Unser Beiratsmitglied und langjähriger Moderator des SURPRISE FACTORS SYMPOSIUMS Alan Webber hat die Wahl zum Bürgermeister in Santa Fe, New Mexico, USA gewonnen. Und das mit einem aus österreichischer Sicht höchst ungewöhnlichen Wahlsystem.
Absolute Mehrheitswahl mit übertragbarer Stimmgebung
Bei der Wahl des Bürgermeisters in Santa Fe konnten die Wählerinnen und Wähler auf dem Stimmzettel (siehe Beispiel) die Kandidaten nach ihrer persönlichen Präferenz nummerieren. Derjenige Kandidat, den man am liebsten im Bürgermeisteramt sehen würde, bekommt die Erststimme, der zweite die Zweitstimme und so weiter.
Bei der Auszählung werden die Stimmzettel zunächst nach den Erststimmen sortiert. Im Prinzip werden Stapel für jeden Kandidaten gemacht. Erreicht ein Kandidat dabei mehr als 50 Prozent aller abgegebenen Erststimmen, so ist er oder sie gewählt. Erreicht niemand mehr als 50 Prozent, so wird der Stimmzettel-Stapel desjenigen Kandidaten, der am wenigsten Erststimmen erhalten hat, auf die anderen Kandidaten aufgeteilt – und zwar nach der Zweitstimme. Erreicht nun wieder kein Kandidat mehr als 50 Prozent der Stimmen, so werden die Stimmzettel des vorletzten Kandidaten neu verteilt, usw. Dies wird so lange fortgesetzt, bis jemand eine absolute Mehrheit an Stimmen erreicht hat.
Dieses Wahlsystem wird aktuell bei den Parlamentswahlen in Australien und Papua-Neuguinea, sowie für die Präsidentschaftswahlen in Irland angewendet.
Vorteile
- Durch die Neuauszählungen können sich die Stimmen für verschiedene – aber ähnlich orientierte – Kandidaten kombinieren und an Gewicht gewinnen
- Verringert die Problematik des Vote-Splittings
- Fördert politisch breiter orientierte Kandidaten, da diese nicht nur ihre eigene Wählerschaft zu mobilisieren versuchen, sondern auch nach Zweitpräferenzen streben
- Fördert eine kooperative Politik, da große Parteien dazu tendieren, Abmachungen mit Minderheitenparteien zu schließen, um deren Unterstützung für Zweitpräferenzen zu erhalten
- Erhöht die wahrgenommene Legitimität der gewählten Kandidaten
- Teilt viele weitere Vorteile mit dem System der Absoluten Mehrheitswahl
- Teuer abzuwickelnde zweite Wahlgänge bzw. Stichwahlen werden obsolet
Nachteile
- Komplexeres System als bei der absoluten Mehrheitswahl
- Die Wahlergebnisse können sehr unverhältnismäßig sein
- Grenzziehungen von Wahlkreisen sind ein wichtiges Thema
- Ein hoher Alphabetisierungsgrad der Wahlberechtigten ist nötig
- Ob das System eine kooperative und breit orientierte Politik befördert, ist sehr vom sozio-kulturellen Kontext des Systems abhängig
- Das System arbeitet in größeren Mehr-Mandate-Wahlkreisen weniger effektiv
- Lange Zeitperiode zwischen der Wahl und der Erklärung des Endergebnisses
- Fördert die Aufsplitterung des Parteiensystems in instabilen Demokratien