Generationen.