Verbrechen steckt in jedem Menschen und unter bestimmten Bedingungen kann das bei jeder und jedem von uns herauskommen. Das Böse ist Teil des menschlichen Daseins und dennoch schwer greifbar.
Um Zukunft positiv zu gestalten, können wir die Schattenseiten des Lebens nicht einfach verneinen oder ignorieren. Denn nur in der individuellen und gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit den Motiven, die zu aggressivem und kriminellem Handeln führen, wird es gelingen, entgegenzuwirken und Zukunftsvisionen nachhaltig zu gestalten.
Das Böse ist jener Handlungsteil, der sich — unter Umgehung des „Moralinstinkts” — in aggressiver Weise gegen körperliche, psychische oder soziale Integrität anderer richtet. Die Wurzeln finden sich in krankhaftem Verlangen und belastenden Milieueinflüssen, in traumatisierenden Kindheitserlebnissen und sozialen Tragödien, in Prägungen durch schlechte Vorbilder und falsche Freunde, in überkochenenden Emotionen und im Druck delinquenter Gruppen, im Beherrschtsein von totalitären Systemen und in der narzisstischen Selbsterhöhung, in alkoholischer Enthemmtheit und drogenbedingter Verwirrtheit, vor allem aber in Kränkungserlebnissen.
Das (un)fassbare Böse reicht von Gehässigkeit, Neid, Zerstörung über soziale Ungerechtigkeit, Folter bis hin zu Mobbing und Katastrophen. Es ändert sein Gesicht und zeigt sich in immer neuer Form.
Wir werden das Böse nie beseitigen, sondern können es nur über die Umwandlung der menschlichen Aggressionsneigung eindämmen. Entscheidend wird sein, inwieweit es glingt, zwischen den Menschen bessere Gefühlsbildungen zu schaffen. Dabei geht es um Empathie und Versöhunung, die sich nicht nur auf das Verhältnis zu anderen Menschen, sondern auch auf die eigene Entwicklung und die individuellen Traumatisierungen beziehen müssen.
Reinhard Haller war am 13. Mai 2013 zu Gast im DIALOG, wo er mit Markus Hengstschläger über „Das ganz normale Böse” sprach.