Nachhaltiges und ressourcenschonendes Wirtschaften sind die größten Herausforderungen für die Zukunft, so der Tenor einer Tagung in Salzburg.
Wachstum frisst Gewinne auf
„Wir handeln, als hätten wir 1,5 Erden zur Verfügung. Wenn wir so weiter machen, bräuchten wir 2050 2,5 Welten”, so der Architekt Georg Schleicher. Die Bevölkerung unseres Planeten wächst und seine Ressourcen, die wir ver/brauchen werden knapper. Nicht nur die BRIC-Staaten mit ihren hohen Wachstumsraten (Bevölkerung, Wirtschaft) verbrauchen „trotz der Preissteigerung” immer mehr davon, so Christian Helmenstein, IV Chefökonom.”
66 kg Ressourcen wurden im Jahr 2008 in Österreich pro Person und Tag verbraucht; im selben Jahr wurden in Österreich 169 Mio. Tonnen Material aus den Bereichen Bergbau, Land- und Forstwirtschaft entnommen”, weiß Gerhard Mannesberger, Leiter der Sektion Forstwesen im Lebensministerium. Für einen „Laien” sind das Zahlen, die nur schwer fassbar sind. Mannesberger ergänzt, dass, obwohl Österreich ein Land mit einer traditionell bedeutenden Land- und Forstwirtschaft ist, eine zunehmende Entkoppelung der verarbeitenden land- und forstwirtschaftlichen Industrie von der heimischen Ressourcenbasis stattfindet und Österreich somit zunehmend von Importen abhängig wird. Dennoch hat, laut August Astl, Generalsekretär der Landwirtschaftskammer Österreich, die kaskadische Nutzung von Ressourcen in Österreich absoluten Vorrang. 2012 wurde der Ressourceneffizienz-Aktionsplan (REAP) mit Aktionsfeldern, in denen Potential und Möglichkeiten für Österreich liegen (Produktion; Kreislaufwirtschaft: z.B. Altholz-Recycling, Bewusstseinsbildung; öffentliche Beschaffung), von Minister Berlakovich präsentiert. „Langfristiges Ziel des Aktionsplans ist es, die österreichische Wirtschaftsentwicklung vom Ressourcenverbrauch und den damit einhergehenden Umweltauswirkungen absolut zu entkoppeln. Dazu ist es erforderlich, die Ressourceneffizienz in Österreich mittelfristig, also bis zum Jahr 2020, um mindestens 50% anzuheben und somit den Ressourcenverbrauch insgesamt deutlich zu reduzieren.”[1]
Reich sein bedeutet Ressourcenverbrauch
„Reich sein bedeutet Ressourcenverbrauch”, so Ernst Ulrich von Weizsäcker, deutscher Naturwissenschafter und Politiker. Er beklagt, dass die Produktion immer schmutziger werde, immer mehr Energie verbrauche und die Umwelt zerstöre, bemerkt aber, dass bereits ein Umdenken einsetze.
Wie nähern wir uns „Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz?
Die Kernaussagen aus den Referaten:
Georg Schleicher: „Wir haben dann Wirtschaftswachstum, wenn wir Ressourcen verbrauchen — diese Idee funktioniert nicht mehr. Wir müssen das Wirtschaftswachstum vom Ressourcenverbrauch entkoppeln”. Wege dorthin sollen ebnen:
- eine Suffizienzstrategie: Sein statt Haben; Bruttosozialglück statt Bruttosozialprodukt; neue Bescheidenheit
- eine Effizienzstrategie: Mehr aus Weniger machen; Ressourceneffizienz nach Produktions- und Kapitaleffizienz; Hirnströme statt Materialströme
- die Substitution von Materiellem durch Immaterielles
- ‘Cycles’: Ressourcen gebrauchen statt verbrauchen (das Ende des einen Produkts soll der Anfang des nächsten Produkts sein)
- Klimaschutz: Treibhausgase speichern statt freisetzen
- Sanierungen bestehender Gebäude (um Energie zu sparen)
Alexander Petutschnigg, Studiengangsleiter Holztechnologie & Holzbau an der FH Salzburg, fordert beim Thema Ressourceneffizienz:
- eine neue Verwendung von Ressourcen: interdisziplinäre Zusammenarbeit (z.B. mit der Medizin) neue Technologien zu entwickeln um neue Materialien neu zu verwerten
- die Ausbildung von Fachkräften („Es geht um jede und jeden, die oder der sich für die High-Tech Rohstoff Holz-Branche interessiert und darin arbeiten möchte!”)
Christian Helmenstein, Chefökonom der Industriellenvereinigung identifiziert die Zeitwende, an der wir stehen: „makroökonomisch gibt es kaum noch Handlungsspielräume; vielmehr werden mikroökonomische und regionale Initiativen den Strukturwandel voranbringen”. „Das Substituieren einer Ressource durch eine alternative Ressource beschert uns weniger Unabhängigkeit, als vielmehr eine andere Abhängigkeit (z.B. Öl:elektrischer Strom). Klassische Substitutionsmöglichkeiten von Ressourcen werden in Zukunft nicht mehr so gut/einfach funktionieren”. Helmenstein plädiert für:
- die Standortsicherung Österreich
- Arbeitsproduktivität, Materialeffizienz, eine Materialstückkostenstrategie und eine Lohnkostenstrategie um wettbewerbsfähig zu bleiben und Versorgungssicherheit zu gewährleisten
- die Nutzung aller effizienzsteigenden Potentiale
- Vorsicht bei einer asymmetrischen Verlagerung der österreichischen Industrie (bewirkt hohe Transportkosten)
- das Halten von Unternehmen (mit größerem Ressourcenverbrauch) in Österreich
- genaues Schauen und Rechnen
Friedrich Hinterberger, Präsident des Sustainable Europe Research Institutes, fordert
- Kostensenkung durch Ressourceneinsparung
- Befreiung aus Abhängigkeit
- Öko-Innovation (und soziale Innovation: wie gehe ich selber mit Ressourceneffizienz um?)
- Arbeitsplätze und Sicherung der Versorgung auch mit weniger Wachstum
- UnternehmerInnengeist und klare Rahmenbedingungen (z.B. Preise die wir brauchen um Ressourceneinsparung wirksam werden zu lassen)
- absolute Reduktion des Verbrauches, vor allem in Industrieländern
Gerhard Mannesberger, Leiter der Sektion Forstwesen im Lebensministerium verlangt
- eine stärkere Verankerung des Themas Nachhaltigkeit in der Politik und im Gesetz (nicht nur auf nationaler sondern auch auf EU-Ebene)
- einen größeren Einsatz jeder einzelnen Person, einen Beitrag hin zu mehr Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz zu leisten
Wer sich zuerst bewegt, hat verloren
Ernst Ulrich von Weizsäcker gab unzählige Empfehlungen, „wie wir aus dem ganzen hier wieder heraus kommen” und bedauerte gleichzeitig, dass wir eine Mikado Situation haben: wer sich zuerst bewegt, hat verloren. „Die Hausaufgabe muss sein”, so Weizsäcker, „zum First Mover Advantage zu kommen”. „Wie viel bringen alle kleinen Initiativen wirklich auf dem Weg hin zu einer nachhaltigeren und ressourceneffizienteren Welt?”, fragt Weizsäcker. Für ihn muss es einen anderen Ansatz geben: „eine dramatische Änderung wäre zum Beispiel ein Verfünffachen der Ressourcenproduktivität” (=Faktor 5, dann Faktor 10). In anderen Worten: die weltweite Ressourcenproduktivität ließe sich um mindestens 75 bis 80 % steigern. Dieser Faktor 5 wäre in Entwicklungsländern via die ‚Kuznets-Kurve‘[2] zu erreichen. Ressourcenproduktivität ist für Weizsäcker keine Illusion. Der Faktor 5 ist für ihn „physikalisch technisch machbar, politisch jedoch ein Titanen Werk”. „Effizienz alleine genügt nicht”, so der Naturwissenschafter und Politiker: „hohe Preise steigern Effizienz und Vernunft, Genügsamkeit kann schick sein und glücklich machen”. Seine Perspektiven und Vorschläge:
- Wege entwickeln, die ‘Kuznets-Kurve’ zu durchtunneln: Wege, von arm und sauber nach reich und sauber ohne den Umweg über reich und schmutzig zu kommen. Das auch beim Klimaschutz und beim Ressourcenverbrauch, wo die ‘reichen und sauberen’ Länder heute noch die Hauptsünder sind. [3]
- Vorsicht und Umsicht der Politik, um nicht mit tausenden Verordnungen die Wirtschaft abzuwürgen
- Die Anhebung der Energie-Rohstoffpreise parallel zu den Effizienzgewinnen (so bleiben monatlich die Kosten für Energie usw. im Durchschnitt konstant)
- einen Sozialtarif für das Lebensnotwendigste und eine Aufkommensneutralität für Industrie oder Branchen (wie beim schwedischen Modell NOx: vermeidet Migration der Industrie)
- keine Ausnahmepolitik (bedeutet Stagnation)
- die Entbürokratisierung der EU-Umweltpolitik, was aber nicht Verzicht auf Steuerung bedeuten soll
- eine politische Allianz der Gewinnerländer!
Laut Weizsäcker werden die Branchen HighTech, Handwerk, Wissenschaft, Bildung, Kultur, etc. die Gewinner sein. Transport (LKW, Flugzeug) etc. allerdings die Verlierer. „Verlierer sind die, die nicht dazugelernt haben — speziell die Zementindustrie”, so Weizsäcker.
Gründung des „Regionalen Ressourcen-Forums Austria” und der Ressourcenakademie
Ausgehend vom World Resources Forum, vom European Resources Forum (Fahrplan der EU seit 2012) und dem Nationalen Ressourcenforum Deutschland hat man sich für die Gründung eines regionalen Ressourcenforums in Österreich entschieden. Vor allem, weil die EU-Regionalpolitik immer mehr Schauplatz der Politik wird und in der Region Natur‑, Human- und Sozialkapital ‘gesichert’ werden kann. Hier gibt es eine steigende Nachfrage nach Wohnraum und die Notwendigkeit an wirtschaftlicher Resilienz.
Neben dem „Regionalen Ressourcen-Forum Austria” soll nun auch eine Ressourcenakademie in Salzburg gegründet werden. „Weil wir zunehmend an planetary bounders und wirtschaftliche Grenzen stoßen, unsere Ressourcen immer knapper werden, Ressourceneffizienz alleine nicht genügt und wir einen Blick auf die Zukunft werfen wollen”, so Friedrich Hinterberger, Präsident des Sustainable Europe Research Institutes. Die Akademie wird mit dem Thema ‘Holz’ beginnen, folgen werden viele andere Themen wie Wasser, Luft, etc. Sie wird Fragen der Resilienz und der nicht-materiellen Ressourcen diskutieren. Man denkt auch daran eventuell eine Datenbank zu kreieren, in der Daten verschiedenster Unternehmen eingespeist werden können, um deren ökologische Rucksäcke im Auge zu behalten.
Das Ressourcen-Forum Austria sowie die Ressourcenakademie sollen
- Handlungsempfehlungen an Politik und Wissenschaft geben
- von Interdisziplinarität getragen werden
- zur Vernetzung und Bewusstseinsbildung beitragen und das Thema Ressourceneffizienz in die Breite bringen und voranbringen
- die Möglichkeit bieten, auf regionaler Ebene international zu diskutieren
- als Schaufenster dienen, über Aktivitäten die es in Österreich zum Thema gibt
Zitate
„Es ist viel Jugend anwesend, das wunderte einige; aber das zeigt, dass dieses Thema die Jugend berührt.”
„Wachstum frisst Gewinne auf.”
„Wir werden zwar immer besser, aber es nützt uns nichts.”
„Das gute Leben wird größtenteils mittels materieller Begriffe definiert.”
„Haben wir mehr Lebensqualität bei geringerem Ressourcenverbrauch?”
„Laut Human Development Index ist Kuba das einzige Land weltweit im Bereich der nachhaltigen Entwicklung.”
„Wenn es die reichste Milliarde Menschen der Welt bis 2020 schaffen würde, die erneuerbare Energie um 20% zu erhöhen, wäre erst 1/35 vom Weltproblem gelöst.”
„Verlierer sind die, die nicht dazugelernt haben.”
[1] Lebensministerium www.lebensministerium.at/umwelt/nachhaltigkeit/ressourceneffizienz/aktionsplan_ressourceneffizienz/aktionsplan.html
[2] Kuznets-Kurve: Die Umwelt-Kuznets-Kurve (oft auch englisch Environmental Kuznets Curve, kurz EKC) ist eine Hypothese aus der Umweltökonomik über den Zusammenhang zwischen Pro-Kopf-Einkommen eines Landes und Grad der Umweltverschmutzung. Sie besagt, dass die Emissionen verschiedener Umweltschadstoffe in einer sich entwickelnden Volkswirtschaft zunächst bis zu einem Gipfel zunehmen und danach mit weiter zunehmendem Pro-Kopf-Einkommen wieder abnehmen. de.wikipedia.org/wiki/Kuznets-Kurve
[3] Interview mit Ernst Ulrich von Weizsäcker im Vorfeld der UN-Konferenz Rio+20, 2012 www.elk-wue.de/arbeitsfelder/kirche-und-menschen/menschen-im-interview/archiv-interviews/ernst-ulrich-von-weizsaecker/ [Letzter Zugriff: 14.6.2013]